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Kosten durch Wetterschäden steigen

Fabian Schmidt27. März 2012

2011 wüteten weltweit so viele Unwetter wie selten. Für Versicherungen wie die Munich Re war es ein Rekordjahr. Ist der Klimawandel schuld? Oder waren die extremen Wetterereignisse reiner Zufall?

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Ein Tornado (spanisch tornar „umkehren, wenden, drehen“, Partizip tornado; tornear „wirbeln, drechseln“), auch Großtrombe, Wind- oder Wasserhose, in den USA umgangssprachlich auch Twister genannt, ist ein kleinräumiger Luftwirbel in der Erdatmosphäre, der eine annähernd senkrechte Drehachse aufweist und im Zusammenhang mit konvektiver Bewölkung (Cumulus und Cumulonimbus) steht, was dessen Unterschied zu Kleintromben (Staubteufeln) ausmacht. Der Wirbel erstreckt sich hierbei durchgehend vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze. Diese Definition geht auf Alfred Wegener (1917) zurück und ist in dieser Form heute noch allgemein anerkannt. Rechte: cc by Dr. Joseph Golden, NOAA Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Trombe.jpg&filetimestamp=20091229051452 NOAA auf http://www.photolib.noaa.gov/htmls/wea00308.htm
TornadoBild: cc by Dr. Joseph Golden, NOAA

Seit den 1970er Jahren führt die Münchener Rückversicherung Statistik über Extremwetterschäden durch Überschwemmungen, Dürre, Hagel, eisige Kälte oder Wirbelstürme. Der Trend, sagt Peter Höppe, geht nach oben. "2011 war das zweithöchste Jahr mit wetterbedingten Naturkatastrophen", erklärt der Leiter der Georisikoforschung bei der Munich Re. Schlimmer sei nur das Jahr 2005 gewesen,  also das Jahr, als der Hurrikan Kathrina und zwei weitere schwere Stürme in den USA gewütet haben.

Große Klimasysteme oszillieren periodisch

Dass im letzten Jahr besonders viele Unwetter tobten, liegt vor allem daran, dass zwei bekannte Klimaphänomene gleichzeitig aufgetreten sind, die sich regelmäßig wiederholen. In der nördlichen Hemisphäre verschoben sich die Druckverhältnisse zwischen Island und den Azoren. Dieses Phänomen ist bekannt als Nordatlantische Oszillation (NAO). Dabei folgte auf ein Jahr mit einem sehr kalten dominanten Hochdruckgebiet aus Sibirien eine Phase mit stark ausgeprägtem Azorenhoch und Islandtief. In dieser Phase herrschte eine sogenannte "positive NAO". Dadurch floss viel warme und feuchte Luft vom Atlantik nach Europa. Die Folge: zahlreiche Orkane und starke Stürme.

In der südlichen Hemisphäre war gleichzeitig La Niña dominant. Dieses Wetterereignis zeichnet sich durch ein starkes Tiefdruckgebiet mit viel Regen über Indonesien aus, gekoppelt mit starken Passatwinden und einem sehr kalten Ostpazifik.

Ein Man fährt auf einer überfluteten Straße in Kolumbien (Foto: ddp images/AP Photo/John Bazemore)
La Niña brachte im August schwere Regenfälle nach KolumbienBild: AP

Das besondere an einer stark positiven NAO und La Niña ist, dass sie in verschiedenen Regionen gegensätzliche Auswirkungen haben können.  "Bei La Niña ist es im globalen Mittel eher zu feucht. Das heißt aber nicht, dass es überall auf der Welt zuviel regnet", erklärt Andreas Becker, leitender Niederschlagsklimatologe beim Deutschen Wetterdienst. "Tatsächlich gibt es Regionen mit zuviel und andere mit viel zuwenig Niederschlag." 

Starkregen hier - Dürren da

Beispielsweise kämpften Pakistan und China 2011 mit einer verheerenden Trockenheit. In der Yangtze Ebene fielen nur 47 Prozent der sonst üblichen Regenmenge, in Hongkong nur 60 Prozent. In Südkorea dagegen war es im gleichen Zeitraum ungewöhnlich nass. "Der Tropensturm TALAS hat in Japan über 1600 Millimeter Regen in drei Tagen geliefert", erinnert sich Becker. "In Australien war es das drittnasseste Jahr überhaupt und in Südostasien führte ein extrem langer und starker Sommermonsun zu massiven Überschwemmungen."

