Westen nach Syrien-Schlägen um Beruhigung bemüht
14. April 2018Nach ihren schweren Luftangriffen in Syrien wollen die USA den Konflikt mit Russland zunächst nicht weiter anheizen. "Auftrag erfüllt", twitterte Präsident Donald Trump. Wie seine Alliierten Großbritannien und Frankreich machte er klar, dass keine weiteren Attacken geplant seien. Allerdings dürfe Präsident Baschar al-Assad nicht erneut Chemiewaffen einsetzen. Auch Assads Verbündeter Russland zeigte kein Interesse an einer Zuspitzung. Vize-Außenminister Sergej Rjabkow erklärte, Moskau sei an einer Zusammenarbeit mit Washington interessiert.
Sicherheitsrat lehnt Verurteilung der Angriffe ab
Am Abend befasste sich der UN-Sicherheitsrat mit den Angriffen auf vermutete Produktions-, Forschungs- und Lagerstätten von Chemiewaffen der syrischen Regierung. Russland scheiterte allerdings mit dem Versuch, eine Verurteilung der Attacken zu erreichen. Bei der Dringlichkeitssitzung des wichtigsten UN-Gremiums stimmten nur drei von 15 Mitgliedstaaten für einen entsprechenden russischen Resolutionsentwurf. Dieser hatte von Anfang an keine Chance, zumal die USA, Frankreich und Großbritannien als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ein Vetorecht haben.
Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja hatte zuvor den Angriff eine aggressive Aktion der USA und ihrer Alliierten genannt. Washington mache eine bereits katastrophale humanitäre Situation in Syrien noch schlimmer, sagte Nebensja. Die von Washington betriebene Eskalation destabilisiere den gesamten Nahen Osten. Unverhohlen ignorierten die USA und ihre Verbündeten internationales Recht, sagte Nebensja. Dies sei "neokoloniales Auftreten" und erinnere an das Verhalten von "Hooligans". Nebensja sagte, es gebe keinerlei Beweise für den Einsatz chemischer Waffen vergangene Woche in der Stadt Duma, welchen der Westen der syrischen Regierung vorwirft.
Die Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, nannte die Militärschläge hingegen legitim und angemessen. "Zivile Opfer wurden sorgfältig vermieden", so Haley. "Dies war keine Rache oder Vergeltung und keine Demonstration der Stärke". Stattdessen hätten die USA und ihre Alliierten die syrische Regierung zur Verantwortung für den Einsatz chemischer Waffen gezogen. Die Bilder toter Kinder nach dem Einsatz chemischer Waffen in der Stadt Duma vor einer Woche seien keine gefälschten Nachrichten gewesen. Haley warf zugleich Russland eine Desinformationskampagne vor. Die Diplomatie habe Chance um Chance gehabt, aber Russland habe sechs Mal sein Veto gegen eine gemeinsame Resolution eingelegt. Diese Vetos seien für Syrien das grüne Licht für seine barbarischen Aktionen gewesen. Für das Scheitern in Syrien sei Russland verantwortlich.
Auch die NATO steht geschlossen hinter den Angriffen der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Syrien. Dies sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Abend nach einer Sondersitzung des Nordatlantikrats in Brüssel. Sämtliche NATO-Staaten hätten dabei ihre volle Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Der Einsatz von Chemiewaffen sei verboten, barbarisch und dürfe nicht ungestraft bleiben, so Stoltenberg. Die Attacken hätten die Fähigkeiten des syrischen Regimes zu weiteren Chemiewaffen-Angriffen deutlich reduziert. "Sie waren sehr gezielt und maßvoll."
"Rechtschaffene Macht gegen Barbarei und Brutalität"
US-Präsident Trump hatte zuvor mit gleichsam pompöser Rhetorik die Luftangriffe in Syrien gerechtfertigt. Zusammen mit Frankreich und Großbritannien hätten die USA ihre "rechtschaffene Macht gegen Barbarei und Brutalität aufgeboten", sagt der US-Präsident in einer fünfminütigen TV-Ansprache aus dem "Diplomatischen Raum" des Weißen Hauses. Er bezeichnet Assad wegen des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes als "Monster" und richtet eine scharfe Warnung an Russland und den Iran, den syrischen Machthaber nicht länger zu unterstützen.
US-Verteidigungsminister James Mattis sprach von einer begrenzten, einmaligen Aktion. Weitere Schläge seien nicht geplant. Der Einsatz richtete sich demnach gegen die Infrastruktur der chemischen Waffenproduktion in dem Land. Der Schlag sei härter gewesen als der im Vorjahr. Es seien etwa doppelt so viele Waffen eingesetzt worden wie beim Angriff 2017. Zum zweiten Mal griffen die USA unter Trump die Assad-Regierung direkt an. Das US-Militär hatte vor einem Jahr die Luftwaffenbasis Schairat beschossen - als Reaktion auf den Giftgasangriff mit zahlreichen Toten auf die Stadt Chan Scheichun, für den UN-Experten die Regierung Assads verantwortlich machten. Assad konterte, die jüngste Attacke vergrößere die Entschiedenheit Syriens im Kampf gegen "Terrorismus".
Mehr als 100 Geschosse auf drei Ziele abgefeuert
Aus Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in der syrischen Stadt Duma eine Woche zuvor hatten die USA, Frankreich und Großbritannien in der Nacht zum Samstag mehr als 100 Geschosse auf mindestens drei Ziele - mutmaßliche Chemiewaffenlager und eine Forschungseinrichtung - abgefeuert. Die Ziele befanden sich in Hama, nahe der Stadt Homs und in der Hauptstadt Damaskus. Nach russischen Angaben gab es keine Todesopfer, einige Menschen seien leicht verletzt worden. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Großbritanniens Regierungschefin Theresa May erklärten, es habe sich um gezielte Angriffe auf Gebäude gehandelt, die das syrische Regime zur Produktion von Chemiewaffen nutze.
Keine Änderung der Kräfteverhältnisse
Die Luftschläge ändern nach Ansicht von Beobachtern kaum etwas an den Kräfteverhältnissen in Syrien, wo sich Assads Truppen dank russischer und iranischer Hilfe seit Monaten auf dem Vormarsch gegen ein gemischtes Feld von verschiedenen Rebellengruppen befinden. Zudem bekräftigte Trump noch während der Angriffe, die noch in Syrien stationierten amerikanischen Soldaten weiter abziehen zu wollen: "Amerika strebt keine unbegrenzte Präsenz in Syrien an, unter keinen Umständen."
Ungeachtet der nächtlichen Luftangriffe setzten die OPCW-Experten ihren Einsatz zur Untersuchung des mutmaßlichen Giftgasangriffs im Osten der syrischen Hauptstadt Damaskus fort. Die Ermittler sollen herausfinden, ob in Duma Giftgas eingesetzt wurde. Am 7. April sollen in der Region Ost-Ghuta nach Angaben der syrischen Hilfsorganisation Weißhelme mindestens 42 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt worden sein.
sti/qu (afp, dpa, ap, rtr)