Wenn Asien zusammenwächst
17. April 2013Alles, was den Handel zwischen Ländern fördert, ist gut. Das ist die Botschaft, die die Welthandelsorganisation (WTO), aber auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank unermüdlich wiederholen.
Mit der Entwicklung des Handels in Asien könnte Naoyuki Shinohara, einer der Stellvertreter von IWF-Chefin Christine Lagarde, eigentlich sehr zufrieden sein. "Seit dem Jahr 2000 hat sich der Handel innerhalb Asiens verdreifacht. Dagegen hat sich der weltweite Handel im selben Zeitraum nur verdoppelt."
Zufrieden ist der japanische IWF-Ökonom trotzdem nicht. Denn der asiatische Handel basiert vor allem auf dem Austausch von Zwischenprodukten. So steuern etwa verschiedene Länder Einzelteile für Computer bei, die dann in China zusammengebaut werden. Dagegen ist das lohnendere Geschäft mit Endprodukten und Dienstleistungen noch schwach ausgeprägt.
Das ist noch Ausdruck der globalen Lieferkette, der viele Länder Asiens ihren wirtschaftlichen Aufschwung verdanken. Sie produzieren billig für die Märkte in den USA und Europa.
Grundlegende Veränderungen
"Doch die globale Lieferkette ändert sich gerade grundlegend", sagt Andrew Sheng, Präsident des Fung Global Institute, einer Denkfabrik mit Sitz in Hongkong. "Bisher war die Produktion in Asien völlig abhängig von der Nachfrage im Westen. Jetzt aber entwerfen asiatischen Firmen Produkte für Asiaten, und auch westliche Firmen fangen an, für den asiatischen Markt zu entwerfen."
Treiber dieser Entwicklung ist die wachsende, konsumfreudige Mittelschicht in asiatischen Ländern, sagt Sheng. Der Vorteil für die Volkswirtschaften: sie können auf der Wertschöpfungskette nach oben klettern und höherwertige Produkte herstellen.
Viele Länder Asiens haben ihren Handel mit anderen Regionen der Welt ausgeweitet und sich so unabhängiger gemacht von der Nachfrage aus dem Westen, so Zeti Akhtar Aziz, Chefin der Zentralbank von Malaysia, gegenüber der DW: "Asien handelt jetzt mit Afrika, Lateinamerika und dem arabischen Raum. Nur deshalb ist unsere Handelsbilanz noch positiv. In Europa herrscht eine Rezession, in den USA ist das Wachstum schwach. Das waren unsere wichtigsten Handelspartner. Jetzt wird der Handel mit anderen Schwellenländern wichtiger."
Angst vor der Spaghettischüssel
Der Abbau von Handelsschranken gewinnt daher an Bedeutung. Weil die Verhandlungen im Rahmen der WTO vorerst gescheitert sind, gibt es nun eine Vielzahl von bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen. Das ist besser als nichts, birgt aber auch Gefahren.
"Meine größte Sorge ist eine Spaghettischüssel voller Regionalabkommen", sagt Mari Pangestu, die als Ministerin in Indonesien früher für Handel zuständig war und jetzt für Tourismus und die Kreativwirtschaft. Gibt es viele unterschiedliche Regeln und Abkommen, wird es vor allem für kleine Firmen unmöglich, den Durchblick zu wahren. "Das würde sie vom Handel ausschließen, und das müssen wir unbedingt vermeiden. Alle Abkommen sollen deshalb zu den WTO-Regeln passen", so Pangestu.
Die Ministerin wurde von ihrer Regierung bereits als Kandidatin für den Chefposten der Welthandelsorganisation nominiert. Eine Entscheidung über die Nachfolge Pascal Lamys wird im Mai erwartet. Indonesien gehört wie Malaysia, Thailand und sieben weitere Länder zur ASEAN-Gruppe, die bereits einen weitreichenden Abbau von Handelsschranken erreicht hat. Zudem hat die Gruppe Freihandelsabkommen mit China, Indien, Japan, Korea, Australien und Neuseeland vereinbart.
Wachstumsbranche Dienstleistung
Vor allem Dienstleistungen würden in Zukunft für Wachstum und neue Arbeitsplätze sorgen, sagt Andrew Sheng vom Fung Global Institute in Hongkong. In China sind Dienstleistungen nur für knapp über 40 Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich, die Regierung will den Anteil in den nächsten fünf Jahren auf fast 50 Prozent erhöhen. "Aber selbst ein Anteil von 50 Prozent ist wenig. In den Industrieländern der OECD liegt der Anteil im Schnitt bei mehr als 75 Prozent."
Sheng sieht hier ein gewaltiges Potential für neue Arbeitsplätze. "Es wird hier Veränderungen geben, die wir uns noch gar nicht vorstellen können." Von ihrer Rolle als verlängerte Werkbank des Westens sollten sich die Länder Asiens jedenfalls langsam verabschieden, glaubt Sheng. Denn gegen die zunehmende Automatisierung durch Roboter oder demnächst durch 3D-Druck seien auch Asiens Arbeiter ohne Chance.