Rassismusdebatte erfasst auch den Bergsport
8. Juli 2020"Ich hoffe, dass der Rassismus eines Tages nicht mehr existiert, aber im Moment ist er immer noch ein Thema. Und er ist immer ein Thema gewesen", sagt die Schwarze Kletterin Meagan Martin. Für die meisten Menschen, so die 30 Jahre alte US-Amerikanerin gegenüber der DW, sei Rassismus "etwas, das sie nicht regelmäßig erleben. Aber nur weil man ihn nicht immer sieht, heißt das nicht, dass er nicht da ist. Als Schwarze Kletterin war mir das Vorhandensein von Rassismus immer bewusst. Aber ich habe mich entschieden, mich davon nicht unterkriegen zu lassen, sondern mich stattdessen stärker zu machen."
Meagan Martin ist Profikletterin, hat für die USA Weltcup-Wettkämpfe bestritten. Der breiten Öffentlichkeit in den Staaten wurde sie durch die Fernsehsendung "American Ninja Warrior" bekannt, in der sie mit ihrer Geschicklichkeit in den Hindernisparcours für Furore sorgte. Die Kletterin engagiert sich auch für "Black Lives Matter". "Ich denke, wir sehen bereits, wie sich die Erkenntnis, dass Rassismus existiert, auf die Kletterszene auswirkt", sagt Martin. Die Unternehmen der Outdoorbranche reflektierten inzwischen, "in welchen Bereichen sie es versäumt haben, ein Verbündeter der Schwarzen Gemeinschaft zu sein und wie sie es in Zukunft besser machen können". Das gelte auch für "viele Athleten".
"Adventure Gap"
People of Color sind im Bergsport nach wie vor unterrepräsentiert. 2019 ergab eine Studie in den USA, dass in den dortigen Nationalparks Afroamerikaner gerade mal ein Prozent der Besucher ausmachten - bei einem Anteil von rund 13 Prozent an der US-Gesamtbevölkerung. Der Schwarze Journalist und Buchautor James Edward Mills bezeichnet das Phänomen als "Adventure Gap", die "Abenteuerlücke": "Es geht nicht um die Frage, ob Afroamerikaner hohe Berge besteigen können oder nicht", schrieb Mills im Magazin "National Geographic": "Was zählt, ist, dass wir als Gruppe dazu neigen, es nicht zu tun. Und aus einer Vielzahl unterschiedlicher sozialer und kultureller Gründe ist die Welt des Bergsteigens fast ausschließlich den weißen Männern vorbehalten." Nicht nur an den Kletterwänden, auch bei Expeditionen zu den hohen Bergen der Welt sind Schwarze Bergsteiger immer noch eine Ausnahme.
Einer der Gründe sei "der Mangel an Schwarzen Vorbildern im Bergsport" glaubt Molly Thompson-Smith. "Ich bin mir ständig bewusst, wie ich heraussteche", sagt die 22-Jährige, die zu den größten Talenten im britischen Klettersport zählt und bereits bei einem Weltcup-Wettbewerb auf dem Podium stand. "Für einige Leute könnte dies ein Grund sein, nicht mit dem Klettern anzufangen, weil sie sich unwohl fühlen oder einfach keine Verbindung zu diesem Sport haben." Dazu komme, dass Klettern "ein ziemlich teurer Sport" sei, wenn man eine gute Ausrüstung haben und zu Wettbewerben oder attraktiven Felswänden reisen wolle: "Das wird zu einer Barriere für Menschen aus weniger privilegierten Verhältnissen."
Witzig gemeint, aber daneben
Rassismus habe sie in ihrem Leben "zum Glück nur selten erlebt", sagt Thompson-Smith der DW: "Und wenn es in einer Kletterhalle passiert ist, dann waren es 'harmlose' Kommentare oder Witze, die ich einfach abgetan habe." Sie habe trotz ihrer karibischen Wurzeln "eine ziemlich helle Haut", so die Kletterin. "Es sind meine Haare, die das 'Giveaway' sind. Witze von Freunden über meine Hautfarbe oder Leute, die fasziniert mein Haar berühren wollten, waren in meiner Kletter-Kindheit normal. Ich habe den Leuten nie erzählt, wie es sich wirklich anfühlte, Gegenstand dieser Worte oder Handlungen zu sein. Es war vielleicht nicht beleidigend gemeint, aber heutzutage würde ich diese Kommentare nicht mehr so akzeptieren."
