Weltraumindustrie: Afrika greift nach den Sternen
19. April 2023"Die Chancen sind groß, dass Afrika bald eine eigene, leistungsfähige Weltraumindustrie aufbauen kann - eine Weltraumindustrie, die wirklich den Menschen in Afrika hilft", sagt die südafrikanische Marktanalystin Rorisang Moyo im DW-Interview. Die Weltraumindustrie ist Moyos Spezialgebiet - sie bezeichnet sie als "eine Branche mit einem enormen Wachstumspotenzial, auch und vor allem in Afrika".
Bislang müssten afrikanische Satelliten von Raketenstartplätzen außerhalb Afrikas ins All befördert werden - vor allem vom kasachischen Baikonur, von Guyana in Südamerika, oder aus dem US-Bundesstaat Kalifornien -, weil es in Afrika weder die nötigen Weltraumbahnhöfe noch die technischen Kapazitäten dafür gebe. Afrikanische Unternehmen müssten deshalb einen Großteil der nötigen Dienstleistungen teuer einkaufen. Doch das werde sich bald ändern, ist sich Rorisang Moyo sicher: Denn immer mehr afrikanische Regierungen investierten in Weltraumprojekte. Und immer mehr öffentliche und private Investoren aus der ganzen Welt zögen nach.
Boom der Raumfahrtindustrie in Afrika
Die afrikanische Raumfahrtindustrie wurde 2021 mit circa 20 Milliarden US-Dollar bewertet. Bis 2026 werde dieser Wert voraussichtlich auf 23 Milliarden steigen. Afrika sei aktuell der Standort von über 270 NewSpace-Unternehmen, die Weltraumtechnologien weiterentwickeln und weltraumgestützte Dienstleistungen anbieten, unter anderem in den Bereichen Telekommunikation, Verteidigung, Sicherheit, Schifffahrt, Luftfahrt, Bergbau, Landwirtschaft, Umwelt, Entwicklung, Bildung und Gesundheit, heißt es auf der Homepage der von der Afrikanischen Union organisierten "NewSpace Africa Conference 2023", die vom 25. bis zum 28. April 2023 in der ivorischen Metropole Abidjan stattfndet.
Rorisang Moyo, die bei der Konferenz in Abidjan eines der Panels zum Thema "Förderung öffentlich-privater Partnerschaften und internationaler Kooperationen" leiten wird, unterstreicht vor allem die Bedeutung der Afrikanischen Weltraumagentur - African Space Agency -, eine afrikanische Behörde, die in Kairo angesiedelt werden soll. Das transnationale Projekt der Afrikanischen Union soll dem Kontinent Mitsprache auf internationaler Ebene ermöglichen.
Aufgrund seiner geografischen Gegebenheiten, vor allem seiner Lage am Äquator, eigne sich Afrika besonders für den Bau von Weltraumbahnhöfen, von denen aus zukünftig nicht nur afrikanische Satelliten ins All befördert werden könnten, erläutert Rorisang Moyo. Für die notwendigen Investitionen bräuchte es allerdings einen einheitlichen Rechtsrahmen in Afrika. Es gehe darum, die Beziehungen zu Investoren und Partnern aus anderen Kontinenten verbindlich zu regeln. Genau das werde die "African Space Agency" leisten, so die Analystin.
Dschibuti: Millardenprojekt mit chinesischem Partner
Afrika ist der einzige Kontinent, der bislang noch keinen Startplatz für Weltraumraketen hat. Etliche Versuche, Weltraumbahnhöfe auf dem Kontinent zu etablieren, waren in den vergangenen Jahrzehnten ins Leere gelaufen. Doch diesmal scheint man es ernst zu meinen: in Dschibuti, am Horn von Afrika soll bald der Bau beginnen. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde Anfang des Jahres zwischen dem Präsidenten Dschibutis, Ismael Omar Guelleh, und dem chinesischen Unternehmen Hong Kong Aerospace Technology unterzeichnet.
Mit diesem eine Milliarde Dollar teuren Weltraumbahnhof, der über einen Zeitraum von fünf Jahren gebaut werden soll, setzt Dschibuti auf seine für solche Projekte ideale Geografie, nämlich auf die Nähe zum Äquator sowie auf die strategische Lage am Eingang zum Roten Meer, das eine der verkehrsreichsten Handelsrouten der Welt ist. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Infrastruktur für einen Zeitraum von 30 Jahren von China und Dschibuti gemeinsam verwaltet werden soll.
