Wer ist AfD-Rechtsaußen Höcke?
24. Oktober 2019Die Alternative für Deutschland (AfD) hat es in dem kleinen Bundesland Thüringen geschafft, ein politisches Erdbeben zu verursachen. In letzter Minute zieht die rechtspopulistische Partei ihren Kandidaten für den Ministerpräsidenten zurück und unterstützt den liberalen Kandidaten von der FDP - und verhilft damit mit ihren Stimmen einem bürgerlicher Politiker zur Macht. Dieser tritt zwar kurz danach wieder zurück, aber der Tabubruch einer Zusammenarbeit mit der AfD ist vollzogen. Hinter diesem Kalkül der AfD dürfte ihr Spitzenmann in Thüringen stehen, Björn Höcke - ein Politiker, der polarisiert und spaltet.
Das zeigte sich schon im Oktober auf einer Wahlkampfveranstaltung kurz vor den Thüringer Landtagswahlen. Wenn Höcke auftritt, wird es laut. Dessen kann er sich sicher sein. Die einen klatschen und feuern ihn an mit "Höcke, Höcke, Höcke", die anderen pfeifen und rufen "Nazis raus".
Dieser Riss zieht sich auch durch das Städtchen Bad Langensalza im ostdeutschen Thüringen. Und Björn Höcke scheint die aufgeheizte Stimmung zu genießen. Als er auf die Bühne tritt, reißt er beide Arme nach oben, um seine Anhänger zu begrüßen, mit einem Lächeln auf den Lippen, das ihm während seiner einstündigen Rede um keinen Zentimeter verrutscht.
Höcke ist wohl der Politiker, der Deutschland gerade am meisten entzweit. Bei den Landtagswahlen in Thüringen am 27. Oktober hat er als Spitzenkandidat für die AfD seine Partei zu über 23 Prozent Stimmenanteil geführt. Damit ist die AfD die zweitstärkste Kraft im Thüringer Landtag. Eine Umfrage vor der Wahl zeigte aber, dass nur acht Prozent der Thüringer für Björn Höcke gestimmt hätten, wenn der Ministerpräsident des Landes direkt gewählt würde.
Höcke ist einer, der selbst vielen seiner eigenen Parteifreunde zu weit rechts steht. Einer, der "eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" forderte, der Ausdrücke wie "Entartung" oder "vollständiger Sieg" in seine Reden einflicht, obwohl er als ehemaliger Geschichtslehrer weiß, welches Kapitel der deutschen Geschichte er damit heraufbeschwört.
Der Jenaer Rechtsextremismusforscher Axel Salheiser sagt, die Sprache von Höcke und anderen AfD-Vertretern strotze nur so von Vokabular, das dem des Dritten Reiches sehr, sehr ähnlich sei, "zum Verwechseln ähnlich".
Höcke spielt mit rassistischen Stereotypen
Auf der kleinen Bühne in Bad Langensalza weiß Höcke, wie er die Menschen an den Biertischen zum Klatschen bringt. Die meisten hier sind nicht zufrieden mit der Migrationspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, vor allem mit ihrer Entscheidung 2015, die Grenzen offenzuhalten und Hunderttausende ins Land zu lassen. Viele beklagen auch, die etablierten Parteien interessierten sich nicht für ihre Sorgen. Merkel als "Führerin eines Regimes" zu bezeichnen, Kritik an der "Elite" des Landes zu üben, oder an den "Kartellparteien", wie Höcke sie nennt, all das kommt hier gut an.
Zu Höckes Erfolgsrezept gehört es auch, gezielt mit rassistischen Stereotypen zu spielen. Mal ordnet er die gesamte Bevölkerung Afrikas einem "afrikanischen Ausbreitungstypen" zu, mal behauptet er, tausende Jugendliche in Deutschland würden "Schulen als Angstraum erleben, weil sie dort von Migrantenmachos gemobbt, gequält und geschlagen werden".
Nicht alle, die an diesem Herbsttag nach Bad Langensalza gekommen sind, würden Höckes Aussagen so unterschreiben, verurteilen wollen viele ihn aber auch nicht. Eine AfD-Kollegin sagt, Höckes Worte würden oft aus dem Zusammenhang gerissen. Ein älterer Mann meint zu einigen seiner Aussagen, "ja, das müsste er lassen, gerade vor der Wahl." Aber: "Ansonsten hat er Recht. Mit allem." In Deutschland gebe es schon genug arme Leute, da solle man nicht so viel Geld für "die Ausländer" ausgeben.
Kampf zwischen dem "Flügel" und dem Rest der AfD
Die AfD in Thüringen wird - wie auch in den anderen Bundesländern im Osten Deutschlands - stark vom "Flügel" dominiert, einer Bewegung innerhalb der Partei, der sich geschätzt 40 Prozent der AfD-Mitglieder zugehörig fühlen. Und deren Kopf Björn Höcke ist. Rechtsextremismusforscher Salheiser ordnet den "Flügel" als "rechtsradikal bis rechtsextrem" ein. Der deutsche Verfassungsschutz betrachtet die Bewegung als Verdachtsfall. Seit einem Gerichtsbeschluss Ende vergangenen September darf Höcke als "Faschist" bezeichnet werden.
Das Ziel Höckes und seiner Anhänger ist es, die AfD weiter nach rechts zu rücken. Dabei scheut er nicht davor zurück, zusammen mit bekannten Rechtsextremen zu marschieren wie etwa in Chemnitz im September 2018. Gemäßigteren AfD-Politikern, die die Partei auch für eine bürgerliche Mitte wählbar machen wollen, ist Höcke ein Dorn im Auge. Vor zwei Jahren wollte der Bundesvorstand der Partei ihn aus der AfD ausschließen, ein Schiedsgericht lehnte den Antrag allerdings ab. Höcke selbst hat angekündigt, seinen Einfluss und den des "Flügels" vergrößern zu wollen.
"Höcke raus"
In Bad Langensalza trifft Höcke nicht nur auf Fans, sondern auch auf Menschen, die sein Aufritt entrüstet. Einer davon ist Pfarrer Dirk Vogel, den es erbost, dass die AfD sich ausgerechnet seine Kirche als Kulisse für den Wahlkampf ausgesucht hat. Aus seiner Sicht entzweit Höcke, grenzt ab, würdigt Menschen herab, die aus anderen Kulturen kommen. Vogel schaut sich vom Rand aus Höckes Rede an. Andere drücken lautstark ihren Protest aus, schreien "Höcke raus", manche weinen. Der AfD-Politiker rät ihnen von der Bühne aus, Ritalin zu nehmen, bezeichnet sie als "rote Nazis".
Mit den Medien spricht Höcke selten. Vor der Landtagswahl hat er nach einem abgebrochenen ZDF-Interview keins mehr gegeben. Das Gespräch mit dem ZDF beendete er unter anderem mit den Worten, es könne sein, dass er mal eine interessante politische Persönlichkeit werde in Deutschland. Manche könnte das begeistern, für andere wäre es ein wahrgewordener Albtraum.