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Wenn der Postmann nicht mehr klingelt

19. Oktober 2016

Rund drei Milliarden Pakete wurden 2015 in Deutschland verschickt. Es stockt allerdings auf der letzten Meile zum Kunden: Online-Händler, Zusteller und Startups suchen nach Alternativen.

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Frachtzentrum der Deutschen Post in Nürnberg
Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Online-Besteller müssen oft die Runde machen: Zu den Nachbarn, den Paketshops oder Packstationen, um ihre Sendungen abzuholen. Für Zusteller läppern sich die Kosten, wenn sie Touren mehrmals fahren müssen. "Der gestiegene Absatz im Online-Handel macht das Problem deutlicher", sagt Prof. Michael Sommer, Spezialist für Logistik und E-Business an der Hochschule Koblenz. Also wurde und wird nach Alternativen gesucht.

Die Packstation des Marktführers DHL - eine jederzeit zugängliche Abholstation - war der Vorreiter.  Dann kam der Paketkasten für das Eigenheim, der im Vorgarten im Boden verankert wird. Sowohl der Kunde als auch der Paketbote besitzen den passenden Chip zum Schloss. So können problemlos mehrere Pakete pro Tag geliefert werden und - mit einem Abholungsauftrag - sind auch Retouren möglich. Der Nachteil: Pakete von der Konkurrenz müssen draußen bleiben.

Königswinter Deutsche Post - Paketkasten
Fest verankert im eigenen Vorgarten: der Paketkasten von DHLBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Monopol im Vorgarten oder offener Zugang?

Die Konkurrenz aber hat reagiert. Hermes, GLS und DPD haben gemeinsam die Firma ParcelLock gegründet. Sie hat ein Codierungssystem entwickelt, mit dem seit September einige Paketkästen und -anlagen für Mehrfamilienhäuser ausgerüstet sind. Das System ist offen: Selbst Wettbewerber DHL kann darin Pakete ablegen.

"Darüber hinaus können auch Einzelhändler oder Stadtkuriere den Kasten nutzen", heißt es bei ParcelLock. Zugangsberechtigungen und Retouren-Aufträge erteilt der Kunde per App: Dafür verwendet das System TANs wie im Online-Banking. Er kann auch Codes individuell vereinbaren: zum Beispiel mit dem Weinhändler, der persönlich liefert, oder mit dem Kollegen, der etwas vorbei bringt.

Es gibt auch Kästen, die klassisch mit Schloss und Riegel funktionieren. Faltbare Boxen mit PIN und Taschen mit einem Vorhängeschloss sind eine Option für Mieter, die nicht so ohne Weiteres in die Bausubstanz eingreifen dürfen. Man befestigt sie mit einem Sicherheitsgurt an der Tür. Bevor man sich einen Behälter anschafft, empfiehlt Michael Weber, Betreiber der Webseite paketkaesten.com, realistisch einzuschätzen, was und wie oft man online ordert, wie groß, teuer oder verderblich die Einkäufe sind und wer sie üblicherweise vorbei bringt.

DHL-Paketzusteller in Nürnberg
DHL liefert mehr als die Hälfte aller Pakete in Deutschland aus.Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Amazon prescht vor

"Der Druck, die Zugangssysteme zu vereinheitlichen, muss vom Markt kommen", sagt Prof. Sommer. "Es wird ähnlich laufen wie bei anderen Normen, dass man sich aufeinander zubewegt. Möglicherweise würden aber auch einige Marktführer - wie bei Smartphones - die eigenen Lösungen weiter betreiben, um sich von der Konkurrenz abzusetzen". In einigen Regionen sei die Deutsche Post DHL auf dem Lande historisch bedingt sehr stark vertreten. Dort hätten die Kunden vielleicht weniger Interesse an einem offenen System.

Großstädter haben sowieso viel mehr Alternativen. Amazon zum Beispiel probiert in Kooperation mit Audi und DHL die Zustellung in den Kofferraum aus. Der Wagen muss auf einem frei zugänglichen Parkplatz stehen und technisch entsprechend aufgerüstet sein. Der Postbote ortet ihn mit einer App und öffnet den Kofferraum mit einem Code. Dieser verfällt, sobald die Heckklappe geschlossen ist.

Amazon macht aber auch der Post mit ihren rund 3000 Paketstationen direkt Konkurrenz, indem es neuerdings eigene Paketkästen ("Locker") an Shell-Tankstellen aufstellt. Dass der Online-Handelsriese immer wieder mit neuen Liefermethoden vorprescht, erklärt Prof. Sommer damit, dass Amazon für viele Kleinhändler die Logistik einschließlich Rücksendungen abwickelt. "Die ganze Schiene hin und zurück in einer Hand zu haben, würde Kosten einsparen".

Amazon Logistik Zentrum in Pforzheim
Amazon liefert nicht nur Pakete - der Konzern experimentiert auch mit Lösungen für die Auslieferung. Bild: picture-alliance/dpa

Mehr Dinge des täglichen Bedarfs

Ein eigenes Logistiksystem hat auch das Start-up Lockbox entwickelt: Der Kunde lässt seine Bestellungen an das Startup liefern. Die Jungunternehmer verpacken die Ware in die passende Box, bringen sie an die Adresse und ketten sie mit einem Stahlseil an einen vorher angebrachten Türanker. Später holt Lockbox die leere Kiste ab. "Eine temporäre Paketstation" nennt sich dieser Service, der gegenwärtig in einigen Großstädten hauptsächlich für Lebensmittel und Getränke genutzt wird.

Wie die neuen Zustellmöglichkeiten den Einkauf beeinflussen werden, ist noch nicht absehbar. Auf dem ersten Blick spricht vieles dafür, dass mehr online eingekauft wird, meint der Logistik-Experte. Bisher werden vor allem Mode und Elektronik geordert. Nun könnten auch Dinge des täglichen Bedarfs öfters bestellt werden. Wenn jedoch die Retouren bequem zuhause oder aus dem Auto abgeholt werden können, wird möglicherweise auch die Zahl der Rücksendungen vor allem auf dem Lande weiter ansteigen. "Das streben die Unternehmen natürlich nicht an".

Auslieferung Lockbox Paket
Auslieferung eines Lockbox PaketsBild: Lockbox GmbH

Und wie sicher sind die neuen Methoden? Bisher sei nichts aus ihren Behältern verschwunden, behaupten die Anbieter. Doch wer haftet, falls die Ware nicht in der Hausbox oder im Kofferraum liegt? "Grundsätzlich der Kunde, sobald das Paket im Kasten landet und nichts Abweichendes vereinbart wurde", gibt ParcelLock Auskunft.

Da es noch keine rechtlichen Vorschriften gebe, versuchten die Unternehmen diese Fragen in ihren Geschäftsbedingungen zu regeln, so Prof. Sommer: "Wahrscheinlich wird das am Ende über Präzedenzfälle geklärt". Webseiten-Betreiber Weber erinnert daran, dass Paket- wie Briefkästen grundsätzlich durch die Hausratversicherung gedeckt seien. Ob sich eine Zusatzversicherung lohne, hänge davon ab, wie oft man Wertvolles bestelle.