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Wenn das Kamel durchs Nadelöhr kommt

Max Hofmann24. Februar 2003

Bundespräsident Rau kann auf der Indien-Reise mit seinem alten Bekannten Dr. Heinz–Horst Deichmann plaudern. 2001 erst überreichte er dem Multi-Millionär den deutschen Gründerpreis für sein Lebenswerk.

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Der große Weiße mit den vielen SchuhenBild: Volker Wiciok / Lichtblick

1913. Vater Heinrich Deichmann gründet eine kleine Schusterei und legt damit einen der beiden Grundsteine für das Lebenswerk des Sohnes. Der zweite sind die christlichen Ideale, die er praktiziert. Zusammen mit dem Vater klettert der junge Heinz-Horst 25 Jahre später in der Reichspogromnacht auf die Dachböden seiner Heimatstadt Essen und versorgt jüdische Nachbarn mit Nahrung.

Das erste Deichmann-Geschäft
Klein, aber fein: die erste Deichmann-Filiale in Essen.

Schustern und Schenken. Zu diesem Grundsatz kehrt Deichmann immer wieder zurück. Selbst als er nach dem zweiten Weltkrieg noch seine Karierre als Arzt vorantreibt, kann er sich nicht ganz von den geliebten Tretern verabschieden. Er spezialisiert sich auf Orthopädie. Den Schuhladen des inzwischen verstorbenen Vaters führt er zusammen mit Mutter und Geschwistern nebenher weiter.

Der Geschäftsmann

In den fünfziger Jahren hängt Dr. Heinz-Horst Deichmann seinen Arztkittel an den Haken und verschreibt sich voll und ganz seiner besohlten Leidenschaft. In schon fast klischeehaft protestantischer Art und Weise arbeitet er hart und reinvestiert das Gewonnene in das Familienunternehmen. Die Schuhfirma schreitet mit sieben-Meilen-Stiefeln voran. Die Filialen öffnen praktisch im Wochentakt.

Der bibelfeste Deichmann spendet schon seit einiger Zeit für indische Notleidende, als ihn Mitte der siebziger Jahre ein Freund auf den Subkontinent mitnimmt. Dort steht er "plötzlich vor 500 verstümmelten Leprakranken", wie er später selbst formuliert. "Ein Schlüsselerlebnis: auf diese Menschen zuzugehen, sie zu umarmen und ihnen die Liebe Jesu Christi näher zu bringen."

Der Philantrop

Danach bleibt der Schuster nicht nur bei seinen Leisten. Die Energie, die seine Firma vorantreibt, kommt nun auch in Indien zum Einsatz. Mit dem Hilfswerk "Wort&Tat" baut Deichmann Schulen und Kliniken. Er gründet ein Ausbildungszentrum in Chilakaluripet, übrigens mit einer Finanzspritze des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau. Insgesamt hilft er gut 80 000 Menschen im indischen Bundesstaat Andra Pradesh. "Unternehmerisches Engagement mit sozialer Verantwortung" nennt Deichmann das.

Deichmann in Indien
Deichmann bei seinen Schützlingen in Andrah PradeshBild: D.Kohl

Wie hoch genau das finanzielle Engagement ist, will er nicht sagen. Wenn man aber in Betracht zieht, dass die Firma im Jahr 2002 knapp zwei Milliarden Euro Umsatz macht und Heinz-Horst Deichmann als einer der 100 reichsten Männer Deutschlands gehandelt wird, sind Schätzungen von mehreren Millionen Euro gewiss nicht übertrieben.

Der Saubermann

In Deichmanns Biografie findet sich kein unschöner Fleck. Er ist seit mehr als einem halben Jahrhundert mit der gleichen Frau verheiratet. Und nach eigenen Angaben immer noch verliebt. Seine Angestellten bewundern ihn. Schließlich befördert er sie regelmäßig zum sogenannten Gesundheitsurlaub in die Schweiz und stockt alle staatlichen Sozialleistungen gehörig auf. Er ist Träger des großen Bundesverdienstkreuzes und Honorarkonsul von Indien.

Deichmann in Indien
Echte Deichmann-FansBild: D. Kohl

Selbst als man im Jahr 2001 Deichmann vorwirft, er lasse in Asien unter gesundheitsschädlichen Bedingungen produzieren, bleibt kein Fleck auf seinen lupenweißen Schuhen. Er macht aus der Not eine Tugend und entwickelt mit dem "Code of Conduct" Sicherheitsstandards für seine Lieferanten. In der Bibel steht zwar, dass eher ein Kamel durchs Nadelöhr kommt, als ein Reicher ins Paradies. Aber im Falle des mittlerweile 76jährigen Heinz-Horst Deichmann ist das Nadelöhr so groß wie ein Schuhkarton und das Kamel hat ungefähr Größe 41.