Ähnliche Unterschiede gab es in Amerika: In Süd- und Mittelamerika kam es nach etlichen Starkregen zu Erdrutschen, in Texas hingegen herrschte zur gleichen Zeit extreme Trockenheit. Dafür regnete es im Nordosten der USA ungewöhnlich stark mit Überflutungen am Mississippi.

Ähnlich wirkte sich die positive Nordatlantische Oszillation in Europa aus. "Norwegen und Schottland hatten das nasseste Jahr überhaupt", so Becker. Andererseits gab es in Deutschland, Österreich, Ungarn und der Slowakei den "trockensten November seit Anbeginn der Messungen. Auch der Frühling war außergewöhnlich trocken in Westeuropa."

Becker ist sich sicher, dass beide Wetterphänomene - die positive NAO und La Niña - ursächlich für solche schweren Unwetter sind. Das konnte er durch eine 110-jährige Kategorisierung der typischen Niederschlagsregionen zeigen. "Es gibt sehr sensitive Regionen gegenüber NAO und La Niña in der Welt", sagt Becker. Das mache es "schwierig, solche Extremereignisse einfach dem Klimawandel zuzuschreiben, weil La Niña und NAO als natürliche Variabilitäten wahrgenommen werden." Allerdings solle man darüber nachdenken "ob sich La Niña und NAO nicht selber im Rahmen des Klimawandels ändern."

Klimawandel oder Wirtschaftswachstum?

Der Risikoexperte der Münchener Rückversicherung ist da weniger zurückhaltend. So habe es während der jüngsten La Niña-Phase die höchsten Meeresoberflächentemperaturen vor der Küste Australiens gegeben. "Das war ein absolutes Maximum", versichert Höppe. "Man sieht über die letzten 100 Jahre, dass es immer weiter nach oben geht, und das kann man langfristig nur durch den globalen Klimawandel erklären."

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Die Munich Re erfasst Extremwetterereignisse mit Personen- oder Sachschäden

Zudem sieht sich Höppe durch seine Statistik bestärkt, dass der Klimawandel das Wetter verrückt spielen lässt. Die Versicherungsschäden durch Extremwetterereignisse stiegen in den Statistiken der Münchener Rückversicherung nämlich schneller an als die durch andere Naturkatastrophen, wie beispielsweise Erdbeben. Und die haben mit dem Klimawandel nichts zu tun.

Die Versicherungen müssen aber auch deshalb zunehmend mehr bezahlen, weil die Menschen mehr und mehr Wertgegenstände besitzen. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung rapide und Menschen siedeln auch an gefährlichen Orten - zum Beispiel an Flüssen, wo das Überschwemmungsrisiko hoch ist. "Das führt dazu, dass heute ein kleineres Ereignis schadensrelevanter ist als früher." Deshalb erscheinen Ereignisse in der Statistik, die früher gar nicht aufgetaucht wären. "Auch das treibt die Zahlen nach oben", schränkt Höppe ein.

Oft ist es auch eine Frage des Zufalls, ob ein Wetterereignis großen oder nur kleinen Schaden anrichtet. So kann ein Wirbelsturm über einem freien Feld wüten und nur ein paar Scheunen und Telefonmasten zerstören. Über einer dicht besiedelten Stadt kann er dagegen verheerende Folgen haben.

"Ein einzelner, lokaler Tornado Ende April 2011 in Alabama hat es unter die Top-Ten der Naturkatastrophenschäden in den USA aller Zeiten gebracht", erinnert sich Höppe. "Das war schon etwas Einzigartiges. Gesamtschäden von 47 Milliarden US Dollar, versicherte Schäden: 26 Milliarden US Dollar." Solch hohe Schäden, versichert Höppe, treten normalerweise nur nach einem sehr starken und weitflächigen Hurrikan auf.