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Wer in Vilnius was unterzeichnen wird

Roman Goncharenko / Markian Ostaptschuk27. November 2013

Der Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Vilnius sollte historisch werden. Doch die Beziehungen der EU zu sechs ehemaligen Sowjetrepubliken gestalten sich schwieriger als erwartet.

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Eine Fahne mit dem Logo der litauischen EU- Ratspräsidenschaft (Foto: PETRAS MALUKAS/AFP/Getty Images)
Bild: Petras Malukas/AFP/Getty Images

Die Entwicklung besonders enger Beziehungen zu den ehemaligen Sowjetrepubliken ohne die Aussicht auf eine vollwertige Mitgliedschaft in der Europäischen Union - das ist das Angebot der so genannten Östlichen Partnerschaft. Der nächste Gipfel der EU-Ostpartnerschaft findet am 28. und 29. November in Vilnius stattfindet, da Litauen derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat.

Sechs ehemalige Sowjetrepubliken nehmen an dem Programm teil: drei in Osteuropa (Belarus, Moldau und die Ukraine) sowie drei im Südkaukasus (Armenien, Aserbaidschan und Georgien). Russland wurde auch eingeladen, hatte aber abgelehnt.

Der Favorit Ukraine gibt auf

Hauptereignis des Gipfels in Vilnius sollte die Unterzeichnung des bereits fertig ausgehandelten EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine werden. Die Ukraine galt lange als Flaggschiff unter den Teilnehmerländern der Östlichen Partnerschaft. Kiew erhielt die umfangreichste Finanzhilfe - nach offiziellen Angaben der EU von 2007 bis 2010 etwa eine halbe Milliarde Euro. Das ist zweimal mehr als die Republik Moldau und dreimal mehr als Georgien. In den vergangenen Jahren wurden die Hilfen noch aufgestockt.

Karte der Östliche Partnerschaft der EU (Grafik: DW)
Die EU und die Länder der Östlichen PartnerschaftBild: DW

Als erstes Land der Ostpartnerschaft schloss die Ukraine im Jahr 2011 die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen ab, das auch die Schaffung einer Freihandelszone vorsieht. Doch die Verurteilung der ehemaligen Premierministerin Julia Timoschenko und Anklagen gegen andere Oppositionelle sorgten für Kritik seitens der EU. Sie verschob deshalb im Jahr 2012 die Paraphierung des Abkommens.

Unterzeichnet werden sollte es nun in Vilnius. Doch Kiew gab dem Druck aus Moskau nach. Nur eine Woche vor dem Gipfel entschied sich die Ukraine, die Vorbereitungen zum Abschluss des Assoziierungsabkommens mit der EU auszusetzen. Die zuständigen Ministerien wurden von der ukrainischen Regierung angewiesen, "mit Russland und den Ländern der Zollunion sowie den GUS-Staaten einen aktiven Dialog zu führen".

Moldau ist Europas neuer Liebling

An die Stelle der Ukraine rückt nun offenbar die Republik Moldau. Sie gilt als Musterland der Östlichen Partnerschaft. Chisinau und Brüssel wollen in Vilnius ein Assoziierungsabkommen paraphieren, das im Jahr 2014 noch vor Ablauf der Amtszeit der jetzigen Europäischen Kommission unterzeichnet werden soll. Die EU lobt die Republik Moldau für Reformen, aber auch dafür, weil es dort keine Probleme mit der Demokratie wie in anderen Ländern der Ostpartnerschaft gebe.

Pro-europäsiche DEmonstration in Chisinau (Foto: REUTERS/Viktor Dimitrov (MOLDOVA - Tags: POLITICS)
Die Moldauer bekommen Lob von der EU für Reformen und Demokratie im LandeBild: Reuters

Zwei Wochen vor dem Gipfel in Vilnius gab EU-Kommissionspräsident Barroso eine sensationelle Erklärung ab: Die Kommission werde dem Rat der EU empfehlen, die Visapflicht für moldauische Bürger abzuschaffen. Damit könnte die Moldau als erstes Land der Ostpartnerschaft das Recht auf visafreie Einreise in die EU erhalten. Barrosos Erklärung ist ein Beispiel für das Prinzip "more for more": Je mehr Reformen ein Land durchführt, desto mehr kommt Brüssel ihm entgegen.