"Das Dschibuti-Projekt zeigt uns die Kraft, die von der Zusammenarbeit zwischen einer großen Raumfahrtnation, China, und einer Nation, deren Weltraumindustrie noch am Anfang steht, ausgehen kann", sagt Rorisang Moyo und fügt hinzu: "Ohne Zweifel wird sich Dschibuti in kürzester Zeit zu einem wichtigen internationalen Akteur in der Weltraumindustrie entwickeln."
Kenia: US-Rakete befördert Forschungssatelliten ins All
Auch Kenia macht derzeit mit einem ambitionierten Weltraumprojekt und einem eigenen Aufklärungssatelliten von sich reden: Taifa-1 (Suaheli für "Nation-1"), Kenias erster einsatzbereiter Erdbeobachtungssatellit, der von einem Team kenianischer Forscher konzipiert und entwickelt wurde. Am 15. April 2023 wurde Taifa-1 von einer SpaceX-Rakete von Kalifornien aus in die Umlaufbahn gebracht.
Taifa-1 soll Daten in den Bereichen Landwirtschaft und Umweltüberwachung in Kenia liefern, die für die Zukunft des ostafrikanischen Landes, das derzeit eine historische Dürre erlebt, wertvoll sind. Durch die multispektralen Kamerabilder des Satelliten werde es möglich sein, "hochwertige Erdbeobachtungsdaten zu erhalten, die helfen werden, Klimaveränderungen und damit Ernteerträge vorherzusagen", erklärte die kenianische Weltraumagentur anlässlich des Raketenstarts.
„Mit solchen Projekten, und davon gibt es in Afrika immer mehr, profitieren die Menschen in Afrika, wir können unsere Ernährungssicherheit verbessern", ordnet Marktanalystin Rorisang Moyo die Bedeutung der Weltraumindustrie für die Entwicklung des Kontinents ein.
Kenia schickte 2018 seinen ersten Nanosatelliten ins All. Bis 2022 wurden laut "Space in Africa", einem nigerianischen Unternehmen, das afrikanische Weltraumprogramme beobachtet, mehr als 50 afrikanische Satelliten ins All geschickt, der erste von Ägypten 1998.
Angola: Mit russischer Hilfe Internet fürs In- und Ausland
"Ein weiteres Land mit stetigem Wachstum in der Raumfahrtindustrie ist Angola, ein Land, das seit langem anstrebt, vor allem in Fragen der Telekommunikation autark zu sein", sagt Analystin Moyo.
Im Oktober 2022 wurde der zweite angolanische Satellit, Angosat-2, ein Zwei-Tonnen-Koloss mit einer extrem hohen Informationsübertragungskapazität, im All platziert. Der Satellit kostete 320 Millionen US-Dollar, wurde in Russland gebaut und wurde vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan aus ins All geschickt. Sein Signal deckt den größten Teil des afrikanischen Kontinents und einen großen Teil Südeuropas ab.
Die angolanische Regierung versprach, das Land damit im Bereich der Kommunikation in Afrika an die Spitze zu bringen: "Hiermit ist Angola in ein neues Zeitalter eingetreten. Wir haben einen weiteren Schritt gemacht in Richtung der Errichtung einer Telekommunikations-Infrastruktur, die diesen Namen verdient. Dafür hat das angolanische Team, gemeinsam mit unseren russischen Kollegen, hart gearbeitet. Wir gratulieren Angola und allen Angolanern zu diesem Erfolg", sagte der angolanische Telekommunikations-Minister Mário Oliveira anlässlich der Inbetriebnahme des Satelliten.
Die Dynamik sei nicht nur in Angola, Kenia oder Dschibuti, sondern überall in Afrika spürbar, zum Beispiel in Südafrika oder Nigeria, wo es viele junge Forscher und Startups gebe, sagt Marktanalystin Rorisang Moyo. Afrikanische Player seien zunehmend international vernetzt und arbeiteten, ideologiefrei, sowohl mit Amerikanern als auch mit Europäern, Russen oder Chinesen zusammen.
Seit Jahrzehnten hoffe Afrika auf entscheidende Impulse und die Hoffnungen seien nicht immer erfüllt worden. Jetzt aber sei der Erfolg zum Greifen nahe: "Die Zukunft der Weltraumtechnologie gehört dem afrikanischen Kontinent", so die zuversichtliche Prognose der Marktanalystin aus Südafrika.