Wie ist Santorini in der Nebensaison?
2. Mai 2023"Sarah, ich möchte auf eine dieser Inseln mit den weißen Häusern", sagte mein Vater vor einigen Wochen zu mir, als wir griechische Reiseziele recherchierten. Gemeint war damit natürlich die Insel Santorini, deren malerische Natur und Architektur weltweit bekannt sind. Obwohl ich die weniger bekannten Inseln Griechenlands bevorzuge - immerhin gibt es viele Hundert davon - entschieden wir uns schließlich doch für Santorini. Auch meinen Eltern zuliebe, die gerade aus Michigan zu Besuch waren.
Santorini bietet mehr als Selfie-Motive
Zwar halten viele die Insel für überbewertet und stören sich an den Touristenmassen, die für ihre Instagram-Kanäle filmen und fotografieren, anstatt sich auf die lokale Kultur einzulassen, dennoch ist Santorini eine atemberaubend schöne Insel. Ihre eindrucksvolle Landschaft entstand vor rund 3500 Jahren nach einem Vulkanausbruch. Besonders die kleinen Dörfer wie Emporio und Pyrgos sind charmant. Abenteuerlustige können sich auf eine Klippenwanderung zwischen den beiden Hauptorten Oia und Fira wagen.
Da wir zur Nebensaison angereist waren, fanden wir eine angemessen bezahlbare Unterkunft. Immerhin. In den Sommermonaten steigen die Preise für Hotelübernachtungen in Oia auf 500 Euro und mehr an, was übrigens einem halben Monatsgehalt eines griechischen Angestellten entspricht.
Mit der Partyinsel Mykonos ist Santorini eines der beliebtesten, aber auch teuersten Reiseziele in der Ägäis. Da 18 Prozent des griechischen Bruttoinlandprodukts vom Tourismus abhängen, kommt Santorini eine ganz besondere Bedeutung zu.
Das äußert sich auch in ganz banalen Dingen wie Kaffeepreisen. An unserem ersten Tag auf Santorini hatte ich vergessen, meinen Eltern zu sagen, sie sollen Kaffee in der örtlichen Bäckerei fernab der touristischen Hauptstraße kaufen. Mein Vater kam mit drei Espresso zurück und beklagte sich, dass er insgesamt 17 Euro bezahlt habe. Dabei kostet ein typischer Kaffee zum Mitnehmen in Griechenland normalerweise rund 2 Euro.
Großer Andrang nach Pandemie
Bei unserem Besuch Ende März waren die Vorbereitungen für die kommende Saison bereits in vollem Gange: Überall in Oia verpassten Arbeiter den markanten weißen Gebäuden einen frischen Anstrich, das Hämmern und der Krach von Bohrmaschinen erfüllte die Luft.
Vor der Pandemie zeigte sich die EU besorgt über den touristischen Ansturm auf Santorini. Im Jahr 2019 zählte die Insel zwei Millionen Besucher - nicht zuletzt, weil täglich bis zu 3000 Kreuzfahrtgäste kamen. In den fünf Jahren vor Ausbruch der Corona-Pandemie stiegen die Übernachtungszahlen auf Santorini um 66 Prozent.
Doch in den letzten Jahren hat sich die Sorge um den sogenannten Overtourism gelegt. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Nach der entbehrungsreichen Pandemiezeit versuchen griechische Tourismusunternehmen nun händeringend, Reisende ins Land zu locken. 2020 besuchten nur 7,4 Millionen Touristen Griechenland. Doch nun scheint sich die Branche zu erholen. Letztes Jahr registrierten griechische Flughäfen 31 Millionen internationale Ankünfte und übertrafen damit sogar die Zahlen von 2019.
Wird 2023 neue Besucherrekorde setzen?
Reiseleiter Kostas Sakavaras jedenfalls fühlt sich "überwältigt" vom Andrang. "Die Saison 2021 war bisher meine beste, mit einem gesunden Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit," verrät er mir. "2022 war anstrengender, und meine Buchungen für 2023 deuten darauf hin, dass es richtig anstrengend für mich wird."
Sakavaras und seine Frau betreiben das Caveland Hostel, welches schon jetzt bis Ende Oktober ausgebucht ist. Sakavaras sieht den Andrang mit gemischten Gefühlen entgegen. "Die Infrastruktur der Insel ist nicht für so große Besucherströme ausgelegt", erzählt er mir. "Die Müllbeseitigung und Verkehrssituation werden jedes Jahr zu einer größeren Herausforderung." Und tatsächlich fiel uns während unseres Besuchs viel Müll auf, der auf der Insel herumlag.
Ein Hoch auf die Nebensaison
In der Nebensaison hierher zu kommen war eine gute Idee. Unser Mietwagen war erschwinglich und wir standen nicht im Stau. Zudem waren genügend Bars und Restaurants geöffnet.
So viel zu den Vorteilen. Die Nachteile dieser Jahreszeit sind allerdings auch nicht unerheblich. So ist stürmisches Wetter keine Seltenheit und nachts fallen die Temperaturen erheblich.
Trotz der Kälte beobachteten wir in Oia viele junge, leicht gekleidete Frauen, die in farbenfrohen Outfits für Fotos posierten. Diese Urlauberklientel ist wahrscheinlich Santorinis Popularität in den sozialen Medien geschuldet. Vermutlich haben manche von ihnen ein Fotoshooting-Trip gebucht, um sich im besten Licht zu inszenieren. Tatsächlich ist es dieser selbstverliebte Instagram-Tourismus, der die Insel in Verruf gebracht hat.
Trotz großer touristischer Nachfrage sollte niemand vergessen, dass auch Einheimische auf Santorini leben. In Oia finden sich etwa zahlreiche Schilder, die von der Bürgerinitiative "Save Oia" aufgestellt wurden und Besucher daran erinnern, leise zu sein und sich von Privatgrundstücken fernzuhalten.
Was ist die beste Reisezeit?
Wenn es unbedingt nach Santorini gehen soll, empfehlen sich Frühling und Herbst, denn im Sommer ist es brechend voll. Trotz Touristenmassen ist die Insel einen Besuch wert. "Santorini ist nicht ohne Grund berühmt, denn die Schönheit ist wirklich einzigartig", resümierte meine Mutter nach unserer Reise. "Aber ich bin wirklich froh, dass wir in der Nebensaison gekommen sind."
Dieser Artikel wurde von Benjamin Restle aus dem Englischen übersetzt.