Wie Meagan Martin ist auch Molly Thompson-Smith in der Bewegung "Black Lives Matter" aktiv: "Ich fand die letzte Zeit emotional sehr anstrengend, aber sie hat mich auch sehr hoffnungsvoll gestimmt. Ich gebe zu, ich hätte besser sein können und sollen, wenn es um Rassismus geht. Ich hätte die Menschen darüber aufklären können, dass ihre 'Witze' oder 'Beobachtungen' über People of Color nicht angebracht waren." Jetzt wolle sie sich "stärker für mehr Diversität in der Kletterszene einsetzen" und dafür sorgen, dass "sie sich wie ein sicherer und einladender Ort anfühlt, an dem Menschen jeglicher Herkunft willkommen sind".
"Weiße und Männer dominieren den Klub"
In der vergangenen Woche trat der angesehene Chefredakteur und Verleger des US-Klettermagazins "Rock and Ice", Duane Raleigh, unter bemerkenswerten Umständen zurück. "Wir waren jung, konnten klettern und Risiken genießen, weil wir Freiheiten hatten, die das nicht-weiße Amerika nicht hat. Wir waren Teil einer Kultur, die ich bedauere", begründete der 60-Jährige seinen Schritt. "Das Privileg der Weißen ließ unsere 'Brüderlichkeit' existieren. Wir konnten unangepasst sein und so gut wie alles ohne Konsequenzen tun. Im Großen und Ganzen existiert der von Weißen und Männern dominierte Klub immer noch weltweit." Raleigh entschuldigte sich dafür, dass er als junger Mann einer Route einen Namen mit dem N-Wort gegeben habe.
"Black Lives Matter" hat dazu geführt, dass die Diskussion über diskriminierende Namen von Kletterrouten an Schwung gewonnen hat. Das Recht, einer Route einen Namen zu geben, hat derjenige, der sie erstmals gemeistert hat. Vermeintlicher Witz oder Flapsigkeit schlagen dabei zuweilen in Beleidigung um. US-Kletterer sprachen sich jetzt zum Beispiel dafür aus, die "N* Wall" in der Owens-River-Schlucht in Kalifornien so lange zu boykottieren, bis der beleidigende Name ersetzt wird. Das Kletterportal "mountainproject.com" führt eine Liste von "bad names", Routennamen, die als rassistisch, sexistisch oder auf andere Weise diskriminierend empfunden werden. Die Liste umfasst mittlerweile die Namen von mehr als 2000 Routen.
Diskriminierende Routennamen auch in Deutschland
Darunter findet sich auch eine deutsche Route: "Der N* mit dem Knackarsch" im Frankenjura, einem beliebten Felsklettergebiet zwischen Nürnberg, Bamberg und Bayreuth. Auf dem Kletterportal "frankenjura.com" sind zwei weitere Routennamen mit dem N-Wort ("N*kuss", "Scharfer N*") vermerkt. Eine andere Route ("Indianer und Bambus-N*") wurde bereits umbenannt. "Auch wenn die Geschichte dazu superlustig war, ist der Name in der heutigen Zeit nicht mehr tragbar", begründete der Erschließer der Route seinen Entschluss, sie umzutaufen. Nicht mehr tragbar ist eigentlich auch der Name "Bimboland". So ist ein Teil des Klettergebiets nahe dem oberbayerischen Ort Kochel am See benannt.
Der Deutsche Alpenverein (DAV) verweist auf DW-Nachfrage darauf, dass es ihm ein wichtiges Anliegen sei, "für Gleichberechtigung und Vielfalt auf allen Ebenen einzustehen". Der Handlungsspielraum in diesem Fall sei allerdings "begrenzt", so Steffen Reich, DAV-Ressortleiter Naturschutz und Kartografie: "Denn erstens werden die Routennamen nicht von uns, sondern von den Erstbegeherinnen und Erstbegehern vergeben. Und zweitens führen wir keine Datenbank und erstellen keine Kletterführer, in denen die diskriminierenden Namen verzeichnet sind und wir sie einfach ändern könnten." Der einzig zielführende Weg sei, bei den Autoren und Verlagen sowie Kletterportalen "darauf hinzuwirken, dass die diskriminierenden Namen geändert oder gelöscht werden".
Die Rassismus-Debatte hat nun auch in der Bergsport-Szene an Fahrt aufgenommen - nicht nur in den USA und Deutschland. "Es ist beruhigend zu wissen, dass meine Kletterkollegen sich einen Augenblick Zeit nehmen, um die Welt durch meine Brille zu sehen und die Unterschiede zu erkennen, die es gibt", sagt US-Kletterin Meagan Martin. "Ich bin für diesen Weg geboren. Das ist das Leben, für das ich mich entschieden habe. Und ich bin stolz darauf, eine Schwarze Frau in der Klettergemeinschaft zu sein."