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Weniger Klimaschutz mit neuem EEG?

Gero Rueter24. Februar 2016

Das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien hat die Deutsche Energiewende ermöglicht, weltweit wird es kopiert. Nun soll es eine Reform geben. Experten warnen, dass damit Deutschland seine Klimaziele verfehlt.

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Deutschland Windpark bei Renzow
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Die Energiewende im Stromsektor läuft seit dem Jahr 2000 in Deutschland äußerst dynamisch, der Anteil der erneuerbaren Energien stieg von damals sieben auf 33 Prozent (2015). Ermöglicht wurde der Boom von Strom aus Wind, Sonne und Biomasse vor allem durch das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien (EEG). Es garantiert allen Anlagenbetreibern die Abnahme des regenerativen Stroms über einen Zeitraum von 20 Jahren zu einem festgelegten Preis.

Bürger, Landwirte und viele neue Unternehmer bekamen so eine Sicherheit für ihre Investitionen und trieben die Energiewende in Deutschland voran. Das EEG gilt vor allem bei Umweltexperten als Erfolgsmodell und wurde in über 65 Ländern nachgeahmt.

Regierung vereinbarte Obergrenze für erneuerbare Energien

In Deutschland wird seit Jahren um das EEG heftig gestritten, es ist das Herzstück der Energiewende. Einige wollen weniger Tempo bei der Wende im Stromsektor und kritisieren die Kosten des Umbaus. Vor allem Umweltschützer wollen dagegen einen sehr schnellen Wind- und Solarausbau und so den Strom aus klimäschädlicher Kohle und riskanter Atomkraft ersetzen.

CDU und SPD vereinbarten 2013 im Koalitionsvertrag ein Abbremsen der bis dahin sehr dynamischen Energiewende und einigten sich auf Obergrenzen für den Zubau von erneuerbaren Energien im Stromsektor. Die Einigung sieht vor, dass bis 2025 der Anteil von erneuerbaren Energien am Strommix auf maximal 45 Prozent steigen soll. Um diese Obergrenze nicht zu überschreiten, müsste das Tempo des Energieumbaus jetzt noch stärker gedrosselt werden, der jährliche Zubau von Wind- und Solarkraft würde etwa halbiert.

Neues Energiegesetz mit Bremse und Wettbewerb

Um die Dynamik der Energiewende im Stromsektor zu begrenzen, veröffentlichte das Wirtschafts- und Energieministerium nun den Entwurf für ein neues EEG mit neuem Fördersystem: Bisher kann jeder Bürger und Unternehmer an genehmigten Orten Wind- und Solaranlagen aufstellen und erhält für den erzeugten Strom eine feste Vergütung.

Zukünftig soll es einen Wettbewerb mit Ausschreibungen für Großanlagen geben. Nur noch Bewerber mit den günstigsten Angeboten bekommen dann einen Zuschlag für die Stromerzeugung mit Wind und Sonne. "Die Politik gibt die Menge vor und der Markt bestimmt den Preis", erklärt Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) das System. Er bezeichnet das geplante Modell als kostengünstigstes System.

Breite Kritik

An der geplanten EEG-Reform gibt es viel Kritik von Energieexperten. Die Energiewende würde so weiter massiv abgewürgt werden. "Abgewürgt sind bereits Solarenergie und Biomasse, nun folgt mit diesem Konzept auch das Abwürgen der Windenergie an Land", sagt zum Beispiel Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das sei nicht im Sinne der Energiewende und nicht zielführend - weder für die Industrie und Arbeitsplätze noch für das Klima. "Zudem ist die Umstellung auf Ausschreibung nicht notwendigerweise kosteneffizient", so Kemfert gegenüber der DW.

Ähnlich sehen dies auch Umweltschützer: "Gabriels EEG-Reform bedeutet weniger Klimaschutz", kritisiert Tobias Riedel von Greenpeace. Auf der UN-Klimakonferenz in Paris habe sich Deutschland für mehr Klimaschutz verpflichtet, "die geplante Reform ist ein fatales Signal".

Der Bundesverband der Erneuerbaren Energien (BEE) hat in einer aktuellen Kurzstudie ausrechnen lassen, wie hoch der Anteil der erneuerbaren Energien sein müsste, damit Deutschland seine Klimaverpflichtungen einhalten kann. Demnach müsse bis 2025 der Anteil von erneuerbaren Energien am Strommix auf 60 Prozent ansteigen und dürfe nicht auf 45 Prozent begrenzt werden.

Alarmiert über die EEG-Pläne zeigen sich aber auch viele Bundesländer. Regierungschefs und Minister sorgen sich um ihre Industrien und fordern in einem gemeinsamen Appell an die Bundesregierung die Abschaffung der Obergrenze für den Ausbau der erneuerbare Energien. "Die Windkraft ist für die norddeutschen Länder von großer Bedeutung", betont Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). "Wir sind führend bei den erneuerbaren Energien, tausende neue Arbeitsplätze sind hier in den letzten Jahren entstanden."

Gebremster Ausbau oder doch Klimaschutz?

Die geplante EEG-Reform wird auch von Gewerkschaften, Kirchenverbänden, Energieverbrauchern und Energieversorgern krisisiert, die größten deutschen Energieversorger E.ON und RWE äußerten sich auf Nachfragen nicht.

Für Joachim Pfeiffer, den Energiepolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, steht die Anhebung der Ausbauziele derzeit "nicht zur Debatte". Um die gesteckten Klimaziel in Deutschland zu erreichen und bis 2020 noch zwölf Prozent CO2 einzusparen, sieht er den "Königsweg in der Steigerung der Energieeffizienz", auch im Verkehrsbereich gäbe es enormes Potential.

Sein Fraktionskollege, Klimaschutzexperte Andreas Jung, will sich zu dem Thema derzeit nicht äußern, das Stimmungsbild in der Fraktion, so ist zu erfahren, sei diesbezüglich noch "unausgegoren".

Die Diskussion in der Bundesregierung über die Begrenzung der erneuerbaren Energien bezeichnet Energieexpertin Kemfert als "Gespensterdebatte". Doch mit diesem Konzept werde man die Kosten nicht mindern, sondern "Planwirtschaft betreiben - mit dem Ziel des Abwürgens der Energiewende."

Nicht glücklich über das geplante EEG zeigt sich auch Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium und Verhandlungsführer von Deutschland bei den Klimaverhandlungen in Paris. "Wenn wir unsere Klimaziele ernst nehmen, dann bedeutet das den Kohleausstieg und einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien - deutlich über dem, was derzeit geplant ist."

Deutschland Umwelt Bundesumweltamt Jochen Flasbarth
Staatssekretär Jochen Flasbarth verhandelte für Deutschland auf der Klimakonferenz in ParisBild: picture-alliance/dpa

Für Flasbarth ist der festgelegte Ausbaudeckel "das Ergebnis einer hysterischen Diskussion über Strompreise am Ende der letzten Legislaturperiode". Er glaubt nicht, dass diese Koalitionsvereinbarung jetzt aufgehoben wird. Er sieht die Debatte aber kommen, "spätestens bei den nächsten Wahlen“. Und dann "haben wir alle Argumente", den Deckel zum Ausbau der erneuerbaren Energien wieder aufzuheben.