Wider den Einzelkämpfer
29. Januar 2004Marcus Rummel ist einer jener Lehrer, die mit viel Motivation von der Sporthochschule kommen. Sein Unterricht sieht anders aus als konventioneller Sportunterricht. "Es ist nicht mehr so, dass wir in einer Reihe stehen und die Übung machen, und alle machen das - auch der kleine Dicke springt über den Bock - sondern da kann sich jeder individuell einbringen. Das ist der ganz große Knackpunkt." Bei ihm kann es vorkommen, dass die Schüler Klettern, zu Hip-Hop-Musik tanzen oder Kanu-Fahren.
Diese offene Unterrichtsform ist an Schulen noch die Ausnahme, meint der Sportlehrer aus Köln: "Das Problem ist eben, dass erziehender Sportunterricht eine ganze Menge Arbeitsaufwand bedeutet und ganz starkes Umdenken. Und da die Sportlehrer immer die Alten sind, die ihre Sachen schon seit 30 Jahren so durchziehen, wird der Lehrplan eben nicht umgesetzt." Aber auch die älteren Schüler warten noch immer darauf, dass Marcus Rummel ihnen die Übungen vor macht - sie kennen es eben nur so.
Eyes 2004
Mit dem "Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport" - englisch abgekürzt: "Eyes 2004" - soll das anders werden. Initiiert hat es die EU-Kommissarin für Bildung und Kultur, Vivane Reding. In jedem EU-Land, auch den künftigen, will sie ehrenamtliche Arbeit fördern. Harald Zulauf koordiniert die Eyes-Kampagne in Deutschland:
Er erklärt: "Es geht um Teamgeist, es geht um Fair Play, es geht um Antidiskriminierung, es geht um soziale Kompetenz." Das heißt: Programme, die diese Dinge Schülern und im Bereich der Weiterbildung Erwachsenen vermitteln, werden ausgewählt und gefördert.
Das lässt sich die EU was kosten: Zwischen 20.000 und 100.000 Euro aus EU-Mitteln gehen an 185 Projekte in ganz Europa. Sie sollen das Jahr hindurch von sich reden machen - durch Auftritte in Medien und Öffentlichkeit, Weiterbildung für Sportlehrer und den Ausbildern von Sportlehrern. Harald Zulauf hofft auf Lerneffekte, die noch in ein paar Jahren wirken.
Umdenken braucht Zeit
Bei dem Sportlehrer Marcus Rummel ist die Idee angekommen – bei seinen Schülern nicht unbedingt. So versucht er mit allerlei Tricks, den alten Leistungsdruck loszuwerden und Bewegung kreativ zu machen. Aber oft genug bekommt er dann zu hören: Können wir nicht Fußball spielen? "Tja, da musst du eben irgendwie versuchen zu werben und dich zu verkaufen - so von heut auf morgen kann man die nicht umstrukturieren."
Statt Wettbewerb: Sport im Team. Dafür musste auch Marcus Rummel umdenken lernen: "Gruppenarbeit ist nicht Gruppenarbeit. Du kannst da nicht sagen: Passt mal auf, ihr schließt euch zu fünft zusammen und dann macht mal. Du musst das schon strukturieren, du musst in der Gruppe Funktionen verteilen, jeder hat so seinen Part."
Letztendlich suchen ja auch die Arbeitgeber keine verbissenen Supercracks, sondern teamfähige, faire Leute mit Begeisterung für die Sache. Der Sportunterricht in der Schule soll künftig der Ort sein, wo diese Kompetenzen entstehen.