Wie Israels Kriegskabinett funktioniert
15. April 2024Die Eskalation zwischen dem Iran und Israel hält die Welt in Atem. Am Wochenende hatte der Iran nach israelischen Angaben mit rund 300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern angegriffen. Dies sollte eine Vergeltung für einen Israel zugeschriebenen Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 1. April sein. Nun stellt sich die Frage nach der israelischen Reaktion, die laut dem Israel-Experten Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik weitreichend für die nähere Zukunft des Nahen Ostens sein könnte.
Wer entscheidet über Israels Reaktion?
Maßgebliche Entscheidungen trifft Israels Kriegskabinett, ein kurz nach Beginn des Israel-Hamas-Kriegs im Oktober ins Leben gerufenes parteiübergreifendes Gremium. Seine Aufgabe ist es, das Kriegsgeschehen zu lenken, wobei es rechtlich gesehen dem israelischen Sicherheitskabinett untersteht. Der iranische Angriff steht insofern in Verbindung zu Israels Krieg gegen die Hamas im palästinensischen Gazastreifen, als der Iran ein offener Unterstützer und Financier der radikalislamischen Terrororganisation ist.
Wer sind die Mitglieder des Kriegskabinetts?
Geführt wird das Kriegskabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von der konservativen Likud-Partei. Die zwei weiteren Mitglieder sind Verteidigungsminister Yoav Gallant, ebenfalls von Likud, und Benny Gantz vom Parteienbündnis HaMahane HaMamlachti. Eine Teilnahme abgelehnt hatte Oppositionsführer Jair Lapid.
Als Beobachter des Gremiums sind der pensionierte General Gadi Eisenknot, der Vorsitzende der Partei Schass, Arie Deri, sowie der Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer (Likud), eingesetzt. Diese haben zwar keine Stimme, nehmen jedoch an den Sitzungen teil.
Wozu braucht es eine Notstandsregierung?
Das derzeitige reguläre Kabinett von Netanjahu gilt als die am weitesten rechts stehende Regierung, die Israel je hatte. Dass das Kriegskabinett ausgewogener ist, dient laut Politikwissenschaftler Peter Lintl der besseren Legitimierung der weitreichenden politischen und militärischen Entscheidungen, die im Zuge des Krieges gegen die Hamas zu treffen sind. "Netanjahu hatte bereits durch die kontroverse Justizreform deutlich an Zuspruch verloren, und der Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober hat den Druck noch verstärkt", sagt Lintl.
Der Ministerpräsident habe Sorge haben müssen, dass den Krieg betreffende Entscheidungen ohne eine breite Koalition nicht durchsetzbar sein würden und dass dann Forderungen nach seinem Rücktritt laut werden könnten.
Wie verhält sich das Kriegskabinett zum Angriff des Iran?
"Ein militärischer Gegenangriff ist sehr wahrscheinlich, die Frage ist eher, wann, wie und wo", vermutet Peter Lintl. Die Gremiumsmitglieder hätten unterschiedliche Meinungen dazu, was ein angemessener Gegenschlag sein könnte. Denkbar seien auch symbolische Reaktionen oder Cyberattacken. "Man kann nur hoffen, dass ein israelischer Gegenschlag nicht sofort erfolgt und im Umfang begrenzt ist, um weitere Eskalationen im Nahost-Konflikt zu vermeiden" - so die Einschätzung des Politikwissenschaftlers.