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Politik

Hitler-Attentäter als Europäer gewürdigt

Heiner Kiesel
20. Juli 2018

Außenminister Heiko Maas würdigt die pro-europäischen Ideen der Attentäter vom 20. Juli. Als Auftrag für heute sieht er den Kampf gegen den Populismus.

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Gedenken am Ehrenhof des Bendlerblocks -  Heiko Maas
Bild: Imago/photothek.net/T. Imo

Bei der Gedenkveranstaltung hob Außenminister Heiko Maas (SPD) die Hoffnungen der Widerständler vom 20.Juli 1944 auf ein friedliches und geeintes Europa hervor. "Europa hat hier seine Wurzeln", sagte Maas im Bendlerblock - dem Innenhof des Verteidigungsministeriums, in dem einige der Attentäter hingerichtet wurden. Der deutsche Außenminister forderte zu einem "gemeinsamen europäischen Erinnern" auf, bei dem sich junge Menschen in allen Teilen Europas mit der gegenseitigen Geschichte des Widerstands vertraut machen könnten. "Ich glaube, das wäre auch eine gesunde Immunisierung gegen die populistische Propaganda in allen europäischen Ländern."

Das Problem des zunehmenden Populismus war ein zentrales Thema der Gedenkstunde. Maas beklagte sich darüber, dass Symbole des Widerstandes, wie die Fahne des Hitlergegners Josef Wirmer, auf Kundgebungen von Neonazis auftauche. Aus dem Erinnern an den 20. Juli leitete er den Auftrag ab, sich gegen "Wutbürger und Ewiggestrige" zu stellen. In der Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten riet der deutsche Chefdiplomat zu Zivilcourage, zum Einmischen in Diskussionen und zur differenzierten Argumentation. "Das alles gehört für mich zu einem zeitgemäßen Erinnern."

Der 20. Juli als etablierte Erinnerungskultur

Das missglückte Attentat vom 20. Juli 1944 ist der wohl am meisten beachtete Akt des Widerstandes gegen Adolf Hitler und sein Regime in Deutschland. Claus Schenk von Stauffenberg hatte eine Bombe im Besprechungsraum des Führerhauptquartiers "Wolfsschanze" - ein militärisches Lagezentrum im heutigen Polen - deponiert und scharf gemacht. Bei der Detonation wurde Hitler jedoch nur leicht verletzt. Stauffenberg und seine engsten Helfer wurden noch am selben Tag im Bendlerblock hingerichtet. Die darauf einsetzenden Verfolgung der Attentäter und ihrer Unterstützung führte schließlich zur Hinrichtung von über 200 Personen - darunter zahlreiche Generäle und Oberste.

Gedenkveranstaltung in Berlin - Vertreter von Bundesinstitutionen beim Gedenken an den 20. Juli
Vertreter von Bund und Ländern gedenken der ermordeten AttentäterBild: DW/H. Kiesel

Das Gedenken an diesen Anschlag auf Hitler hat eine wechselvolle Geschichte. In den Anfängen der Bundesrepublik wurden die Täter von Rechtskonservativen noch des Verrats bezichtigt und die Angehörigen verunglimpft. Andere sahen die Revolte kritisch: sie sei von einer Militärelite ausgeführt worden und habe keinen Rückhalt im Volk gehabt. Der Putschversuch sei auch erst sehr spät erfolgt, als das militärische Ende des Dritten Reiches schon absehbar war. Außerdem hätten sich einige der Beteiligten zuvor sehr loyal zum Führer gezeigt.

Der SPD-Politiker begrüßte zwar die Aufarbeitung der Vorgänge von 1944, aber er warnte auch davor, "die Ursachen für den Fehlschlag des Umsturzversuchs ausgerechnet bei denen zu verorten, die den Mut zum Handeln aufbrachten". Den Linken der jungen Republik erschien die Erzählung eines weiterbestehenden aufrechten bürgerlichen Deutschlands im Schatten des Diktators lange als zu einfach. Heute wird die Leistung der Attentäter allgemein gewürdigt - auch wenn der 20.Juli nicht als nationaler Feiertag begangen wird.

Appell von den Angehörigen der Hingerichteten 

Auch zahlreiche Angehörige und Nachfahren der Attentäter wandten sich an die Öffentlichkeit. Ihr Appell trägt den Titel "Die Botschaft des 20.Juli" und unterstreicht die Bedeutung für Europa. "Wo stünde Europa heute, wenn der Tag einen anderen Verlauf genommen hätte? Wenn das Attentat Stauffenbergs geglückt, Hitler getötet worden, Deutschlands Diktatur bereits 1944 beendet worden wäre", fragen die Unterzeichner. Sie sind überzeugt, "dass es den Verschwörern wichtig war, ein geeintes Europa der Völker zu errichten, in dem der Mensch und nicht die Nation im Vordergrund steht" und beobachten mit Unbehagen, dass Populisten Zulauf erhielten und Politiker verbal aufrüsteten "und auf Abschottung setzen".

Gedenkveranstaltung in Berlin - Bundesratspräsident und Regierender Bürgermeister von Berlin Michael Müller bei der Kranzniederlegung im Bendler-Block
Der regierende Bürgermeister von Berlin und Bundesratsvorsitzende Michael Müller ehrt die hingerichteten WiderständlerBild: DW/H. Kiesel

Bundesratspräsident Michael Müller - er ist auch Regierender Bürgermeister Berlins - unterstrich am Tag des Gedenkens den Freiheitswillen der Beteiligten am Attentat. "Für die Männer des 20.Juli war ihr Unternehmen Ausdruck ihres tiefen Willens zur Freiheit", sagte Müller. Auch er sieht in dem gescheiterten Putsch von 1944 ein Zeichen dafür, dass es neben dem menschenverachtenden System des Nationalsozialismus auch noch ein anderes Deutschland gegeben hätte. "Bis heute ist der 20. Juli symbolhafter Ausdruck dafür, dass in unserem Land auch damals der Wille zu Freiheit und selbstbestimmtem Leben nicht untergegangen war."