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KonflikteAfrika

Wie afrikanische Staaten ihre Rolle in globalen Krisen sehen

Martina Schwikowski
27. Dezember 2023

Nach Russlands Angriff auf die Ukraine reagierte man in Afrika eher unparteiisch und bemüht um Friedensvermittlung. Im Nahost-Krieg ergreifen die Länder Partei, allen voran Südafrika, mit pro-palästinensischer Haltung.

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Ein israelischer Panzer manövriert nah der Grenze zum Gazastreifen
Afrikas Staaten reagieren mit unterschiedlichen Stimmen auf den Nahostkonflikt und den Krieg in GazaBild: Amir Cohen/REUTERS

Der Konflikt im Nahen Osten spaltet die afrikanischen Länder stärker als ihre Haltung zu Russlands Angriffskrieg in der Ukraine: "Im Russland-Ukraine-Konflikt haben wir trotz einiger unterschiedlicher Positionen Bemühungen Afrikas gesehen, als Block zu agieren. Im Nahostkonflikt war dies nicht der Fall", sagt Fredson Guilengue in Johannesburg im DW-Interview. Er ist Analyst bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der deutschen Linkspartei nahesteht.

Die Unterstützung afrikanischer Staaten zum geforderten Rückzug Russlands aus der Ukraine fiel bei der ersten Abstimmung der UN-Vollversammlung am 2. März 2022 relativ schwach aus: Nur 28 der 54 Mitgliedsstaaten Afrikas stimmten für die Resolution. Zahlreiche Länder des Kontinents verhielten sich neutral: 17 enthielten sich und acht stimmten nicht mit ab. Nur das diktatorische Eritrea stimmte gegen die Resolution.

Afrikanische Union: Waffenstillstand in Gaza gefordert

Die Positionierung der Staaten Afrikas zur Ukraine-Russland-Krise stehe damit im Gegensatz zur Israel-Gaza-Frage, in der viele afrikanische Länder nachdrücklich einen Waffenstillstand in Gaza gefordert hätten, und zwar ziemlich konsequent, sagte Alex Vines, Leiter des Afrika-Programms am Politikinstitut Chatham House in London. 

Aufräumarbeiten nach Luftangriff im Maghazi Camp im Gazastreifen
Aufräumarbeiten im Gazastreifen: Viele afrikanische Länder forderten einen unverzüglichen Waffenstillstand Bild: Xinhua News Agency/picture alliance

Die Afrikanische Union (AU) hat sich schon früh auf die Seite der Palästinenser gestellt: Der AU-Kommissionsvorsitzende Moussa Faki Mahat appellierte an beide Seiten, die Feindseligkeiten einzustellen. In einer Mitteilung erklärte er, dass "die Verweigerung der Grundrechte des palästinensischen Volkes, insbesondere das Recht auf einen unabhängigen und souveränen Staat, die Hauptursache für die ständigen israelisch-palästinensischen Spannungen" sei.

Veröffentlicht wurde die Stellungnahme gleich am Tag des Überfalls auf Israel am 7. Oktober, bei dem die militant-islamistische Palästinensergruppe Hamas mehr als 1200 Menschen tötete und rund 240 Geiseln nahm, wie später bekannt wurde. Die Hamas wird vor allem von westlichen, aber auch einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Nur wenige afrikanische Staaten mit pro-israelischer Position

Nicht alle Staaten des Kontinents teilen diese Haltung. Einige Länder wie Kenia, Ghana, Sambia und die Demokratische Republik Kongo hätten sich laut Analyst Guilengue mit Israel solidarisiert und die Hamas ausdrücklich verurteilt. In Kenia zum Beispiel sprach sich Präsident William Ruto scharf gegen Terrorismus und Angriffe auf unschuldige Zivilisten aus - aber Oppositionspolitiker kritisierten das und forderten den Abbruch der Beziehungen mit Israel.

Eine Politikerin redet und gestikuliert hinter einem Rednerpult im südafrikanischen Parlament
Südafrikas Abgeordnete stimmten im Parlament mehrheitlich für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit IsraelBild: Nardus Engelbrecht/AP/picture alliance

Andere Länder jedoch, allen voran Südafrika, hätten eine Position vertreten, die als pro-palästinensisch verstanden werden könnte, fügt Guilengue an. So verurteilte Südafrika die Hamas nicht offen für ihre Geiselnahme und Tötungen von Israelis und Ausländern. Stattdessen gebe die Regierung in gewissem Maße Israel die Schuld an der Eskalation des Konflikts.

