Wenn es Nacht wird in Lima ...
12. Dezember 2014Der "Geist von Lima", der "große Aufbruch", eine "ganz neu Ära im Klimaschutz". An Superlativen hatte es nicht gemangelt vor dieser Konferenz. Aus gutem Grund: Nach langen Jahren der Agonie hatten China und die USA versprochen, sich jetzt aktiv am Klimaschutz zu beteiligen. Aber je länger die Konferenz dauerte, desto öfter traten die alten Konfliktlinien wieder auf: Hier die reichen Länder, die zögern, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern, dort die Entwicklungsländer, die vor allem an Geld interessiert sind.
Dabei gab es durchaus Grund, von einem neuen Geist zu sprechen. Wann gab es das schon mal, einen amerikanischen Außenminister, der energisch zum Klimaschutz aufruft, auf einer UN-Konferenz? Auftritt John Kerry, mit dem üblichen großen Showeffekt. Eine Meute von Sicherheitsleuten und Journalisten folgt ihm bis in den Pressesaal. Dort sagt Kerry dann: "Jedes Land hat die Verantwortung, seinen Teil zu tun." Und an die Adresse der Entwicklungsländer, von denen er effektiveren Klimaschutz verlangt: "Sie müssen ja nicht unsere Fehler aus der Vergangenheit wiederholen." Wohl wahr.
Hendricks: "Wir schaffen das"
Am Freitag sitzt dann Barbara Hendricks, die deutsche Umweltministerin, im Delegationsbüro und verbreitet Optimismus. "Paris ist noch weit, aber wir schaffen das", sagt sie. Paris, damit ist die nächste Klimakonferenz gemeint, im Dezember 2015. Dort soll ein neuer Weltklimavertrag unterzeichnet werden, von allen Staaten. In Perus Hauptstadt soll dieser Vertrag so gut wie möglich vorbereitet werden, was nicht so recht gelingen mag. Neue Versprechen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern, sollen in Paris vereinbart werden, und zwar von möglichst vielen, am besten von allen Staaten.
Im alten Klimavertrag, dem Kyoto-Protokoll, das bald ausläuft, müssen das nur die 38 reichsten Industriestaaten - besser gesagt: die, die man Anfang der 90er Jahre dafür hielt. Aber die Welt hat sich gewandelt: Heute kommen über die Hälfte der jährlichen Emissionen aus Schwellen- oder Entwicklungsländern, vor allem aus China.
Feilschen und tricksen
Und so wird um das Paris-Abkommen gefeilscht und getrickst wie eh und je auf Klimatreffen. Wer verringert in welchem Umfang Treibhausgasemissionen, wer unterstützt die Länder des Südens finanziell? China möchte nicht als Industrieland gelten, Saudi-Arabien auch nicht, was besonders absurd ist. Und die Europäer fordern unter anderem von den USA, ihre neuen Klimaversprechen international überprüfen zu lassen. Haltet ihr, was ihr versprecht? Da ist dann auch bei John Kerry die gute Laune vorbei.
Das alles ist so komplex und widersprüchlich, dass wohl wieder einmal eine Nacht der Verhandlungen nach dem offiziellen Ende der Konferenz droht. Ende offen. Der einzige Trost: Es gibt ihn doch, den Geist von Lima: Niemand ist mehr da, der gegen das neue Abkommen wäre. Die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages, Bärbel Höhn von den Grünen, glaubt, dass das weniger ein Ergebnis der Konferenzen ist. Vielmehr hätten sich die Bedingungen etwa in der Energiewirtschaft geändert: "Es ist ja so, dass die erneuerbaren Energien sehr viel kostengünstiger geworden sind, sie sind wirklich eine Alternative zu Kohle und Atom. Und die großen Länder haben Probleme mit den Kohlekraftwerken. China hat einfach Gesundheitsprobleme damit. Und das Ganze führt dann dazu, dass man vielleicht mehr Klimaschutz im eigenen Land betreibt und so insgesamt eine Veränderung beim Klimaschutz auch global entstehen kann."
Aber bevor das so weit ist, steht in Lima erst einmal eine Nachtsitzung an. Ohne Barbara Hendricks. Die SPD-Politikerin fliegt wie geplant am Freitagabend zurück nach Deutschland und überlässt die weiteren Gespräche ihren Fachbeamten.
Am Samstagmorgen teilte das UN-Klimasekretariat auch offiziell mit, was man wegen der anhaltenden Diskussionen ohnehin erwartet hatte: Die Konferenz soll nun erst am Samstag mit einer abschließenden Plenumssitzung um 10 Uhr Ortszeit (16 Uhr MEZ) zu Ende gehen.