Weniger und später - die Jugend und der Alkohol
18. Mai 2017Jeder zehnte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren griff im vergangenen Jahr mindestens einmal pro Woche zur Flasche - ist das jetzt viel oder wenig? Wenig, sagen Jugendforscher, zumindest relativ. Denn 2004 konsumierten 21 Prozent, also mehr als doppelt so viele, Bier und Wein, Schnaps und fruchtig-süße, dafür aber hinterhältige Hochprozenter-Cocktails. Und noch mehr Flüssig-Drogen gönnten sich die Teenies der 70er Jahre - jeder Vierte griff pro Woche zum Alkohol.
Weniger und dann auch erst später
Kaum haben wir Szene-Vokabeln wie Binge-Drinking verinnerlicht, da erleben wir eine Trendumkehr. Der aktuelle Jahresbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU) belegt das. Zwar ist es noch zu früh, eine "Generation nüchtern" auszurufen, doch auch andere Indikatoren deuten in Richtung "kontrollierter Kontrollverlust statt Koma-Saufen".
Die erste Erfahrung mit berauschenden Getränken machen Jugendliche heute später als noch in den Jahren zuvor. Fast 15 sind die jungen Einsteiger, wenn sie zum ersten Mal Prost sagen, berichtet die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Heidrun Theiss.
Auch bei der Häufigkeit des Rauschantrinkens registrieren Jugendforscher eine neue Vernunft im Umgang mit prozenthaltigen Getränken. Jeder siebte gab an, sich im zurückliegenden Monat einen Schwips angetrunken zu haben. 2004 waren es noch fast 23 Prozent der Befragten.
Aufklärung hilft - und auch der Zeitgeist
Warum das so ist, nachdem in den vergangenen Jahren regelmäßig über Alkohol-Exzesse halbstarker Jugendlicher berichtet wurde, lässt sich vor allem durch zwei Entwicklungen erklären. Zum einen scheinen Präventivmaßnahmen zu greifen. Die Kampagne "Alkohol? Kenn dein Limit" wirkt, glaubt der Erziehungswissenschaftler John Litau. Trinken, um "einen weg zu haben", sei immer noch das Ziel, wenn 12 bis 17-jährige zur Flasche greifen, aber nicht mehr völlig losgelöst. "Kontrollierter Kontrollverlust" ist das Leitmotiv, auch um gesellschaftliche Akzeptanz nicht zu riskieren.
Die Jugend will wieder konform sein
Was wiederum viel mit dem Leistungsgedanken der Arbeitswelt zu tun hat. Jugendforscher Philipp Ikrath sieht dieses Phänomen als Teil eines Mentalitätswandels. Der "Slacker-Typ" (Faulenzer), der sich hängen lässt, ist völlig aus der Mode gekommen. Disziplin und Durchsetzungsfähigkeit seien derzeit die Tugenden, die zählen. "Man kann von einer Anti-Exzess-Generation sprechen", ist sich Ikrath sicher.
Und auch die halbe Generation darüber (18 bis 25 Jahre) ist braver geworden. Nur noch knapp ein Drittel trinkt regelmäßig, 2004 war es fast die Hälfte. Zwangsläufig sinkt bei dieser neuen Abstinenz auch der Pro-Kopf-Konsum reinen Alkohols pro Jahr. Auf 9,6 Liter kommt jeder Bundesbürger im Schnitt, wie die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) ermittelt hat; 2000 waren es noch 10,5 Liter.