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Tintoretto-Ausstellung zum 500. Geburtstag

Gaby Reucher
7. Oktober 2017

Jacopo Tintoretto zählt zu den größten italienischen Malern des 16. Jahrhunderts. Zu seinem 500. Geburtstag zeigt das Wallraf-Richartz-Museum Köln sein Frühwerk und präsentiert dabei ganz neue Forschungsergebnisse.

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Eva streckt dem zurückweichenden Adam den Apfel entgegen
Bild: bpk/Alinari Archives/Magliani, Mauro for Alinari

Er malte sie oft und gerne: die Frau als Verführerin. Nackte oder halbnackte Mägde und Musen, Prostituierte und Prinzessinnen oder auch Zeuginnen der biblischen Geschichte. Sie alle begegnen dem Betrachter beim Rundgang durch die Ausstellung "Tintoretto - A Star was Born" im Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Große Akte gehören zu den Hauptthemen des Frühwerks von Jacopo Tintoretto. Doch hat er all diese lieblichen, verführerischen Frauenantlitze wirklich selbst gemalt?

Der Kunsthistoriker und Tintorettoexperte Roland Krischel ist skeptisch. Selbst bei dem Bild "Der Sündenfall" schreibt er den Kopf der Eva Tintorettos Gehilfen, Giovanni Galizzi, zu. "Kein Portrait von jungen Damen ist von Tintoretto selbst gemalt. Seine Spezialität sind ältere Herren", meint Krischel und bezieht sich dabei auf Auftragsportraits, mit denen sich Tintoretto in jungen Jahren Geld verdiente. Giovanni Galizzi habe bei Tintorettos Gemälden oft nur die Köpfe gemalt, dann wieder bei großen Werken all die kleinteiligen Figuren. Auch die "gummiartigen" unförmigen Hände der abgebildeten Personen weist Krischel dem Gehilfen zu.

Roland Krieschel vor einem Tintoretto-Gemälde
Tintoretto-Experte Roland Krischel überrascht mit neuen ErkenntnissenBild: DW/G. Reucher

Der revolutionäre Wilde der Renaissance

Plastische Figuren in verdrehten Posen, dramatische Perspektiven und eine bis dahin nicht gekannte Raumtiefe sind die künstlerischen Stilmittel, mit denen der junge selbstbewusste Tintoretto Venedig aufmischte. "Er wollte die venezianische Malerei revolutionieren", erläutert Krischel. "Er setzt sich ab von der flächenhaften Malerei und lässt die Figuren förmlich aus dem Bild herausschießen." Dabei bediente er sich auch schon sogenannter "manieristischer" Stilmittel, wie überdehnte Gliedmaßen und starke Farbkontraste. Tintoretto galt als schneller, produktiver Maler, provokant und erfindungsreich. Er lockte seine Kunden nicht nur mit seinem Talent, sondern auch mit Sonderangeboten und listigen Tricks.

Die Konkurrenz schlief nicht, denn in Venedig blühte im 16. Jahrhundert der Handel und die Adligen waren kaufkräftige Kunden. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Zuge der Reformation lagen noch in der Ferne. Das lockte viele Künstler in die Stadt und führte zu einem Überangebot auf dem Kunstmarkt. Da galt es den Konkurrenten immer einen Schritt voraus zu sein und auf Neuerungen sofort zu reagieren, seien es neue Farben, Techniken oder Vorlagen. Tizian soll den begabten Assistenten und Rivalen Tintoretto seinerzeit aus Neid aus seiner Werkstatt geworfen haben.

Deckenbild das Deukalion und Pyrrha aus der giechischen Mythologie zeigt
Schockierend revolutionär wirkte Tintorettos Darstellung von Deukalion und Pyrrha an einer Decke. Durch die extreme Perspektive aus der Untersicht erscheinen die Gestalten verformt und ohne erkennbare Gesichter. Bild: Paolo Terzi

Kostbare Leihgaben aus Europa

Noch heute bestechen Tintorettos Bilder durch ihre Farbkraft und Dynamik. Gegen den Esprit eines Tintoretto galt Giovanni Galizzi eher als Handwerker. Dass er überhaupt Gehilfe des jungen Tintorettos war, ist eine neue Erkenntnis der Forschung. "Der junge Tintoretto wirft viele Forschungsfragen auf, das gab uns die Gelegenheit für dieses Forschungsprojekt", sagt Krischel. Das Wallraf-Richartz-Museum sieht die Ausstellung nicht nur als Auftakt zum 500. Geburtstag Tintorettos, sondern auch als Möglichkeit, einige der Frühwerke in einem ganz neuen Licht zu präsentieren.

41 Bilder von Tintoretto aus kleinen privaten Sammlungen und aus den großen Museen, etwa Amsterdam, Budapest, Rom, Venedig und Washington, sind in Köln zu sehen. Darüber hinaus Bilder von Zeitgenossen, die Ähnlichkeiten aufweisen oder Grafiken und Holzdrucke sowie Skulpturen, die Tintoretto als Vorlagen dienten. Alle Werke sind in den Ausstellungsräumen nach stilistischen und thematischen Gesichtspunkten in Gruppen geordnet. Zum Teil sind es kostbare und selten ausgestellte Leihgaben, etwa aus dem Prado in Madrid oder auch aus dem britischen Königshaus. "Wir haben jedem Leihgeber versprochen, dass er sein Bild mit einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnis zurückbekommen wird", erklärt Krischel und hält, was er verspricht.

