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Wer schneidet den Fußballprofis die Haare?

13. Januar 2021

Der Zentralverband des Frisörhandwerks beschwert sich beim DFB, dass trotz Corona-Lockdown Woche für Woche frisch frisierte Bundesligaprofis über den Platz laufen. Die Vereine geben sich zugeknöpft.

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Fußball Bundesliga SC Freiburg v Hertha BSC | Tor Grifo
Freiburgs Vincenco Grifo hat gut lachen: Seine Frau ist Frisörin. Bild: Jan Huebner/imago images

Eitle Fußballer sind keine Seltenheit. Allwöchentlich lässt sich bei TV-Übertragungen von Bundesligaspielen beobachten, wie sich Profis wieder die Haare richten, die nach einem langen Sprint oder einem Kopfball in Unordnung geraten sind. So ein harter Corona-Lockdown wie der aktuelle in Deutschland schafft auch in dieser Hinsicht Probleme: Die Läden sind geschlossen, auch Hausbesuche von Frisörinnen und Frisören sind unter Androhung von Geldbußen untersagt.

Warum also, fragte jetzt der Zentralverband des Deutschen Frisörhandwerks in einem offenen Brief den Deutschen Fußball-Bund (DFB), laufen dann bei Bundesligaspielen frisch frisierte Profis über den Platz? "Wir sind seit vier Wochen im Lockdown", sagt Verbandspräsident Harald Esser der DW. "Wenn ich mir vor dem 15. Dezember einen Scheitel oder die Seiten habe rasieren lassen, sind die Haare jetzt mindestens einen Zentimeter gewachsen. Dann sind die kahlen oder ganz kurzen Stellen nicht mehr sichtbar, man sieht keine Kopfhaut mehr."

Kunden machen Druck

Nach wie vor aber liefen Bundesligaprofis mit "ausgefeilten" Haarschnitten über den Platz, häufig extrem kurz rasiert. "Das mache ich mir nicht selbst", sagt Esser, der seit fast 40 Jahren einen Frisörsalon in Köln leitet. "Und ich glaube auch nicht, dass 50 Prozent der Fußballer eine Partnerin oder einen Partner haben, die das beherrschen." Laut Esser berichten Frisörinnen und Friseure, dass sie von Kunden bedrängt würden, ihnen bei Hausbesuchen die Haare zu schneiden - unter Verweis darauf, dass dies doch auch bei den Fußballern möglich sei. Bis jetzt, so der Verbandschef, habe der DFB noch nicht auf den Protestbrief reagiert.

Deutschland Bundesliga RB Leipzig - Borussia Dortmund | Tor Sancho
Die Haare sitzen - jedenfalls bei den meisten BVB-ProfisBild: Ronny Hartman/REUTERS

Auch die meisten Bundesligisten geben sich in der Sache zugeknöpft. Von den 18 Erstligisten ließen acht Klubs, darunter auch Branchenprimus FC Bayern und Borussia Dortmund, eine Anfrage der DW zu den Vorwürfen des Frisörverbands zunächst unbeantwortet. Sieben, darunter die Topklubs RB Leipzig und Bayer 04 Leverkusen, lehnten eine Stellungnahme ab. So verwies der SC Freiburg darauf, dass der Verein "keine Auskünfte zur häuslichen Körperpflege seiner Arbeitnehmer machen kann und wir ihre Persönlichkeitsrechte wahren".

Grifo ist fein raus

Der FSV Mainz 05 und Werder Bremen erklärten fast gleichlautend, dass die Spieler bereits seit Beginn der Corona-Pandemie für solche Themen "sensibilisiert" worden seien und dass es in ihren Mannschaften noch keine derartigen Fälle gegeben habe. "Friseurbesuche von Spielern sind uns nicht bekannt", schreibt auch Markus Aretz, Kommunikationsdirektor von Borussia Mönchengladbach. "Tatsächlich habe ich eben mit einem Spieler gesprochen, der mir berichtete, dass er sich gestern selber die Haare geschnitten habe." Seit Beginn der Pandemie würden die Spieler regelmäßig darüber informiert, was sie im privaten Umfeld machen dürften und was nicht. "Wir mahnen darüber hinaus zu größter Vorsicht bei allen Kontakten außerhalb ihrer Kernfamilie (also Frau und Kinder)", so Aretz. "Unser Eindruck ist, dass bislang alle Spieler insgesamt sehr diszipliniert mit den geltenden Regelungen umgehen."

Auch die Spielergewerkschaft VGV verwahrt sich gegen den Generalverdacht, dass Fußballprofis sich nicht an die Corona-Vorschriften hielten. "Wenn jemand gegenwärtig mit frisch gestylten Haaren auftritt, bedeutet das nicht, dass dies das Resultat eines Normenverstoßes sein muss", sagte VdV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky dem SID. "Es gibt auch innerhalb der Familie sowie innerhalb der Mannschaft und des Betreuerteams Personen, die ein Talent für Haarstyling haben." Für den stets gut frisierten Freiburger Spieler Vincenco Grifo gilt dies jedenfalls unbestritten: Seine Ehefrau Vanessa ist eine ausgebildete Frisörin.

"Vorbildfunktion ernst nehmen"

Die Diskussion weckt Erinnerungen an die so genannte "Frisör-Affäre" bei Borussia Dortmund im vergangenen Jahr. Im Juni 2020 hatte die Deutsche Fußball Liga (DFL) die beiden BVB-Profis Jadon Sancho und Manuel Akanji zu einer Geldstrafe - angeblich je 10.000 Euro - verurteilt, weil sie nach Ansicht der DFL gegen die Hygienevorschriften des Verbands verstoßen hatten. Auf Posts in den sozialen Netzwerken war zu sehen gewesen, wie sich die beiden zu Hause von einem Promi-Friseur die Haare schneiden ließen, ohne Mundschutz und ohne Sicherheitsabstand. Sancho hatte die Strafe seinerzeit als "Witz" bezeichnet.

Harald Esser, Chef des Zentralverbands des Friseurhandwerks, appelliert an die Spieler, sich ihrer Vorbildfunktion bewusst zu sein. "Für viele Jugendliche sind die Fußballer Idole, sie lassen sich sogar deren Frisuren nachschneiden", sagt Esser der DW. "Die Spieler müssen ja nicht in jedem Interview sagen, dass sie nicht zum Friseur gehen. Aber sie sollten es optisch darlegen und sich damit solidarisch mit allen anderen zeigen." Sprich: die Haare nicht von Profis schneiden lassen und demonstrieren, dass auch ihre Frisuren durch den Corona-Lockdown zunehmend aus der Form geraten.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter