Dem Anschlag zum Trotz
24. März 2015Mit dem Angriff wollten die Attentäter "den Übergang zur Demokratie schädigen und Angst verbreiten unter den Bürgern, die nach Freiheit und Demokratie streben und friedlich eine Demokratie aufbauen wollen", hieß es in einer ersten Erklärung. Dem wolle man auf keinen Fall stattgeben, erklärt der Tunesier Moheddine Cherbib, einer der Organisatoren des Forums. "Alle Delegationen, sei es aus Lateinamerika, Afrika, Europa oder dem Nahen Osten, haben gesagt, dass das Forum stattfinden muss. Das ist die richtige Antwort auf den Terrorismus." Bereits am Tag des Anschlags hatten die Organisatoren beschlossen, trotz aller Sicherheitsbedenken die Konferenz durchzuziehen.
Mehr als 4000 Nichtregierungsorganisationen haben angekündigt, am Forum teilzunehmen. Die Organisatoren erwarten mehrere zehntausend Globalisierungskritiker aus aller Welt, um im Verlauf der Woche auf dem Campus der Universität Tunis über Themen wie Migration, Umweltprobleme, Menschenrechte und Wirtschaftsfragen zu diskutieren.
Maximale Sicherheit für die Teilnehmer
Bereits 2013 hatte das Weltsozialforum, das als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum ins Leben gerufen wurde, in Tunis stattgefunden. Doch 2015 kommt zu dem logistischen Aufwand die Sicherheitsfrage. Man sei gut vorbereitet, erklärt Cherbib, bevor er zu einer Ortsbegehung des Geländes mit Vertretern von Polizei und Innenministerium aufbricht. "Wir sind in direktem Kontakt mit den tunesischen Behörden, um den Teilnehmern maximale Sicherheit zu garantieren", erklärt er. Auf dem Campus selbst werde keine Polizei stationiert sein, jedoch würden Flughafen, die Zugänge zum Universitätsgelände sowie die gesamte Hauptstadt verstärkt kontrolliert, sagt er, ohne jedoch genaue Zahlen zu nennen. Er rechne nicht damit, dass die Teilnehmer nach dem Anschlag vergangener Woche ausbleiben würden, so Cherbib. "Wir müssen Hand in Hand zusammenstehen, um den Terrorismus zu bekämpfen." Dessen seien sich alle Teilnehmer bewusst.
Das Forum 2015 erneut in Tunesien abzuhalten, sei eine bewusste Entscheidung gewesen, erklärte der französische Wirtschaftswissenschaftler Gustavo Massiah, einer der Co-Organisatoren. "In Tunesien hat 2011 der Aufstand der Völker gegen die Krise des Neoliberalismus begonnen, gegen die Krise des weltweiten geopolitischen, wirtschaftlichen, kulturellen und ideologischen Systems." Der politische Umbruch in Tunesien, der eine Reihe von Aufständen in der arabischen Welt, aber auch in anderen Regionen nach sich gezogen hat, sei ein Vorbild für die Zivilgesellschaft weltweit. "Tunesien war die Initialzündung", glaubt er.
Eröffnungsmarsch führt zum Ort des Anschlags
In Tunesien haben sich seit dem 14. Januar 2011 mehr als 20.000 Nichtregierungsorganisationen gegründet, nachdem die Organisationsfreiheit unter dem ehemaligen Machthaber Zine El Abidine Ben Ali stark eingeschränkt war. "Wir haben es der tunesischen Zivilgesellschaft zu verdanken, dass wir uns hier nicht in der gleichen Situation befinden wie im Rest der Region", betont Massiah. "Deshalb können wir hier viel lernen, und deshalb kommen so viele Organisationen hierher."
Das Weltsozialforum wird an diesem Dienstag (24.03.2015) mit einem Marsch der Teilnehmer offiziell eröffnet. Dessen Route wurde nach dem Anschlag spontan verlegt und führt die Teilnehmer nun zum Bardo-Museum, wo vergangene Woche der tödliche Angriff stattfand. Allerdings wurde die geplante Wiedereröffnung des Nationalmuseums aus Sicherheitsbedenken zunächst noch einmal verschoben. Bis zum Ende dieser Woche sollen während des Weltsozialforums mehrere hundert Workshops täglich stattfinden.