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Musik

Wie US-Rap deutschen HipHop prägte

Falk Schacht13. August 2015

Seit den 70ern gibt es die Rap-Szene in den USA. Wir erzählen, wie der US-Rap auch die deutsche Szene beeinflusst hat - in Musik und Filmen.

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USA Hip-Hop-Filme (Bildergalerie) Notorious
Bild: picture alliance/dpa/20th Century Fox

Die Kultur des HipHop, speziell die des Rap, entsteht in den frühen 70er Jahren in New York. Dabei gibt es zwei sehr unterschiedliche Arten, wie Rap performt wird. Zum einen gibt es DJs, die in teuren Clubs in Manhattan einem vornehmlich älteren, weißen Publikum über Disco-Songs Raps servieren. Andere DJs veranstalten in den Parks von ärmeren Stadtteilen wie der Bronx, die zu jener Zeit noch wie zerbombt aussehen, unkommerzielle Funkbreaks für Jugendliche.

Der historische Anteil der rappenden Disco-DJs, die in den schickeren Clubs auftraten, wird gerne im Narrativ der HipHop-Historie unterschlagen. Leider geht dabei verloren, dass genau dieses Spannungsfeld zwischen Mainstream und Untergrund bis heute dafür mitverantwortlich ist, dass HipHop und Rap ihren Siegeszug um den Erdball antreten konnten.

Sugar Hill Gang 1980
Sugarhill Gang lieferte mit "Rapper's Delight" einen der ersten weltweiten Rap-HitsBild: Picture-Alliance/Photoshot

Peinliche Anfänge: deutscher HipHop in den 80ern

Der Widerstreit der beiden Extreme zeigte sich bereits in den Reaktionen auf einen der ersten deutschen Rap-Songs. 1980 taten sich die drei Radiomoderatoren Thomas Gottschalk, Frank Laufenberg und Manfred Sexauer zusammen und nannten sich G.L.S. United. Sie nahmen die Single "Rapper's Deutsch" auf, eine Coverversion des HipHop-Klassikers "Rapper's Delight" der Sugarhill Gang. Die Drei folgten damals der langjährigen deutschen Tradition, Coverversionen von erfolgreichen englischsprachigen Titeln zu produzieren, um auf der Erfolgswelle dieser Hits mitzuschwimmen.

Während die HipHop-Szene von heute mit "Rapper's Deutsch" einen ironischen Friedensvertrag geschlossen hat und die Skurrilität des Songs im Vordergrund steht, galt die Single damals unter HipHop-Fans als vermintes Feindesland und ein Strauß an Peinlichkeiten. Alles Bräsige des deutschen Nachkriegshumors, alles Uncoole und der gewaltige Stock im Hintern der deutschen Popkultur konzentrierten sich hier im Fokus der Szenelupe. "Rapper's Deutsch" war alles, was Rap nicht sein sollte und nicht sein wollte.

Raps erst auf Englisch

Die achtziger Jahre sind bis zum Anschlag gefüllt mit peinlichen Rapversuchen der Mainstream-Popkultur. Von der deutschen Fußballnationalmannschaft mit Peter Alexander bis hin zum Boxer René Weller, der eher für sein Aussehen als für seine sportlichen Skills bekannt war. Dazu kamen TV-Moderatoren, Schlagersänger und andere B- und C-Promis, die peinliche Rapsongs in deutscher Sprache aufnahmen.
Das war einer der Hauptgründe, warum die Untergrund-Pioniere des deutschen Rap es noch bis in die frühen 90er hinein vorzogen, auf Englisch zu rappen. Cooler Style und die deutsche Sprache schienen sich gegenseitig auszuschließen.

Die deutschen Rapper der 80er versuchten nicht zwingend, eine deutsche Identität des HipHop zu entwickeln. Eher im Gegenteil. Die Abgrenzung zur eigenen Sprache, zur eigenen Musikszene und der eigenen Kultur waren der wichtigste gemeinsame Nenner der ersten deutschen Rapper. Es galt, möglichst "hardcore" zu sein und sich so weit wie möglich fernzuhalten von allem, was als kommerziell oder lustig gelten könnte. Ein weiteres Beispiel für das Spannungsfeld zwischen Mainstream und Untergrund: der berühmte Streit der HipHop-Szene mit den Fantastischen Vier, denen vorgeworfen wurde, Ausverkauf zu betreiben und nicht "echt" zu sein.

Die Fantastischen Vier 2001 (Foto: Getty Images/Sean Gallup)
Die Fantastischen Vier: Die Stuttgarter gehörten zu den ersten deutschen HipHop-Acts, die auf Deutsch rapptenBild: Getty Images/S. Gallup

Entwicklung eines deutschen Flows

Erst im Verlauf der 90er Jahre entstehen ernsthafte Versuche, sich sowohl vom US-HipHop als auch von der frühen eigenen Szene zu emanzipieren. Die Sprache ist dabei einer der Schlüsselfaktoren. Zuerst musste im deutschen Rap textliche Grundlagenforschung betrieben werden. Die bisher bekannten textlichen Muster hatten nicht ausgereicht, um an die aus dem US-Rap bekannte Leichtigkeit und Eleganz heranzukommen. Es gab so gut wie keine tradierten musikalischen Vorläufer, auf die man aufbauen konnte, um die hart und eckig klingende deutsche Sprache in eine flüssige Form, den "Flow", zu bekommen. Deutscher HipHop war wieder ein Kind, das von Null anfangen musste, laufen zu lernen. Wahrscheinlich ist dies einer der Gründe, warum deutscher HipHop in den 90er Jahren in weiten Teilen von Kids aus alteingesessenen deutschen Familien der Mittelschicht geprägt wurde.

