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Politik

Wenig Optimismus nach Normandie-Treffen

Roman Goncharenko
20. Oktober 2016

Skepsis, erneute Schuldzuweisungen und ein bisschen Schadenfreude. Die Reaktionen in Kiew und Moskau auf den Berliner Gipfel zur Ukraine-Krise lassen wenig Platz für Hoffnung auf einen Durchbruch.

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Angela Merkel und Petro Poroschenko in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Dem westlichen Druck nicht nachgeben. Keine politische Lösung, solange die Waffen nicht dauerhaft schweigen. Diese Haltung im Konflikt mit prorussischen Separatisten in der Ostukraine und deren faktischen Schutzmacht Russland scheint in Kiew seit langem Konsens zu sein. Aus dieser Perspektive werden die Ergebnisse des Gipfels im sogenannten Normandie-Format in Berlin bewertet.

Kiew: Erst Waffenruhe, dann Wahlgesetz

Der Westen wolle die Ukraine dazu bewegen, ein Gesetz über Kommunalwahlen in den Separatistengebieten Donezk und Luhansk zu verabschieden, sagte am Donnerstag der Parlamentsabgeordnete Wolodymyr Arjew von der regierenden Partei des Präsidenten Petro Poroschenko gegenüber der DW. "Das wird jedoch erst möglich, wenn die Sicherheit gewährleistet sein wird", so der Politiker. Erst dann werde das Parlament für das Gesetz stimmen.

Ähnliche Einschätzungen waren von der prowestlichen Opposition zu hören. "Wir wissen, dass man auf uns Druck ausübt", sagte Oleh Beresjuk, Fraktionsvorsitzender der Partei "Samopomitsch" (Selbsthilfe) im ukrainischen Parlament, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur "Interfax-Ukraine". Der Westen fordere die Ukraine zu Schritten auf, die ihre Souveränität zerstören würden, so der Politiker, dessen Partei zu den schärfsten Kritikern der Minsker Vereinbarungen zählt. In Berlin habe er nichts Neues gehört und das sei positiv. Auch die zweitgrößte Fraktion im Parlament, die Partei "Volksfront" des früheren Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk, bleibe bei ihrer Ablehnung von Wahlen in den Separatistengebieten, schrieb der Abgeordnete Leonid Jemez bei Facebook.

"Die Ukraine könnte Zugeständnisse machen, allerdings erst wenn es einen signifikanten Fortschritt im Bereich Sicherheit gibt", sagte der Kiewer Außenpolitik-Experte Olexander Suschko im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er warnte davor, die Berliner Vereinbarung über einen "Fahrplan zu Minsk" zu überschätzen. "Sobald Expertengespräche beginnen, werden wir wieder die alten Probleme haben, wie etwa die Reihenfolge der Maßnahmen", so Suschko.

Fahrplan bis Ende November

Die Präsidenten Frankreichs, Russlands und der Ukraine trafen sich auf Einladung der Bundeskanzlerin am späten Mittwochabend in Berlin, um über den festgefahrenen Friedensprozess in der Ostukraine zu sprechen. Zuletzt hat es einen solchen Vierer-Gipfel vor über einem Jahr in Paris gegeben. Seitdem hat sich wenig verändert. Die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, jener 13 Punkte, die im Februar 2015 unter deutsch-französischer Vermittlung festgelegt wurden, stockt. Vor allem Kiew weigert sich, den selbsternannten "Volksrepubliken" eine weitreichende Autonomie zu gewähren und sie durch Kommunalwahlen zu legitimieren, solange der Stellungskrieg dauert. Es gibt aus der Kiewer Sicht auch weitere kritische Punkte, wie etwa den Abzug ausländischer Verbände, gemeint sind russische Kämpfer, sowie die Wiederherstellung der Kontrolle über die Staatsgrenze.

In Berlin wurde vereinbart, bis Ende November einen Fahrplan mit konkreten Schritten und Fristen auszuarbeiten. Außerdem sollen Truppen an einigen Orten abgezogen und der Einsatz der Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ausgeweitet werden. 

Treffen zu Beratungen über Ukraine-Konflikt in Berlin
Bei den Ukraine-Gesprächen im Berliner KanzleramtBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Moskau: das Normandie-Format lebt

In Russland hörte man nach dem Berliner Gipfel eine Wiederholung alter Vorwürfe. Moskau tue sein Bestes, um Frieden in die Ostukraine zu bringen, während Kiew seine früheren Zusagen nicht erfülle, so der Tenor.

Doch es gibt auch positive Einschätzungen. Das Berliner Treffen habe gezeigt, dass das Normandie-Format lebt, schrieb bei Facebook Konstantin Kossatschew, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte vor einigen Monaten noch Zweifel daran geäußert.

"Die Tatsache, dass dieses Viererformat erhalten bleibt, ist positiv", sagte Alexander Guschtschin vom Russischen Rat für Außenpolitik der DW. Doch habe das Treffen in Berlin keine Änderungen gebracht, was die Ansichten der Seiten angehe.

Separatisten im Einklang mit Moskau

Der Politiker Kossatschew ließ so etwas wie Schadenfreude durchblicken. Die Lösung des Konflikts in Syrien sei für die Europäer "offenbar wichtiger" als der Ukraine-Konflikt, schrieb er. Wer die Berichterstattung deutscher Medien verfolgte hatte jedenfalls den Eindruck, dass das Thema Syrien im Vordergrund stand, auch wenn der formelle Anlass des Vierer-Gipfels der Ukraine-Konflikt war.

Die prorussischen Separatisten reagierten auf die Berliner Vereinbarungen ähnlich wie Moskau. Die Waffenruhe und der politische Prozess in Kiew sollten Hand in Hand gehen, sagte ein Vertreter der Separatisten in Moskau. Vor diesem Hintergrund scheint ein Durchbruch im Ukraine-Konflikt auch nach dem Berliner Gipfeltreffen eher unwahrscheinlich.