China profitiert von Afrikas Smartphone-Boom
23. Oktober 2019"Ich kann mir ein Leben ohne Smartphone nicht vorstellen", erzählt Lafu Baldé. Der Alltag des 35-jährigen Familienvaters spielt sich auf den Straßen der Hauptstadt Guinea-Bissaus ab, wo er nach Gelegenheitsjobs sucht. Mal tauscht er Devisen für ausländische Geschäftsleute, mal macht er Botengänge für Ladenbesitzer. "Mit dem Smartphone halte ich Kontakt zu meinen Kunden hier in Bissau, aber auch zu meinen Freunden und Bekannten auf der ganzen Welt. Für mich ist das Smartphone mittlerweile fast so wichtig wie Strom, Wasser oder Brot", sagt er der DW.
77 Prozent der Menschen auf dem Kontinent sind unter 35. Viele nutzen mittlerweile Smartphones. "Mit dem Handy machen wir zum Beispiel Überweisungen. Wir kaufen Handyguthaben und schicken es per SMS an Verwandte und Geschäftspartner auf dem Land. Dort können sie es überall einlösen", sagt Lafu Baldé. Inzwischen sei es auch möglich, mit dem Smartphone die Stromrechnung zu bezahlen, an vielen Unis könne man sich auch online immatrikulieren oder Anträge bei Ämtern und Ministerien stellen.
Chinesische Smartphones liegen vorn
Der Smartphone-Markt in Afrika ist hart umkämpft, doch nur wenige Geräte sind auf die Bedürfnisse afrikanischer Kunden ausgelegt. Die chinesische Firma Transsion hat das früh erkannt - und ist mit ihren Geräten in den letzten zehn Jahren zum Marktführer in Afrika aufgestiegen. Mehr als 130 Millionen Telefone der Marken Tecno oder Itel hat Transsion Holdings nach eigenen Angaben bereits in Afrika verkauft.
"Genauso müssen Smartphones sein", sagt Lafu Baldé. Er selbst habe erst vor Kurzem ein Transsion-Handy gekauft: "Es hat nur 50.000 CFA-Francs gekostet (umgerechnet etwa 76 Euro) und es hat alles, was wir uns hier in Afrika wünschen: Der Zugang zu den wichtigsten sozialen Medien ist vorinstalliert, das Gerät ist robust und im Standby-Modus hält das Akku mehrere Tage. Ich kann den Chinesen nur dankbar sein, dass sie uns den Zugang zum mobilen Internet so erleichtert haben!" Außerdem verfügen Transsion-Handys über Benutzermenüs in diversen afrikanischen Sprachen und bieten meist Platz für zwei Sim-Karten. Das kommt bei den Kunden an.
Guinea-Bissau ist kein Einzelfall. Auch im Senegal oder in Afrikas bevölkerungsreichstem Land Nigeria dominieren die Handys aus dem Reich der Mitte. Auch auf dem zweitgrößten Markt Subsahara-Afrikas, im Boomland Äthiopien, sind die Chinesen Marktführer. Als erstes nicht-afrikanisches Unternehmen hatte Transsion bereits vor fast 10 Jahren amharische Fonts und einen After-Sale-Support auf Amharisch im Portfolio.
Die chinesische Erfolgsformel
Nach Informationen des chinesischen Programms der DW wissen im Reich der Mitte dagegen nur wenige vom großen Erfolg der Transsion-Handys auf dem afrikanischen Markt. Das Unternehmen ist Ende September an die Börse gegangen und hatte bereits am ersten Tag eine Marktkapitalisierung von rund sechs Milliarden US-Dollar erzielt. Die Ausrichtung des Unternehmens auf Afrika hat laut DW-China-Redaktion aber schon 2008 begonnen, als Transsion für sich die Strategie "Fokus auf Afrika" definiert hatte. Mit durchschlagendem Erfolg: Im Jahr 2018 erreichte das Versandvolumen von Mobiltelefonen von China nach Südsahara-Afrika bereits 124 Millionen. Der Marktanteil in Afrika lag bei fast 50 Prozent.
