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Tag der Arbeit

Friederieke Schulz30. April 2007

Als das produzierende Gewerbe noch deutlich mehr Arbeitnehmer stellte als die Dienstleistungsbranche, war der 1. Mai ein Großereignis. Doch das ist vorbei. In Deutschland ist der Tag heute vor allem noch ein Feiertag.

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Fahnen und Demonstranten, Quelle: AP
Noch gibt es genügend StreikendeBild: AP

Etwa 100 Mitarbeiter des Versicherungskonzerns Allianz sind es, die sich in der Kölner Innenstadt versammelt haben. "Mutter Allianz verstößt ihre Kinder!" steht auf einem Transparent. Viele der Demonstranten schwenken die roten Fähnchen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Als die Angestellten der Allianz vor einem Jahr erfahren mussten, dass ihr Konzern 7500 Stellen abbauen will, standen sie zunächst regelrecht unter Schock. Kein Mitarbeiter einer deutschen Versicherung hatte je um seinen Arbeitsplatz bangen müssen. Eine Anstellung in dieser Branche galt über Jahrzehnte hinweg als gut bezahlter Job auf Lebenszeit.

Gute alte Zeiten

Für die Beschäftigten hatte es nie einen Grund gegeben, auf die Straße zu gehen oder auch nur einer Gewerkschaft beizutreten, sagt die Betriebsratsvorsitzende Gabriele Burghard-Berg. "Ich selbst bin 30 Jahre bei der Allianz, und ich bin einmal sehr stolz darauf gewesen, dass man mit mir als Mitarbeiter fair umgeht, dass Leistung und Gegenleistung zählt, dass wir insgesamt in einem Unternehmen arbeiten, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Das ist wohl vorbei."

Und so müssen Gabriele Burghard-Berg und ihre Kollegen nun zum ersten Mal im Leben um ihren Job kämpfen und werden auch bei der Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) tapfer ihre Fahnen schwenken.

Wenn es ernst wird ...

Bis vor einem Jahr hatten nur etwa 15 Prozent aller Allianz-Angestellten einen Ausweis der Gewerkschaft Verdi. Doch seitdem klar ist, dass der Arbeitsplatzabbau auch vor der Allianz nicht Halt macht, kann die Gewerkschaft täglich neue Mitglieder begrüßen. Diese Entwicklung sei auch in anderen Branchen zu beobachten, sagt Wolfgang Uellenberg. Er ist Regionsvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des bundesweiten Dachverbandes. "In dem Moment, in dem die Menschen merken, es geht an ihr Geld, es geht an ihren Arbeitsplatz, sind die bei uns Mitglied." Bei jungen Leuten, bei Frauen und bei Vollzeit-Berufstätigen steige die Mitgliederzahl deutlich, sagt Uellenberg.

Dass seine Organisation seit Anfang der 90er-Jahre fünf Millionen Mitglieder verloren hat und nur noch rund 20 Prozent aller Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert sind, erwähnt er jedoch nicht.

Losbuden und Varieté

Uellenberg gibt sich kämpferisch und will von einem Bedeutungsverlust der Gewerkschaften nichts wissen. Allein der große Zuspruch bei den traditionellen Mai-Kundgebungen zeige doch schon, dass die Menschen große Hoffnung auf den Deutschen Gewerkschaftsbund setzen würden.

Allerdings, so räumt er ein, würden die Reden von Jahr zu Jahr kürzer, weil die meisten eben doch nur kämen, um Bier zu trinken und sich zu amüsieren. Eine Entwicklung, der der DGB Rechnung trägt und den ersten Mai als Volksfest inszeniert – mit Losbuden und Varieté. Die Ära der pathetischen Mai-Reden sei einfach vorbei, seufzt Uellenberg und erinnert sich mit Wehmut an vergangene Zeiten. An die 50er-Jahre zum Beispiel, als der erste Mai ein politischer Feiertag war, an dem die Gewerkschaften auch für die Deutsche Einheit demonstrierten.

Oft missbrauchter Tag

Der erste Mai ist ein Feiertag mit wechselvoller Geschichte, untrennbar mit der Gewerkschaftsbewegung verbunden, die ihn ins Leben rief. Im Kaiserreich demonstrierten an diesem Tag Hunderttausende für einen Acht-Stunden-Tag und für das Recht, überhaupt Gewerkschaften zu gründen. Die Nationalsozialisten missbrauchten den Tag der Arbeit für Propaganda-Aufmärsche und Hetzreden, weswegen Neonazis bis heute gern am ersten Mai demonstrieren.

Auch in der DDR ging es nur vordergründig um Arbeiterrechte. Es war ein staatlich garantierter Feiertag, an dem die Beschäftigten geloben sollten, mehr zu produzieren. Nach sowjetischem Vorbild glich die Veranstaltung eher einer Militärparade denn einer freiwilligen Demonstration.