Neuer EU-Ansatz für Afrikas Friedensmissionen
23. Januar 2021Wenn AMISOM-Soldaten durch Somalias Hauptstadt Mogadischu patrouillieren, ist die EU stets indirekt dabei. Ohne Geld aus Brüssel gäbe es die Mission wahrscheinlich nicht: Mehr als 1,5 Milliarden Euro hat die EU bisher überwiesen. Das Geld kommt aus der sogenannten "African Peace Facility". Mit dem Programm unterstützt Brüssel Friedensbemühungen der Afrikanischen Union (AU): Missionen wie AMISOM, aber auch den Aufbau entsprechender Strukturen im AU-Hauptquartier in Addis Abeba. Bis 2019 sind 2,7 Milliarden Euro geflossen.
Doch das soll nicht ewig so weitergehen. "Die EU hat AU-geführte Missionen wie AMISOM über mehrere Jahre mit hohen Geldsummen über Wasser gehalten. Sie fühlt sich in dieser Geberbeziehung geradezu gefangen", sagt Lisa Musiol vom Think-Tank International Crisis Group (ICG) zur DW. Denn ohne Unterstützung aus Brüssel droht AMISOM das Aus. Somalia ist aber längst nicht stabil genug, um auf eigenen Füßen zu stehen.
Auch der Europäische Rechnungshof stellte 2018 fest, dass die EU-Unterstützung für Frieden und Sicherheit in Afrika "einen geringen Effekt hat und dringend einer Neuausrichtung bedarf". Die EU solle nicht mehr die laufenden Kosten der Einsätze bezahlen, sondern Afrikas Armeen ertüchtigen.
Auch Afrika will Reformen
Doch auch die AU will nicht so weiter machen wie bisher. Daher unterzieht sie sich einem umfangreichen Reformprozess. Das Staatenbündnis will auch bei Fragen von Frieden und Sicherheit in Afrika nicht länger von ausländischen Gebern abhängig sein. "Im diesem Sinne folgt die EU afrikanischen Wünschen und Ambitionen, unabhängiger zu werden", sagt Paul-Simon Handy vom südafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien (ISS) der DW.
Aus "African Peace Facility" wird daher in diesem Jahr die "European Peace Facility". Das ist mehr als ein schlichter Namenswechsel. Bisher lief die Hilfe der EU stets über die Afrikanische Union. Künftig kann sie auch direkt mit einzelnen Regionen, Ländern oder Armeen in Afrika zusammenarbeiten. "Die EU bekommt dadurch mehr Bewegungsfreiheit, die Afrikanische Union aber mehr Konkurrenz durch andere Akteure", sagt Paul-Simon Handy.
Profitieren könnten vor allem regionale Bündnisse. Zum Beispiel die G5-Sahel. Mit der Truppe wollen Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad gegen Extremisten in der Sahelzone vorgehen. Was wiederum langfristig Konsequenzen für AU-Mission haben dürfte. Handy: "Die Präsenz der Afrikanischen Union im Bereich Frieden und Sicherheit in Afrika wird wahrscheinlich geringer werden."
Waffen für afrikanische Krisenstaaten?
Eine andere Änderung könnte ähnlich weitreichende Folgen haben. Künftig kann die EU afrikanische Armeen auch mit Waffen oder Munition ausrüsten. Für die EU eine logische Folge: Schließlich bildet sie seit Jahren afrikanische Soldaten aus - nun sollen sie in einigen Fällen auch Waffen bekommen, um Gegnern die Stirn zu bieten. Kritiker sind dagegen besorgt. "Die EU sollte keine Waffen und Munition in fragile Staaten liefern. Das Risiko, dass Waffen missbraucht werden oder in die falschen Hände geraten, ist sehr viel größer als die potenziellen Vorteile", sagt ICG-Expertin Musiol.
Denn bereits die Ausbildungsmission der EU haben mitunter unerwünschte Nebeneffekte. Seit 2013 bilden etwa europäische Soldaten, darunter auch deutsche, die malische Armee aus. Trotzdem putschte die im August 2020 Staatschef Keita aus dem Amt. Auch die Ausbildung für Somalias Armee ging gründlich schief: In der Vergangenheit liefen zahlreiche Rekruten nach der Ausbildung zur Islamisten-Miliz Al-Shabaab oder den Seeräubern an der Küste über.
Mit moderner Ausrüstung von der EU könnten solche Überläufer im schlimmsten Fall noch größeren Schaden anrichten.