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Wie Kabul zu einer deutschen Schule kam

Marc von Lüpke-Schwarz3. September 2013

Ein deutscher Lehrer gründete 1924 in der afghanischen Hauptstadt Kabul die Amani-Schule. Sie sollte helfen, Afghanistan nach westlichem Vorbild zu modernisieren. Noch heute lernen Schüler dort Deutsch.

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Afghanische Schüler in Kabul (Foto: EPA/S. SABAWOON)
Bild: picture-alliance/dpa

Der afghanische Herrscher Amanullah hatte große Pläne. Seit er 1919 die Herrschaft über das Land übernommen hatte, wollte er sein abgeschiedenes Reich nach westlichem Vorbild modernisieren. Nur wenige Jahre zuvor waren Ausländer, die Afghanistan ohne Erlaubnis betreten wollten, noch mit dem Tod bedroht worden. Amanullah entfaltete ein großes Reformprogramm. Er gab dem Land seine erste Verfassung, die in der afghanischen Stammesgesellschaft für Sprengstoff sorgte.

Der Monarch garantierte Rede- und Pressefreiheit, vor allem aber wollte er auch die Stellung der Frau verbessern. 1928 ließ er sogar seine eigene Frau in einer öffentlichen Zeremonie den traditionellen Schleier abnehmen. Amanullah reformierte das Steuerwesen, die Armee und zielte zum Entsetzen der Geistlichkeit darauf, Staat und Religion voneinander zu trennen. Hierfür entzog der Herrscher den muslimischen Geistlichen das alleinige Recht, die Kinder zu unterrichten. Stattdessen wollte er die afghanischen Schüler lieber staatliche Schulen besuchen lassen.

König Amanullah (in der Mitte) beim Tee mit einer Gruppe,1927 (Foto: wikimedia) Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:King_Amanullah_Khan_with_a_group_of_people_in_1927.jpg Urpsrung: http://afghanistanonmymind.blogspot.com/2012/01/afghan-women-in-1920s-and-womens-rights.html
König Amanullah (in der Mitte) wollte Afghanistan reformierenBild: gemeinfrei

Ein Deutscher in Afghanistan

Diese Schulen mussten allerdings erst einmal gebaut werden. Da traf es sich gut, dass der deutsche Lehrer Walther Iven bereit war, in Afghanistan eine Schule zu gründen. Iven, der zuvor viele Jahre lang im Orient tätig gewesen war, ging mit großem Eifer an den Aufbau dieser Bildungsstätte. Am 15. April 1924 nahm die Königliche Amani-Oberrealschule in Kabul ihren Unterricht auf.

Amanullah setzte bei seinem Reformprogramm ganz besonders auf deutsche Hilfe, weil die Deutschen keinerlei territoriale Ansprüche in dieser Weltregion hegten. Ganz anders als zum Beispiel die Briten.

Die Amani-Schule

In der "Vorbereitung ihrer Zöglinge auf das Studium an deutschen Universitäten und Hochschulen mit dem Zweck, S. M. tüchtige höhere Beamte, Ingenieure, Ärzte und Lehrer zu beschaffen", bestand der Zweck der Amani-Schule. Ein Unterrichtsplatz hier war heiß begehrt: Während dort zu Beginn 120 Jungen unterrichtet wurden, waren es 1938 schon 900.

Die Amani-Schule heute, davor ein Schild mit der afghanischen und deutschen Flagge (Foto: dpa)
Die Amani-Schule heute, davor ein Schild mit der afghanischen und deutschen FlaggeBild: picture-alliance/dpa

Die Lehrer kamen wie Walther Iven aus Deutschland, und die deutsche Sprache stand selbstverständlich auf dem Lehrplan. In den Naturwissenschaften bildete Deutsch die Unterrichtssprache. Seit 1928 berechtigte ein Abschluss an der Amani-Schule sogar zu einem Studium an deutschen Universitäten.

Eine verwüstete Schule

Im Großen und Ganzen brachte König Amanullah die Reformpolitik allerdings kein Glück. Als "Ungläubigen" wurde er 1929 von Putschisten gestürzt. Unter dem Chaos, das dem Umsturz folgte, litt auch die Amani-Schule. Das Haus wurde geplündert und verwüstet. "Gegen den Vandalismus war ich ohnmächtig", vermerkte der resignierte Schulleiter Iven. Erst allmählich sollte sich die Schule davon erholen, die gestohlenen Bücher aus der Schulbibliothek konnte Walther Iven teilweise auf den Basaren Kabuls wieder zurückkaufen.

Der pensionierte Lehrer Detlef Meyer-Oehme, ein ehemaliger deutscher Lehrer der Amani-Schule mit einem Erinnerungsfoto (Foto: picture alliance / dpa)
Amani Schule - Lehrer Meyer-OehmeBild: picture-alliance/dpa

Bis 1941 unterrichteten deutsche Lehrer in Kabul, bis sie wegen des Zweiten Weltkrieges das Land Richtung Deutschland verlassen mussten, afghanische Lehrer unterrichteten weiter. Etwa 10 Jahre später kehrten aber Lehrer aus Deutschland zurück, um hier erneut afghanischen Schülern Deutsch beizubringen.

Ein Land im Chaos

Ab 1978 riss die Reihe an Hiobsbotschaften aus Afghanistan allerdings nicht mehr ab. In diesem Jahr putschten die Kommunisten und setzten den König ab, ein Jahr später marschierte die sowjetische Rote Armee ein. Afghanistan versank in Chaos und Krieg – aufständische Mudschaheddin kämpften einen immer brutaler geführten Krieg gegen die Sowjets und die Regierung. Angesichts der Gefahren verließen die deutschen Lehrer der Amani-Schule erneut das Land. Nachdem die Mudschaheddin 1992 gesiegt hatten, bekriegten sie sich wiederum gegenseitig. Als die Kämpfe um Kabul im Laufe dieses Jahres zu heftig wurden, musste die Amani-Schule erstmals in ihrer Geschichte geschlossen werden.

Ein afghanischer Schüler an der Tafel beim Deutschkurs in der Amani-Oberrealschule in Kabul (Foto: dpa)
Die Wörter an der Tafel sind deutsch, die Schüler Afganen. Deutsch-Unterricht an der Amani-Oberrealschule in KabulBild: picture-alliance/dpa

1996 marschierten die islamistischen Taliban in die Hauptstadt ein und errichteten ein Terrorregime. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden die Taliban wiederum von einer internationalen Koalition unter Führung der USA vertrieben.

Eine Schule mit Zukunft

Seither versucht die Weltgemeinschaft, den Afghanen beim Wiederaufbau ihres Landes zu helfen. Die Deutschen erinnerten sich ihrer alten Zusammenarbeit mit der Amani-Schule – und fördern diese traditionsreiche Bildungsstätte bis heute. Erneut ist die Amani-Oberrealschule so zu einem Symbol für die afghanisch-deutsche Zusammenarbeit geworden. Sie wird bestehen, auch wenn bis Ende 2014 alle internationalen Kampftruppen abgezogen sein werden.