Wer bekommt den Literaturnobelpreis?
6. Oktober 2015Die Schwedische Akademie macht es alljährlich spannend, ehe an einem Donnerstag in der ersten Oktoberhälfte der Literaturnobelpreisträger verkündet wird. Nicht nur die Kandidaten sind streng geheim, selbst der Termin wird traditionell erst in derselben Woche bekannt gegeben. In diesem Jahr steht nun seit Montag fest: Am 8. Oktober gegen 13 Uhr soll die neue Jurysprecherin Sara Danius den Preisträger der berühmten Auszeichnung bekanntgeben.
Zum ersten Mal hat die Akademie mit der Literaturkritikerin eine Frau an ihrer Spitze. Die 53-jährige Stockholmerin ist seit Juni Chefin der Schwedischen Akademie und Ständige Sekretärin des Nobelpreis-Komitees. Und schon wird in den internationalen Medien und im Internet gefragt: Heißt das auch, dass die Jury bei ihrer Wahl vielleicht in diesem Jahr mehr zu einer Frau als Preisträgerin tendiert?
Immerhin ist wenige Tage vor der Verkündung eine Frau der heißeste Kandidat. Swetlana Alexijewitsch soll gute Chancen habe, die Trägerin des 112. Literaturnobelpreises zu werden. Viele Experten tippen auf die 67-jährige Weißrussin, die schon seit Jahren für die Auszeichnung im Gespräch ist.
Oder sollte mal wieder ein Afrikaner an der Reihe sein? Mit dem Südafrikaner John M. Coetzee (2003) kam zuletzt vor über einem Jahrzehnt ein Preisträger von dem Kontinent. Der in den USA lebende Kenianer Ngugi Wa Thiong'o (77) gilt als chancenreichster afrikanischer Kandidat.
Auch der Japaner Haruki Murakami (66), der Amerikaner Philip Roth (82) und seine Landsmännin Joyce Carol Oates (77) stehen zum wiederholten Male auf der spekulativen Kandidatenliste. Als Geheimtipp finden sich in diesem Jahr der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkai, Gewinner des Internationalen Man Booker-Preises, und der koreanische Lyriker Ko Un ebenso darauf.
Wer 2015 tatsächlich noch auf der Shortlist der aus 18 Schriftstellern und Wissenschaftlern zusammengesetzten Jury der Schwedischen Akademie steht, wird die Öffentlichkeit auch im Nachhinein nicht erfahren. Auch nicht die von 600 bis 700 ausgewählten Personen und Organisationen ursprünglich vorgeschlagenen Kandidaten. Wenn das Nobelpreiskomitee der Akademie seine Liste zur letzten Entscheidung vorlegt, umfasst sie noch etwa 200 Namen.
Am Ende gibt es allen Favoriten zum Trotz vielleicht wieder eine Überraschung. Wie im letzten Jahr, als mit Patrick Modiano ein außerhalb der frankofonen Welt kaum bekannter französischer Schriftsteller ausgezeichnet wurde. Das einzig verbindliche Kriterium sei, laut Sprecherin Danius, Qualität. "Es soll ein Gesamtwerk sein, nicht nur ein Buch", erklärte sie gegenüber der Deutschen Presseagentur. "Ein Lebenswerk, eine große Schöpfung. Die Themen können bekannt sein, aber es muss etwas Neues und Unerwartetes darin enthalten sein, und eine eigene Stimme." Der Wille des Stifters Alfred Nobel war es, dass der Preis jemandem zugeteilt werde, der "der Menschheit den größten Nutzen geleistet" habe. Dieser Auftrag macht die Suche nach einer würdigen Preisträgerin oder einem Preisträger Jahr für Jahr ungeheuer spannend.