Deutsche Soldaten bald wieder in Bosnien?
4. Mai 2022Bosnien-Herzegowina liegt zwar Hunderte von Kilometern von der Front entfernt, sieht sich aber einer zunehmend selbstbewussten bosnisch-serbischen Separatistenbewegung gegenüber, die laut Beobachtern taktisch von Russland unterstützt wird. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) forderte deswegen zum Auftakt einer Balkan-Reise in Bosniens Hauptstadt Sarajevo verstärkte Bemühungen um Sicherheit und Frieden im Südosten Europas. "Wir müssen dafür sorgen, dass diese Region stabil bleibt. Nur das ist die Gewährleistung dafür, dass eine Annäherung an NATO und EU möglich ist." Die Bundesregierung prüft derzeit nach ihren Worten, ob angesichts der verschlechterten Sicherheitslage auch wieder deutsche Soldaten nach Bosnien entsendet werden sollen.
Die Verteidigungsministerin unterstrich, Berlin setze sich für eine Verlängerung der EU-Friedensmission EUFOR in Bosnien ein. Angesichts des Kriegs in der Ukraine dürften andere Regionen nicht vernachlässigt werden. "Sicherheit ist definitiv nicht teilbar", machte der Verteidigungsminister von Bosnien-Herzegowina, Sifet Podzic, bei einer Pressekonferenz nach dem Gespräch mit Lambrecht deutlich.
Der Abspaltungskurs der bosnischen Serbenrepublik vom Gesamtstaat hat zuletzt die Spannungen verschärft. Befeuert werden diese noch durch Drohungen einer russischen Einflussnahme.
Nur wenige Tage nach Russlands Einmarsch in die Ukraine beschloss die Europäische Union, die Stärke ihrer EUFOR-Truppe von 600 auf 1100 Soldaten aufzustocken, um eine mögliche Instabilität zu verhindern.
Weltsicherheitsrat entscheidet im November über EUFOR
Das derzeitige Mandat der EUFOR läuft im November aus. Dann muss der UN-Sicherheitsrat in New York über eine Verlängerung um ein weiteres Jahr entscheiden. Doch die Sorge wächst, dass Russland als Ständiges Mitglied von seinem Vetorecht Gebrauch machen könnte.
"Wir dürfen nicht zulassen, dass der Frieden gefährdet wird, der seit 25 Jahren in Bosnien herrscht", warnte der bosnische Verteidigungsminister Podzic.
EUFOR hat 2004 die NATO-Friedenstruppen in Bosnien abgelöst, um die Sicherheit dort und die Umsetzung des 1995 zur Beendigung des Bosnien-Kriegs geschlossenen Friedensvertrags von Dayton zu überwachen. Seit November 2012 ist Deutschland nicht mehr an EUFOR beteiligt.
Mit dem Abkommen von Dayton wurden auch die Grundlagen für die Struktur des heutigen bosnischen Staates geschaffen. Der Gesamtstaat besteht aus der bosnischen Serbenrepublik (Republika Srpska/RS) und der bosnisch-kroatischen Föderation (FBiH). Über die Einhaltung des Friedensvertrags wacht ein Bosnien-Beauftragter der internationalen Gemeinschaft, derzeit ist es der Deutsche Christian Schmidt.
Serbenrepublik will eigene Institutionen schaffen
Ungeachtet des Friedensvertrags hält die bosnische Serbenrepublik an ihrer Absicht fest, aus dem Staatsverband Bosnien-Herzegowina auszuscheren und sich der "Mutterrepublik" Serbien anzuschließen.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warnte jüngst im Bundestag, 30 Jahre nach Kriegsbeginn gebe es wieder "bedrohliche Entwicklungen". Sie kritisierte, im Dezember vergangenen Jahres habe das Regionalparlament des serbischen Teilstaats beschlossen, alle seit 1995 vollzogenen Kompetenzübertragungen auf den Gesamtstaat rückgängig zu machen und innerhalb von sechs Monaten eigene Institutionen zu schaffen. Dies betreffe alle Bereiche - wie etwa die Streitkräfte, das Justizwesen oder die Steuerverwaltung.
se/mak (rtr, dpa)