Wie beim Fußball
24. September 2014"Wenn ich am ersten Abschlag stehe, dann sind 20.000 Menschen um mich herum und brüllen meinen Namen", beschreibt Deutschlands Vorzeige-Golfer Martin Kaymer die Atmosphäre beim Ryder Cup. Kaymer geht in Gleneagles, rund eine Autostunde nordöstlich von Glasgow, mit dem Team Europa als Titelverteidiger an den Start. Vor zwei Jahren, in Medinah im US-Bundesstaat Illinois, war er es, der sich feiern lassen durfte, als er mit einem überragenden Put am letzten Loch für die Entscheidung sorgte. "Die Belastung war in dem Augenblick extrem", sagte er jüngst im Spiegel-Interview. Denn selten stehen die Golfer so im Blickpunkt wie bei dieser Veranstaltung, bei der es nur um Ruhm und Ehre, nicht aber um Preisgeld geht. Ein Kontrast zum normalen Profidasein, wie auch das gesamte Reglement.
Solisten beim Teamsport
"Auf einmal hast du elf Kameraden und einen Kapitän. Alle ziehen an einem Strang, das ist unheimlich schön", gerät Kaymer ins Schwärmen. "Ich habe als Junge viel Fußball gespiel, diese Atmosphäre vermisse ich. Beim Ryder Cup spüre ich sie wieder". Sind Golfer sonst Solisten, so hilft bei diesem Wettbewerb nur der Teamgeist weiter. Eine Mannschaft besteht aus einem Kapitän und zwölf Spielern, die vom Kapitän berufen werden. In der Regel sind es die besten ihres Kontinents. Die ersten beiden der drei Wettkampftage werden im Vierer (Foursome) und Vierball-Bestball (Fourball) ausgespielt, am Sonntag folgen dann zwölf Einzel.
Beim Foursome schlagen zwei Spieler einer Mannschaft abwechselnd den Ball, bis er ins Loch fällt. Beim Fourball hat jeder seinen eigenen Ball, der Spieler mit dem besten Resultat holt den Punkt für seine Mannschaft. Bei gleicher Schlagzahl gibt es je einen halben Punkt, für einen Lochgewinn einen ganzen. Eine Runde ist beendet, sobald der Gegner auf den verbleibenden Löchern einen Rückstand nicht mehr aufholen kann.
Europa reichen als Titelverteidiger insgesamt 14 Punkte zum Sieg, die USA als Herausforderer müssen 14,5 Punkte aus den 28 Duellen holen, um den Pokal in den schottischen Himmel recken zu können.
Europa in der Favoritenrolle
Für das Wochenende in Gleneagles, die 40. Auflage des Turniers, gelten die Europäer als leichte Favoriten. Sieben der letzten zehn Auflagen haben sie für sich entschieden, können mit dem Nordiren Rory McIlroy auf die aktuelle Nummer eins der Weltrangliste setzen. Martin Kaymer ist zwar nur Zwölfter in diesem Ranking, aber spätestens nach dem Sieg bei den US-Open in diesem Sommer klar im Aufwärtstrend. "Ich denke, wir sind leichte Favoriten", sagt denn auch Europas Kapitän, der Ire Paul McGinley, "die Jungs haben hart gearbeitet für diese Ausgangslage." Bei den USA fehlt der seit Monaten verletzte Superstar Tiger Woods.
Wie gering allerdings die Aussagekraft von Vorschusslorbeeren und Tendenzen ist, konnte man bei der letzten Auflage 2012 sehen. Damals, in Medinah, waren die Amerikaner mit einer 10:6-Führung in die Einzel am Sonntag gegangen. Der Braten schien verteilt. Am Ende aber triumphierten die Europäer - auch Dank eines bis dahin kriselnden Martin Kaymer.