Südafrika kritisiert Doppelmoral des Westens

Südafrikas Abgeordnete stimmten im November im Parlament in Kapstadt für den Abbruch aller diplomatischen Beziehungen, jedoch ist die Entscheidung für die südafrikanische Regierung nicht bindend. Die Regierung selbst forderte den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag auf zu untersuchen, ob Israel im Gazastreifen Kriegsverbrechen begangen hat. Südafrikas Präsident Cyril Ramphosa sagte, dass Israels Vorgehen mit Angriffen auf den Gazastreifen und Abriegelung des Gebiets einem Völkermord gleichkomme.

Diese Reaktionen haben laut Guilengue mit der Geschichte Südafrikas zu tun, einem Land, das unter der Apartheid gelitten hat. Südafrika weise auf angebliche Ähnlichkeiten zwischen der Apartheid und den Geschehnissen in Gaza hin.

Außenministerin Naledi Pandor hat wiederholt erklärt, dass Südafrika sich nicht auf eine Seite ziehen lassen werde. Den Westen kritisierte sie für die selektive Verurteilung Russlands, während die israelische Besetzung palästinensischer Gebiete ignoriert würde.

Afrika sei schon immer mit Palästinensern solidarisch gewesen, erklärt dazu der Westafrikaner Gilles Yabi, Leiter der Denkfabrik Wathi in Senegal: Die koloniale Geschichte und anti-westliche Haltungen spielten dabei eine große Rolle. Darum unterstützten viele afrikanische Länder einen palästinensischen Staat, der neben Israel existieren könne, so Yabi in seinem Podcast der Internationalen Crisis Group.

Afrikanische Staaten wahren ihre Interessen

Die Länder, die sich mit Israel verbündeten, handeln aus anderen Interessen, sagte Guilengue der DW. Dabei gehe es um militärische und wirtschaftliche Unterstützung, die sie von Israel und seinen Verbündeten erhielten: "Sie wollen keine Position einnehmen, die den Interessen Israels zuwiderläuft, da dies auch den Interessen der USA oder des Westens widersprechen könnte."

Delegation afrikanischer Staaten an einem runden Verhandlungstisch mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin
Um zu vermitteln, traf sich im Juni 2023 eine Delegation mehrerer afrikanischer Länder nach einem Besuch in der Ukraine mit Russlands Staatschef Wladimir Putin in Sankt PetersburgBild: Evgeny Biyatov/RIA Novosti/AP/picture alliance

Russland verfügt in Afrika nicht über eine vergleichbare Präsenz wie die mächtigsten europäischen Länder und die USA, doch wird es in vielen afrikanischen Ländern weiterhin als Partner geschätzt. Die afrikanischen Länder hätten im Laufe des Jahres 2023 zunehmend beschlossen, dass sie mit ihrer Reaktion auf globale Krisen nicht in eine Schublade gesteckt werden wollen, erklärt Analyst Vines: "Sie wollen nicht pro-westlich, pro-chinesisch oder pro-russisch sein."

So sei die Zahl der Stimmen für Russland in der UN-Vollversammlung deutlich zurückgegangen. "Viele afrikanische Staaten stimmen in diesen Fragen immer häufiger à la carte ab", beschreibt Vines einen Trend. Das heißt: Sie folgen immer häufiger eigenen außenpolitischen Interessen, statt nur übergeordneten Prinzipien oder Ideologien.

Im Russland-Ukraine-Konflikt hat man in Afrika laut Guilengue dem diplomatischen Druck standgehalten. Es gab Besuche hochrangiger Vertreter Russlands und des Westens - aber die Staaten des Kontinents hätten auf ihre weitgehend unparteiische Position beharrt und auf Friedensvermittlung gesetzt: Die AU, auch Südafrika, entsandten nach Ausbruch des Krieges Delegationen nach Russland und in die Ukraine, um Wege zur Beilegung des Konflikts vorzuschlagen.

Afrika versuche eine aktivere Rolle in der globalen Diplomatie zu übernehmen und gleichzeitig die wirtschaftliche Bedeutung von Akteuren wie China zu festigen, die afrikanischen Ländern Alternativen beim Bezug von Hilfe und Investitionen böten.