Georgien auf pro-europäischem Kurs, aber...

Der Republik Moldau ist Georgien ganz dicht auf den Fersen. Tiflis will ebenfalls in Vilnius ein Assoziierungsabkommen paraphieren, das im Jahr 2014 unterzeichnet werden soll. Vertreten wird das Land in Vilnius der neue Präsident George Margwelaschwili.

Doch ob sich Tiflis im gleichen Tempo wie Chisinau in die EU integrieren kann, hängt weitgehend davon ab, wie sich die Situation im Land selbst entwickeln wird. Brüssel hat der neuen georgischen Führung geraten, nicht in die Fußstapfen der Ukraine zu treten und die Führer der Opposition nicht strafrechtlich zu verfolgen. Sollte der ehemalige Präsident Michail Saakaschwili hinter Gittern landen, könnte dies die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen zwischen Georgien und der EU verzögern, meinen Beobachter.

Armenien: Russland erwies sich als stärker

Das vierte Land, das Interesse an der Unterzeichnung eines EU-Assoziierungsabkommens zeigte, war Armenien. Im Sommer hatten Jerewan und Brüssel die Verhandlungen abgeschlossen. Wie Georgien und die Moldau wollte Armenien das Abkommen beim Gipfel in Vilnius paraphieren und im Jahr 2014 unterzeichnen.

Treffen zwischen Sersch Sarkissjan und Wladimir Putin bei Moskau im September 2013 (Foto: imago/ITAR-TASS)
Treffen zwischen Sersch Sarkissjan und Wladimir Putin bei Moskau im September 2013Bild: imago/ITAR-TASS

Doch Anfang September traf sich der armenische Präsident Sersch Sarkissjan mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Danach machte Jerewan eine Kehrtwendung. Armenien will nun nicht mehr seine Beziehungen mit der EU vertiefen, sondern sich der von Russland angeführten Zollunion mit Belarus und Kasachstan anschließen.

Aserbaidschanisches Gas über alles?

Armeniens Nachbar Aserbaidschan will nicht Russlands Zollunion beitreten. Baku plant aber auch nicht, in Vilnius irgendetwas zu unterzeichnen. Die Beziehungen des Landes zur EU werden von Energiefragen beherrscht. Im Juni 2013 legte ein internationales Konsortium, das das Erdgasfeld "Shah Deniz" erschließt, den Streckenverlauf zum Transport aserbaidschanischen Gases nach Europa fest. Beschlossen wurde der Bau einer Transadriatischen Pipeline. In der EU hofft man, so die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu verringern.

Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass man trotz der Kritik in Europa an den jüngsten Präsidentschaftswahlen in Aserbaidschan Präsident Ilham Alijew zum Gipfel in Vilnius eingeladen hat. Ob er kommt ist unklar. Denn Baku hatte verärgert auf die Kritik aus der EU reagiert.

Belarus: Gipfel wieder ohne Lukaschenko

Den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko will man auf dem Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Vilnius auf jeden Fall nicht sehen. So war es schon auf dem vorherigen Gipfel in Warschau im Jahr 2011. Es wird erwartet, dass nur ein Vertreter des belarussischen Außenministeriums nach Vilnius kommt.

Belarus ist das einzige Teilnehmerland der Ostpartnerschaft, gegen das die EU wegen Menschenrechtsverletzungen und der Verfolgung Oppositioneller Sanktionen verhängt hat. Die Wirksamkeit dieser Sanktionen bezweifeln viele Experten. Einige europäische Politiker rufen dazu auf, den Gipfel in Vilnius dazu zu nutzen, die Beziehungen zu Belarus aus der Sackgasse herauszuführen.