"Der niedrige Preis ist die stärkste Waffe von Transsion", sagt der chinesische IT-Experte Wang Ting im DW-Interview. Das Unternehmen habe außerdem die Bedürfnisse der afrikanischen Nutzer sorgfältig analysiert und die Handys daraufhin ausgerichtet. "Die Kameras von Transsion erkennen zum Beispiel schwarze Gesichter mit geringem Kontrast besser als konventionelle Kameras", so Ting. Das Team von Transsion sei inzwischen in den afrikanischen Märkten fest verwurzelt und investiere weiterhin in großem Umfang in Forschung und Entwicklung. Möglichen Konkurrenten werde das chinesische Unternehmen weiterhin das Leben schwer machen.
Unterdessen drängt auch der erste afrikanische Hersteller auf den Smartphone-Markt: Mara Phone. Hinter der Firma steht nach Angaben der ruandischen Regierung Ashish Thakkar, ein Unternehmer aus Dubai. Anfang Oktober eröffnete Ruandas Präsident Paul Kagame in der Hauptstadt Kigali die erste Smartphone-Fabrik, die direkt in Afrika produziert. Nur zehn Tage später folgte die zweite - diesmal im südafrikanischen Durban.
Ruanda: Der neue afrikanische Player
Mara Phones basieren auf dem Google-Betriebssystem Android, bei dem die Social-Media-Darstellungen auf die Bedürfnisse afrikanischer Nutzer angepasst sind. Noch ist die Jahresproduktion auf rund 1,2 Millionen Geräte angelegt. Damit ist Mara ein Nischenplayer. Aber das soll sich bald ändern.
"High-Tech für Afrika aus Afrika, ein Projekt, das die ruandische Regierung von Anfang an tatkräftig unterstütz hat", sagt Clare Akamanzi, von der staatlichen ruandischen Entwicklungsagentur RDB. "Wir sind von diesem Projekt begeistert, weil es den Zugang unserer Bevölkerung zu leistungsfähigen Smartphones erleichtert." Zurzeit verfügen nach ihren Angaben nur 13 Prozent der Ruander über Smartphones. "Wir wollen aber in unserem Land einen großen Entwicklungssprung anstoßen und den digitalen Umbau fördern", so Akamanzi zur DW.
Tatsächlich geht Ruanda in Sachen Digitalisierung mit großen Schritten voran. Die Öffentliche Verwaltung hat bereits vor zwei Jahren eine Internet-Plattform namens Irembo ("Tor") online gestellt, durch die alle Bürger – auch via Smartphone – digitalen Zugang zu allen öffentlichen Dienstleistungen haben sollen. "Alle Anträge, zum Beispiel auf Ausweise und Bestätigungen, haben wir online gestellt. Für uns ist es also von großer Bedeutung, dass die Bürger über Smartphones verfügen, so dass sie unser Online-Service leichter nutzen können", so Akamanzi.
Smartphone aufladen: Eine Herausforderung
Auch in anderen Ländern wächst das Interesse an den Smartphones "Made in Afrika". "Ich habe von den neuen afrikanischen Handys aus Kigali gehört und bin echt gespannt, wann sie auch hier in Bissau ankommen. Es macht mich stolz zu wissen, dass es auch ein Handy gibt, das vollständig in Afrika produziert wird", sagt Lafu Baldé. Er würde gern ein afrikanisches Handy kaufen, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis ähnlich günstig wäre wie bei den Chinesen. Allerdings habe er gehört, dass das günstigste Mara-Gerät mindestens 130 Euro kosten solle. Baldé: "Eindeutig zu viel."
Er wünscht vor allem leistungsfähigere Akkus. Denn die Stromversorgung sei das Hauptproblem, gerade auf dem Land. "Meine Verwandten im Landesinneren müssen häufig mehrere Kilometer zum nächsten Stromanschluss laufen", betont er. Doch inzwischen gebe es kleine Heim-Solarenergie-Anlagen, die eine praktikable Lösung für das Aufladen von Handys in abgelegenen Gebieten ohne Strom seien.
Tatsächlich vertreibt das kenianische Unternehmen M-Kopa vor allem in Kenia, Tansania und Uganda Minisolaranlagen, die direkt mit dem passenden Zubehör wie beispielsweise Pufferbatterien, Ladekabel für alle Arten von Handy-Anschlüssen, Akkuradios und sparsamen LED-Lampen ausgeliefert werden. Ein Glück, sagt Lafu Baldé - und ein gutes Geschäftsmodell: "In entlegenen Gebieten Guineas hat so Mancher sich mit so einer Minisolaranlage selbständig gemacht, und verdient sein Geld mit dem Aufladen von Mobiltelefonen und Smartphones"
Mitarbeit: Jun Yan