1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Perspektiven für Griechenland

Jannis Papadimitriou10. Mai 2012

Die Suche nach einer Regierungskoalition in Griechenland geht weiter, doch die Erfolgsaussichten sind schlecht. Immer öfter ist von Neuwahlen die Rede.

https://p.dw.com/p/14sxx
Ein klassisch-griechisches Relief, auf dem zwei Ringer dargestellt sind Foto: Orestis Panagiotolu (EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Machtpoker in Griechenland geht in die Verlängerung: Nachdem sowohl der konservative Wahlsieger Antonis Samaras als auch der Überraschungzweite Alexis Tsipras von der Linkspartei mit dem Sondierungsauftrag gescheitert sind, versucht der Drittplatzierte Evangelos Venizelos sein Glück. Der Sozialistenchef und Ex-Finanzminister hat ein besonderes Interesse daran, dass seine Sondierungsgespräche von Erfolg gekrönt werden, da er bei Neuwahlen mit einem neuen Debakel rechnen muss.

Aus diesem Grund denkt Venizelos immer lauter über eine Allparteienregierung mit einem linken Ministerpräsidenten nach, die auch von der einen oder anderen konservativen Partei toleriert würde. Sie wäre jedoch bedeutend schwächer als die Vorgängerregierung unter dem parteilosen Finanzexperten Loukas Papademos. Nach Informationen der Athener Tageszeitung "Ethnos", die den Sozialisten nahe steht, kämen in diesem Fall der betont europafreundliche Linkspolitiker Fotis Kouvelis und EU-Kommissarin Maria Damanaki für das Amt des Ministerpräsidenten in Betracht. Kouvelis hat den Gerüchten jedoch widersprochen mit dem Hinweis, sein Name dürfe für parteipolitische Zwecke nicht missbraucht werden.

Evangelos Venizelos (Foto: Petros Giannakouris/AP/dapd)
Der letzte Versuch: Evangelos VenizelosBild: dapd

Frühstück beim Präsidenten?

Sollten die drei Erstplatzierten der Parlamentswahl mit ihrem Latein am Ende sein, muss der Staatspräsident höchstpersönlich Möglichkeiten einer Allparteienkoalition ausloten. Zu diesem Zweck müsste er laut Verfassung am Wochenende oder spätestens am Montag (14.05.2012) "die Parteivorsitzenden" zu sich bestellen, womit schon der nächsten Knackpunkt genannt wäre: Die Verfassung gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, welche Politiker damit gemeint sind. Wenn man die einschlägige Verfassungsregelung großzügig auslegt, dann ginge es wohl um alle Parteichefs, die den Einzug ins Parlament geschafft haben.

Das würde bedeuten, dass auch der Neonazi Nicholaos Michaloliakos eingeladen wäre. Und das wäre ein Eklat: Ausgerechnet Staatspräsident Karolos Papoulias, der mit 15 Jahren im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis kämpfte, müsste mit einem bekennenden Nationalisten am Tisch sitzen, der seine Gesprächspartner mit dem Hitlergruß überrascht.

Alexis Tsipras (rechts) mit Präsident Papoulias (Foto: Kostas Tsironis, pool/AP/dapd)
Alexis Tsipras (rechts) mit Präsident PapouliasBild: AP

Der Staatsrechtler Giorgos Sotirellis ist der Auffassung, dass ein derartiger politischer Affront vermeidbar wäre. "Die Verfassung enthält nur deswegen keine konkrete Aussage zu dieser Frage, weil dem Staatsoberhaupt ein möglichst weiter Ermessensspielraum belassen wird. Er ist nicht verpflichtet, bestimmte Politiker ein- oder auszuladen", sagt Sotirellis der Tageszeitung "Ta Nea".

Neuwahlen als Notausgang

Sollte die Vermittlung des Staatspräsidenten keine Früchte tragen, dann müssten die parteipolitischen Manöver der vergangenen Tage unweigerlich in Neuwahlen münden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann die Wahlwiederholung allerdings nicht über Nacht beschlossen und durchgeführt werden. Erforderlich wäre zunächst, dass das am 6. Mai gewählte Parlament zu seiner konstitutierenden Sitzung zusammenkommt und erst anschließend, möglicherweise gleich am nächsten Tag, wieder aufgelöst wird. Nach herrschender Juristenmeinung würden erst zu diesem Zeitpunkt Neuwahlen offiziell ausgerufen, die frühestens nach Ablauf einer 20-Tage-Frist stattfinden würden. Das neu gewählte Parlament würde nach übereinstimmenden Medienberichten am 17. Mai zusammenkommen - Neuwahlen werde es dann möglicherweise am 17. Juni geben.

Sollte auch diese Wahl keinen eindeutigen Sieger hervorbringen, dann ließe sich das Ganze möglicherweise beliebig wiederholen. Einen Präzedenzfall dafür gab es noch nicht nach dem Ende der Militärdiktatur in Griechenland, mit einer Ausnahme in den achtziger Jahren, als eine Reihe von Korruptionsskandalen das Land an den Rand der Unregierbarkeit führte. Erst nach drei kurz aufeinanderfolgenden Wahlen konnte sich eine einigermaßen stabile Regierung unter Führung des konservativen Ministerpräsidenten Konstantinos Mitsotakis bilden. Davor kam der legendäre Sozialistenführer Andreas Papandreou vor ein Sondergericht, wurde aber später freigesprochen. Sein Anwalt hieß Evangelos Venizelos.

Griechischer Neonazi Nikolaos Michaloliakos (Foto: Petros Giannakouris/AP/dapd)
Der griechische Neonazi Nikolaos MichaloliakosBild: dapd