1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neue Enthüllungen von Wikileaks

27. Februar 2012

Wikileaks hat Tausende E-Mails des US-amerikanischen Strategieberatungsunternehmens Stratfor veröffentlicht. Experten sehen darin eine Art Revanche des Plattform-Gründers Julian Assange.

https://p.dw.com/p/14B1t
Porträt von Julian Assange bei der Pressekonferenz in London (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Bei der Pressekonferenz am Montag (27.02.2012) hat Julian Assange schwere Vorwürfe gegen Stratfor erhoben: Das US-Unternehmen betreibe "schäbige Geschäfte". Gegen Bezahlung beobachte es beispielsweise Aktivisten, die sich im indischen Bhopal mit einer Chemiekatastrophe beschäftigten, oder - im Auftrag von Coca Cola - Mitglieder der Tierschutzorganisation Peta.

Neue Unterlagen sollen jetzt zeigen, wie Stratfor seine Informanten rekrutiert und bezahlt. Laut Wikileaks stammen die E-Mails, die nun nach und nach veröffentlicht werden sollen, aus der Zeit zwischen Juli 2004 und Ende Dezember 2011. Am 26. Dezember war das US-Strategieberatungsunternehmen Stratfor Ziel eines Internet-Angriffs geworden, zu dem sich die "Operation Antisec" von Anonymous bekannt hatte. Der Angriff erhielt von der Gruppe den Namen "LulzXmas", eine Wortneuschöpfung aus den Worten "Lulz" (Spaß) und "Christmas" (Weihnachten).

Julian Assange wird bei der Presskonferenz umlagert von Journalisten (Foto: Reuters)
Julian Assange bei der Pressekonferenz in LondonBild: Reuters

Wer steckt hinter Stratfor?

In Deutschland ist Stratfor, das früher Strategic Forecasting hieß, eher unbekannt. In den hiesigen Medien wird es unter anderem als "privater US-Militärberater" bezeichnet. Nach eigenen Angaben liefert es geopolitische Analysen.

Porträt von Dr. Daniel Hamilton (Foto: DW/Christina Bergmann)
Dr. Daniel Hamilton, Direktor des Center for Transatlantic Relations der Johns Hopkins University in Washington D.C.Bild: DW

"In den USA hat Stratfor ein bisschen Aufmerksamkeit gewonnen, als sie in den späten Neunzigerjahren und Anfang des letzten Jahrzehnts Vorhersagen im Zusammenhang mit dem Irak und Al-Kaida gemacht hatten, die dann wahr geworden sind", sagt Daniel Hamilton von der Johns Hopkins University in Washington,"und seither glauben viele (Amerikaner, Anm. d. Red.), sie liefern gute Analysen.“

Im Prinzip sammelt das Unternehmen Informationen und verkauft sie an seine Kunden. "Die Firma kann man einordnen zwischen privatem Intelligence-Unternehmen und Sicherheitsfirma", meint der Kölner Politologe Thomas Jäger. "Was die Firma vor allem herstellt sind geo- und sicherheitspolitische Analysen, und die werden gewöhnlich exklusiv an die Abonnenten der jeweiligen Analysebriefe verteilt."

Porträt von Prof. Thomas Jäger (Foto: Privat)
Prof. Thomas Jäger, Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik der Universität zu KölnBild: privat

Beschädigter Ruf

Gerade für ein Unternehmen, das Kritiker gerne als privaten Geheimdienst bezeichnen, ist es äußerst peinlich, wenn private Daten entwendet werden. Stratfor selbst sagt zum E-Mail-Klau: "Das ist ein bedauerlicher, unglücklicher und illegaler Bruch der Privatsphäre". Ansonsten will Stratfor keine Stellung zu den Inhalten nehmen und sich auch nicht zur Echtheit der Dokumente äußern.

Stattdessen versuche das Unternehmen vor allem seine zahlenden Kunden zu beruhigen, sagt Jäger: "Wenn Sie auf die Homepage von Stratfor gehen, dann können Sie sehen, dass jetzt ganz erhebliche Anstrengungen unternommen werden, die Abonnenten davon zu überzeugen, dass es immer noch sicher und gut ist, diese Analysen zu beziehen. Es sind ja Kreditkartennummern der Abonnenten schon vor einiger Zeit veröffentlicht worden, auch von recht hochrangigen Persönlichkeiten. Henry Kissinger war darunter. Und das hat doch erheblich dazu beigetragen, den Ruf dieses Unternehmens in einen Zustand zu bringen, der wiederhergestellt werden muss." Die aktuellen Veröffentlichungen haben den Ruf weiter schwer beschädigt. Und noch sind nicht alle Dokumente öffentlich zugänglich.

Bildschirm mit der Homepage von Stratfor (Foto: ap)
Die Homepage von StratforBild: AP

"Eine Art Revanche"

Die Enthüllungsplattform Wikileaks teilte mit: "Die E-Mails zeigen das Informanten-Netz von Stratfor, die Honorarstruktur, Geldwäsche-Praktiken und psychologische Methoden". In mehr als 4.000 E-Mails des Unternehmens soll es um Wikileaks und dessen Gründer Assange gegangen sein. Sie sollen auch Informationen über das Vorgehen der US-Regierung gegen Julian Assange enthalten.

Dies könnte auch der Grund gewesen sein, warum sich Wikileaks Stratfor für seinen nächsten Coup vorgenommen hat. "Nach dem, was ich bisher gelesen habe, scheint es so, als ob Wikileaks gezielt gegen Stratfor vorgegangen ist, weil Stratfor seinerseits gezielt Analysen über Wikileaks gemacht hat“, so der amerikanische Politikwissenschaftler Hamilton. Er sieht die Veröffentlichung als eine Art Revanche.

WikiLeaks founder Julian Assange speaks at a news conference in London, February 27, 2012. The anti-secrecy group WikiLeaks began publishing on Monday more than five million emails from a U.S.-based global security analysis company that has been likened to a shadow CIA. REUTERS/Finbarr O'Reilly (BRITAIN - Tags: POLITICS MEDIA)
Julian Assange Pressekonferenz LondonBild: Reuters

Wie brisant das Material wirklich ist, kann derzeit noch nicht genau abgeschätzt werden. Hamilton geht aber nicht davon aus, dass die aktuellen Enthüllungen eine ähnliche Dimension wie die Veröffentlichung tausender Geheimdepeschen von US-Diplomaten im Jahr 2010 haben werden. Außenpolitik-Experte Thomas Jäger teilt diese Ansicht: "Auf der Homepage von Wikileaks sind erste Informationen und Zitate zu finden, die nicht darauf hindeuten, dass hier etwas ganz Überraschendes kommt.“

Noch sind allerdings nicht alle Dokumente veröffentlicht. Wikileaks hat nach Angaben seines Gründers mit "25 Medien aus aller Welt" mehrere Monate lang die Aktivitäten von Stratfor unter die Lupe gekommen. Herausgekommen sei ein Skandal enormen Ausmaßes. Der wird sich dann allerdings erst noch zeigen müssen. Aber Assange hat bereits angekündigt: "Die große Story wird in etwa drei bis vier Tagen herauskommen."

Autor: Marco Müller
Redaktion: Johanna Schmeller