Wie Trump die Weltpolitik verändert hat
19. Oktober 2020Mit nur zwei Worten machte Donald Trump schon zu Beginn seiner Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2016 klar, was die Ziele seiner Außenpolitik sein würden: "Amerika zuerst".
Jetzt, nach knapp vier Jahren Amtszeit, lassen sich diese Worte mit Fakten und Ereignissen untermauern. Rücksichtsloses Eigeninteresse und Konfrontation haben Trumps Außenpolitik genauso geprägt wie ständige Personalwechsel, Überraschung und Konfusion.
Und unabhängig vom Ausgang der nun bevorstehenden Wahl haben diese Veränderungen langfristige Auswirkungen auch auf das Handeln anderer politischer Akteure.
Einige der wichtigsten Folgen:
Scheu vor Multilateralismus
Seit seinem Amtsantritt hat Trump die internationale Zusammenarbeit untergraben. Nach nur drei Tagen im Amt löste er die USA aus der Trans-Pacific Partnership (TPP), einem Handelsabkommen mit asiatischen Staaten. Anschließend zogen sich die USA aus verschiedenen internationalen Gremien und Abkommen zurück - dem UN-Menschenrechtsrat zum Beispiel oder auch dem Pariser Klimaabkommen.
Außerdem fällten die USA wichtige politische Entscheidungen oft einseitig und gegen den internationalen Konsens. So wie die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels und die Verlegung der US-Botschaft dorthin.
"Die USA haben ihr einstmals nützliches Netzwerk von Allianzen und internationalen Institutionen ernsthaft beschädigt", sagt Margaret MacMillan, Geschichtsprofessorin an den Universtitäten von Toronto und Oxford und Gasthistorikerin des Außenpolitischen Thinktanks Council on Foreign Relations mit Sitz in New York und Washington. "Ich denke, das hat die Position der Vereinigten Staaten in der Welt sehr geschwächt."
Tatsächlich zeigt eine Umfrage des US-Meinungsforschungsinsituts Pew Research Center, dass in vielen Ländern die Zustimmung zur US-Politik auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten gesunken ist.
Beschädigte transatlantische Beziehungen
"Trumps Widerstand gegen den Multilateralismus stellt einen philosophischen Unterschied zwischen Washington und den europäischen Hauptstädten dar", schrieb die internationale Carnegie-Stiftung Endowment for International Peace im Februar 2020 in einer Bewertung der transatlantischen Beziehungen. Dabei war diese europäisch-amerikanische Partnerschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges geprägt von gemeinsamen Werten, Zielen und globalen Herangehensweisen.
Aber die Kluft zwischen der EU und den USA unter Trump ist mehr als ein ideologischer Graben. Trump hat die transatlantischen Beziehungen aktiv kritisiert und infrage gestellt. Wiederholt zweifelte er den Wert von Allianzen wie der NATO an, kündigte einen Abzug der US-Truppen aus Deutschland an, weil Deutschland zu wenig für seine militärische Verteidigung ausgebe. Trump erließ Handelszölle gegen die EU und drohte mit Sanktionen gegen die russische Gaspipeline Nord Stream 2.
MacMillan glaubt, dass diese Belastungen zu dauerhaften Veränderungen führen könnten. "Es ist wie bei einer Freundschaft. Sie neigen dazu, Ihren Freunden zu vertrauen. Wenn dieses Vertrauen einmal gebrochen ist, ist es schwer, es wieder herzustellen", sagt die Historikerin.
"Europa hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sich auf Big Brother dort drüben in Washington zu verlassen. Und vielleicht sagen die Europäer jetzt: wir können das ganz eindeutig nicht mehr und müssen uns selbstständiger machen, müssen stärker unsere eigene, unabhängige Außenpolitik entwickeln", so MacMillan.
China ins kritische Rampenlicht gezwungen
Trumps Konfrontationskurs gegenüber China hat das asiatische Land in den Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit gerückt. Angefangen von einem durch Zölle ausgelösten Handelskrieg bis hin zum Druck auf andere Nationen, den chinesischen Konzern Huawei beim Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes auszuschließen.
Trumps scharfe Kritik wurde von vielen begrüßt, die glauben, dass China zu lange zu Unrecht von globalen Handelsvereinbarungen profitiert und gleichzeitig Menschenrechtsverletzungen begangen hat.
"Der Präsident hat China zu Recht herausgefordert wegen seiner Aktivitäten im Handelssektor", schrieb Richard Haass, Präsident des Council on Foreign Relations, im Vorwort zu einer Zwischenbilanz der Außenpolitik Trumps.
Ähnlich sieht es die Historikerin MacMillan. Sie wolle Trump nicht zu sehr loben, aber in ihren Augen sei es richtig gewesen, die Chinesen wegen der Verletzung geistigen Eigentums herauszufordern. Die Spannungen zwischen den USA und China existierten schon vor Trump, aber in seiner Amtszeit seien sie "viel deutlicher und artikulierter geworden".
Die Gefahren der Twitter-Diplomatie
In Bezug auf die außenpolitische Kommunikation haben Trump und seine Regierung zu unterschiedlichen Zeiten und über unterschiedliche Kommunikationskanäle gemischte Botschaften ausgesendet - nicht zuletzt über Trumps persönlichen Twitter-Account, der häufig kriegerische Rhetorik enthält.
Alexi Drew forscht am Centre for Science and Security Studies des Londoner King's College zu sozialen Medien und Konflikteskalation. Für sie sind die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran ein Paradebeispiel dafür, wie heikel und potenziell gefährlich Trumps Twitter-Diplomatie internationale Konflikte gemacht hat.
"Wenn Sie sich in die Lage des iranischen Außenministers Sarif und der Iraner versetzen, ist es sehr schwierig, die genaue Position der USA zu erkennen. Sie empfangen wiederholt Widersprüche aus dem Außenministerium und den unterschiedlichen Kanälen Donald Trumps", sagt Drew. "Sie stimmen ihre Nachrichten und ihre Inhalte nicht aufeinander ab."
Drew glaubt nicht, dass Twitter selbst einen Konflikt auslösen könnte. Aber in einer ohnehin schon eskalierenden Situation oder einer historischen Krise zwischen staatlichen oder anderen Akteuren könne es derartige Krisen weiter anheizen.
Ermutigte Autokraten
Und noch eine Folge haben vier Jahre Donald Trump: Autokratische Herrscher auf der globalen Bühne fühlen sich ermutigt. Während viele von ihnen schon vor Trump an der Macht waren, bedeutet sein unkritischer bis bewundernder Umgang mit ihnen eine unterschwellige Zustimmung zu ihrem Regierungsstil. Es zeigt sich, dass Trump nicht bereit ist, mutmaßliche Verstöße anzusprechen.
Ein Beispiel dafür ist Trumps Haltung gegenüber Saudi-Arabien nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi. Während die Belege für eine mutmaßliche Verstrickung der saudischen Königsfamilie wuchsen, sagte Trump der saudischen Regierung seine Unterstützung zu.