Als die Sprachentwicklung weit genug vorangetrieben war, wurde die Beherrschung von Technik als Unterscheidungserkmal zwischen einem guten und einem schlechten Rapper immer unwichtiger. Stattdessen standen nun die unterschiedlichen Identitäten der Rapper im Mittelpunkt. Heute gibt es im deutschen Rap vom Fußballstadion-Rapper bis zum Eckensteher alle denkbaren Identitäten. US-HipHop hat mit seinen Styles immer noch großen Einfluss auf deutschen Rap, aber die Geschichten die erzählt werden, die Identitäten die gespiegelt werden, sind heute immer deutsche und keine Imitate US-amerikanischer Lebenswelten wie in den 80ern oder 90ern.

US Rap Künstler Afrika Bambaataa
US-DJ Afrika Bambaataa gilt als einer der Gründer des GenresBild: Getty Images/S. Gries

HipHop als universelle Sprache

Wie konnte eine so originär amerikanische Popkultur wie HipHop zu einer der größten Jugendkulturen der Welt werden? Genausogut könnte man fragen, wie es möglich war, dass die deutsche Schallplattentechnik ein weltweites Kulturgut werden konnte. Denn mit Emil Berliner war es ein hannoveranischer Niedersachse, der die Schallplatte erfand. Die Antwort lautet: Die Schallplatte ist eine technische Erfindung, die von jedem Musiker auf diesem Erdball mit seiner eigenen Musik bespielt werden kann. Und genau so eine Matrix ist auch HipHop – eine Kulturtechnik, die sich Menschen auch außerhalb New Yorks angeeignet haben. Weil es für sie Sinn macht und einen persönlichen Nutzen hat.

Neben vielen anderen Gründen spielt für den Erfolg der HipHop-Kultur in Deutschland aber auch hier wieder das Spannungsfeld zwischen Mainstream und Untergrund eine wichtige Rolle. Das ewige Ringen beider Seiten um die Vorherrschaft repräsentiert dieselben Kämpfe zwischen oben und unten, die sich in allen Gesellschaften wiederfinden. Was dazu führt, dass HipHop immer ein Abbild der Gesellschaft und ihrer jeweiligen Probleme darstellt. Themen wie Homophobie, Sexismus, Gewaltverherrlichung und andere Probleme finden ihren Widerhall im HipHop, weil sie wie ein gesellschaftlicher Rucksack in die HipHop-Kultur hineingetragen werden.

Rapper Haftbefehl (Foto: Robert Wunsch)
Rapper Haftbefehl hat mit seinen Lyrics kurdische, türkische, arabische und zazaische Wörter in den deutschen HipHop gebracht. Bekanntestes Beispiel: Seine Hit-Single "Chabos wissen wer der Babo ist"Bild: Robert Wunsch

Stimme der Stimmlosen

HipHop gibt nicht nur der jeweils vorherrschenden Kultur eine Stimme, wie es Radiopop und Schlager tun. HipHop spricht auch immer für jene, die bis dahin sprachlos waren. Als der Comedian Kaya Yanar 2001 seine erste eigene Sendung auf dem Privatsender Sat.1 bekam, war das eine kleine Sensation: ein Deutscher mit türkisch-arabischen Wurzeln hat eine eigenen Show im deutschen Fernsehen! Das damalige Staunen belegt, dass Stars mit Migrationshintergrund in Deutschland damals rar gesät waren. Vor allem das jugendliche Popstar-System hatte bis dahin entweder mit alteingesessenen Deutschen oder angloamerikanischen Sternchen funktioniert.

Unter den heutigen Jungstars befinden sich dagegen viele deutsche Rapper mit Migrationshintergrund. Während bis in die frühen Nullerjahre hinein Jugendliche dazu neigten, vornehmlich englische Slang-Ausdrücke in ihre Sprache einzubauen, existieren heute im deutschen HipHop kurdische, türkische, arabische, kroatische und andere Begriffe. Damit wird durch die HipHop-Kultur ein wichtiger integrativer Beitrag geleistet. Die Philosophin und Filmemacherin Hito Steyerl formulierte es einmal so: "Die Repräsentation in der Sphäre der Kultur ist eine Vorbedingung, um sich auch politisch zu repräsentieren." Genau dafür bietet HipHop seit 40 Jahren die entsprechenden Kulturtechniken, um sie mit seiner eigenen Identität zu bestücken. Und deshalb ist HipHop überall auf diesem Erdball bis in den letzten Winkel anzutreffen. Um es mit den Worten Afrika Bambaataas zu sagen, einem der drei Gründerväter der HipHop-Kultur: "HipHop is universal".

"Wie US-Rap deutschen HipHop prägte" ist ein Gastbeitrag von HipHop-Experte, Moderator und Musikjournalist Falk Schacht.