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Wie groß ist die Terrorgefahr in Deutschland?

7. Dezember 2023

Ein verhindertes Attentat auf einen Weihnachtsmarkt, eine Messerattacke in Paris, Warnungen des Verfassungsschutz vor Anschlägen. Der Nahost-Krieg hat Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland.

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Blick auf mehrere Polizisten in Uniformen mit Helmen und Visier, die einer größeren Gruppe von Demonstranten gegenüberstehen
Berlin, Oktober 2023: Der Krieg zwischen Israel und der Hamas hat in europäischen Gesellschaften viele Proteste ausgelöstBild: Michael Kuenne/PRESSCOV/ZUMA/picture alliance

Politisch motivierte Kriminalität steht weit oben auf der deutschen Sicherheitsagenda. So löste die Tötung eines deutschen Touristen am vergangenen Wochenende in Paris neue Befürchtungen aus. Der Täter soll kriminell und psychisch krank gewesen sein. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll er mit der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sympathisiert haben.

Etwa zur gleichen Zeit nahmen die deutschen Behörden drei junge Männer fest, die im Verdacht stehen, Anschläge auf Weihnachtsmärkte geplant zu haben. Die Nachricht rief Erinnerungen an 2016 wach, als ein Mann - der ebenfalls als IS-Sympathisant galt - einen Lastwagen als Waffe einsetzte und damit über einen Berliner Weihnachtsmarkt fuhr. Bei dem Anschlag wurden 13 Menschen getötet. Der Angreifer wurde später von der Polizei in Italien erschossen.

Eine Reihe ausländischer und inländischer Akteure konfrontiere Deutschland derzeit "mit einer komplexen und angespannten Bedrohungslage aufgrund paralleler Krisen", beschrieb Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), kürzlich die Situation.

Porträt eines Manns mit kurzen Haaren und Brille in Hemd und Jackett, der ernst schaut
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für VerfassungsschutzBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Die Gefahren, die den Behörden am meisten Sorgen bereiten - gewalttätige Islamisten und weiße Rassisten - sind nicht neu. Aber Haldenwang sieht sie verstärkt "durch die barbarischen Verbrechen der Hamas". Die militärische Reaktion Israels hat in den europäischen Gesellschaften zahlreiche Proteste und politische Spannungen ausgelöst. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden im Gazastreifen, die der Hamas unterstellt sind, wurden dabei mehr als 15.000 Menschen getötet.

Einstufung der Bedrohung

Terrorismus ist eine Form der politisch motivierten Kriminalität (PMK), eine genaue Einschätzung der Bedrohung ist nicht einfach. Bis zum 4. Dezember zählte das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) 4200 Straftaten im Zusammenhang mit den Ereignissen im Nahen Osten seit dem 7. Oktober - dem Tag, an dem die Hamas Israel überfiel. Diese Zahl basiert auf täglichen Berichten der Landeskriminalämter und wird genutzt für die Bewertung der tagesaktuellen Gefährdungslage, wie ein BKA-Sprecher der DW mitteilte.

Die gemeldeten Fälle werden einzeln geprüft und bestimmten Motiven zugeordnet. Das dauert länger. Diese geprüften Meldungen für politisch motivierte Kriminalität liegen nach BKA-Angaben seit dem 7. Oktober bisher "bei rund 2000 PMK Straftaten im Kontext des aktuellen Nahost-Konflikts".

In 900 dieser 2000 Fälle geht das BKA von einer antisemitischen Motivation aus. "Im Schwerpunkt wurden antisemitisch motivierte Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen verzeichnet", teilte der BKA-Sprecher mit. Die Definition von Antisemitismus ist umstritten, ein Sprecher des BfV sagte der DW, es sei schwierig, friedliche Demonstranten, die ihre Grundrechte ausüben, von gewalttätigen Extremisten zu unterscheiden, die eine tatsächliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könnten.

Deutschland und der Krieg in Nahost: Gemeinsam gegen Hass

Aus der Sicht von BfV-Chef Haldenwang sind "Antisemitismus und Israelfeindlichkeit das verbindende Element zwischen Islamisten, deutschen und türkischen Links- und Rechtsextremisten und Anhängern extremistischer palästinensischer Organisationen." Das gemeinsame Feindbild Israel, so der Verfassungsschutz-Chef, brächten zwischen einigen Akteuren alte, aber auch neue Verbindungen hervor. Er versicherte, die Sicherheitsbehörden gingen aktiv gegen "jede Art von anti-israelischer und antisemitischer Hetze" vor.

Gefahrenabwehr oder Symbolpolitik?

Mitte 2022 waren nach Angaben des BKA über 500 Personen aus dem Bereich Islamismus als sogenannte Gefährder eingestuft. "Als "Gefährder" gilt nach Definition der Bundesregierung eine Person, bei der "bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird". Dazu kommen noch knapp 600 sogenannte "relevante Personen". Das sind Menschen, die innerhalb "des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers, und/oder eines Akteurs" einnehmen.

Die aktuellen Sicherheitsbedenken gehen jedoch weit über diese Personenkreise hinaus. In der Folge fordern Polizeigewerkschaften und politische Parteien mehr Sicherheit, mehr Rechte für die Behörden und strengere Gesetze. Die Umsetzung würde vor allem Einwanderer und Minderheiten betreffen. Polizeiexperten warnen davor, dass diese Schritte nicht unbedingt von harten Daten gestützt würden.

"Die Maßnahmen, die da gefordert werden, das ist reine Symbolpolitik. Das ist Populismus, um härtere Gesetze verabschieden zu können, aber auch, um eine rassistische Politik durchsetzen zu können", sagt Alexander Bosch, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. "Der objektive Bedarf ist gar nicht da. Der deutsche Staat ist gar nicht so schwach", ergänzt er im DW-Interview und weist darauf hin, dass Deutschland ein sehr sicheres Land sei.

Unterschied zwischen Worten und Terror-Taten

Es gibt ein subjektives Sicherheitsempfinden und eine objektive Bedrohungslage. Beides auseinanderzuhalten ist - besonders in einer politisch aufgeheizten Zeit - für die Strafverfolgungsbehörden eine große Herausforderung. Eine weitere Herausforderung besteht darin, den Unterschied zwischen Worten und Taten zu erkennen, erläutert Jonas Grutzpalk der DW. Er ist Herausgeber der Heftreihe "Polizei.Wissen".

So registriere der Verfassungsschutz wahrscheinlich vermehrt Empörung innerhalb der von ihm beobachteten Milieus, vermutet Grutzpalk. Aber dann stelle sich die Frage: "Wann tritt Empörung verbal in der Erscheinung und wann wird sie tatsächliche Gewalt?"

Von der Antwort auf diese Frage hängt ab, ob und wann die Sicherheitsbehörden aktiv werden. Immer verbunden mit der Gefahr, zu spät zu kommen - unabhängig von den Befugnissen und Ressourcen, die der Gesetzgeber ihnen zugesteht.

Grutzpak plädiert für mehr Prävention: "Terroristen abzuschrecken ist das eine. Aber mit ihnen so ins Gespräch zu kommen, dass sie gar nicht erst zu Terroristen werden, ist das andere." Der Polizeiexperte sagt, er hoffe, dass auf der Innenministerkonferenz der Länder und des Bundes nicht nur über mehr Sicherheit, sondern auch über mehr Prävention gesprochen werde.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.