Der Sohn eines Färbers will hoch hinaus

Selbstportrait Tintoretto
Selbstportrait von Tintoretto in jungen JahrenBild: Philadelphia Museum of Art

Wann genau Jacopo Robusti alias Tintoretto in Venedig geboren wurde, lässt sich nicht genau datieren. In der Kunstforschung hat man sich auf das Jahr 1518/19 geeinigt. Er ist der Sohn eines Färbers (Tintoretto heißt "Färberlein"), von kleinem Wuchs, hat große Ambitionen. Bei dem Maler Bonifacio de' Pitati geht er in die Lehre und arbeitet schon mit zwanzig Jahren in seiner eigenen angemieteten Werkstatt.

Tintoretto war getrieben von Ehrgeiz und malte in jungen Jahren viel, schnell und großformatig für Kirchen, Häuser und Paläste, aber er bemalte auch - wenn das Geld knapp war - Raumvertäfelungen, Möbel und Instrumente. Es sind neben den erotischen Gemälden vor allen Dingen religiöse und allegorische Werke, die tiefsinnig und oft doppeldeutig sind.

Tintoretto war kein Einzelkämpfer

Lange wurde Tintoretto für einen fleißigen, gerissenen Einzelkämpfer gehalten, doch das Gegenteil sei der Fall, meint Roland Krischel. Auf einer großen Karte Venedigs im 16. Jahrhunderts hat er die Wohnorte von Tintoretto und seinen Kollegen markiert. Man habe sich nicht nur gekannt und ausgetauscht, sagt Krischel. Der Kurator und Kunstexperte geht einen Schritt weiter. Er sieht Tintoretto in jungen Jahren als Subunternehmer.

Eingangshalle zur Tintoretto-Ausstellung
Hochkarätige Bilder aus renommierten Sammlungen im Wallraf-Richartz-MuseumBild: DW/G. Reucher

Es war damals üblich, dass große Künstler - wie auch Tizian - ihre eigenen Werkstätten hatten, in denen sie Assistenten beschäftigten. So soll auch Tintoretto in den Werkstätten Tizians und anderer Malerclans gearbeitet haben, während er im eigenen Atelier an seinem ganz persönlichen Stil feilte. "Unsere neuen Erkenntnisse beruhen auf reiner Indizienforschung", erläutert Krischel. "Ich bin schon gespannt auf die Reaktionen der Forscher, zum Beispiel über die Theorie, dass Tintoretto als Subunternehmer gearbeitet hat."

Der geheimnisvolle Assistent

Dass Tintoretto dabei auch in jungen Jahren schon selbst einen Assistenten, eben jenen Giovanni Galizzi beschäftigte, ist ebenfalls eine neue Erkenntnis. Lange galt Galizzi als unbekannter Maler, der Tintoretto kopierte. 1995 machte ein Aufsatz des amerikanischen Kunsthistorikers Robert Echols Furore, der zahlreiche Werke des jungen Tintoretto Giovanni Galizzi zuordnete.

Krischel und sein Forschungsteam vermuten, dass sich Galizzi und Tintoretto kannten, sich vielleicht das Atelier teilten und Galizzi dann als Assistent für Tintoretto arbeitete. Die Diskussionen um Galizzi seien aber längst noch nicht abgeschlossen und viele der Frühwerke Tintorettos nicht eindeutig zuzuordnen. "Das sind die selbstauferlegten Zwänge der Kunsthistoriker, die meinen, man müsse ein Bild immer einem Künstler und einem bestimmten Jahr zuordnen", sagt Krischel. "Galizzi hat ganz bestimmt an Tintorettos Bildern mitgearbeitet oder unfertige Werke später fertiggestellt", ist der Kunstexperte überzeugt. So sei es auch bei dem großformatigen "Liebeslabyrinth", das Krischel Tintoretto neu zugeordnet hat.

Darstellung eines kreisförmig angelegten Labyrinths aus Hecken mit Menschen die darin wandeln
Der viergeteilte Kreis des "Liebeslabyrinths" symbolisiert die Zyklen des Lebens von Frühling bis zum Winter, vom jungen Menschen bis hin zum Greis. Wer den langen verschlungenen Weg wählt, gelangt an den biblischen Tisch der Weisheit. Bild: Her Majesty Queen Elizabeth II

Anhand von Indizien, wie Form und Gestaltung der Bäume, die Mode der Frauenkleider und die Architektur, die auch in anderen Tintoretto-Bildern vorkommt, fand das Kölner Forscherteam heraus, dass Tintoretto 1541 wahrscheinlich nur die Landschaft und die Architektur vom "Liebeslabyrinth" malte. Giovanni Galizzi soll dann 10 Jahre später die kleinteiligen Figuren für einen Auftraggeber hinzufügt haben.

Dass Tintoretto in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in seiner Werkstatt mithilfe von Assistenten arbeitete ist nicht umstritten. Beim Frühwerk scheiden sich allerdings nach wie vor die Geister. Tintorettos frühen Werke sind in Köln noch bis zum 28. Januar 2018 zu sehen.