Wie frei ist Falludscha?
26. Juni 2016Die jüngste Meldung zur Befreiung der irakischen Stadt Falludscha vom IS stammt von einem hohen Kommandeur der irakischen Armee. Die Extremisten des "Islamischen Staates" (IS) seien aus dem letzten Viertel Falludschas vertrieben worden, hieß es im staatlichen TV-Sender Al-Iraqiya. Damit hat das irakische Militär Falludscha fünf Wochen nach dem Beginn einer Anti-IS-Offensive nach eigenen Angaben vollständig eingenommen. Elitetruppen hätten das Viertel Al-Dschulan im Nordwesten der Stadt erobert und damit den letzten Stadtteil eingenommen, der noch von Dschihadisten kontrolliert worden war, hieß es. Ein anderer Militärsprecher sagte allerdings, nordwestlich der Stadt gebe es noch einige IS-Posten, sodass die Militäroffensive nicht für beendet erklärt werden könne.
Rätselraten um die tatsächliche Lage
Damit bleibt die Lage in Falludscha vorerst weiter unübersichtlich. Denn bereits vor über einer Woche, am 17. Juni, hatte der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi verkündet, irakische Truppen hätten die Stadt weitestgehend unter ihre Kontrolle gebracht. Er sprach lediglich von einzelnen verbliebenen "Terrornestern". Das amerikanische Verteidigungsministerium zweifelte diese Darstellung daraufhin jedoch an: Lediglich ein Drittel der Stadt sei befreit worden, sagte ein Pentagon-Sprecher.
Vor fünf Wochen hatte die irakische Armee mit der Unterstützung der US-Luftwaffe ihre Offensive auf die Dschihadisten-Hochburg Falludscha begonnen. Falludscha liegt rund 70 Kilometer westlich der Hauptstadt Bagdad. Seit Januar 2014 hatte der IS die Stadt unter Kontrolle. Nun verlieren die Extremisten eine ihrer zwei wichtigsten Hochburgen im Irak und eine wichtige Versorgungsroute. Die nordirakische Stadt Mossul wird weiterhin vom IS kontrolliert.
Flüchtlingsdrama
Die Kämpfe haben Zehntausende Bewohner zur Flucht aus ihrer Stadt getrieben. Nach UN-Angaben mussten mehr als 85 000 Menschen aus Falludscha und dem Umland fliehen. Der UN-Sicherheitsrat mahnte die irakischen Konfliktparteien dazu an, die Flüchtlinge besser zu schützen. Helfer haben massive Probleme, die große Zahl erschöpfter Flüchtlinge bei hohen Temperaturen in der Wüste zu versorgen. Denn Hilfsorganisationen fehlt es nach eigenen Angaben an Geld, Wasser, Zelten und Medikamenten. So hat das Flüchtlingshilfswerk UNHCR bisher erst rund 20 Prozent des Geldes bekommen, das es für die Versorgung von Flüchtlingen im Irak braucht.
Vorwurf: Militär misshandelt Zivilisten
Menschenrechtsaktivisten kritisieren darüber hinaus, wie die irakische Armee männliche Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt. Das Militär überprüft Geflüchtete aus Falludscha auf mögliche Verbindungen zum IS. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" wirft der Armee vor, männliche Flüchtlinge tagelang festzuhalten und zu misshandeln. 17 vo ihnen seien Zeugenaussagen zufolge von der Polizei und regierungstreuen Kräften erschossen worden.
Die Streitkräfte haben nach eigenen Angaben bereits rund 20.000 Jungen und Männer überprüft. Über 2000 Verdächtige seien festgenommen, mehr als 11.000 wieder freigelassen worden. Die Überprüfung von rund 7000 männlichen Flüchtlingen laufe noch.
vk/kle (dpa, afp)