Wieder brutale Polizeigewalt in Belarus
11. Oktober 2020In der belarussischen Hauptstadt Minsk hat die Polizei eine Massendemonstration gegen den autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko gewaltsam aufgelöst. Die Sicherheitskräfte hätten Wasserwerfer und Blendgranaten eingesetzt, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Unabhängige belarussische Medien veröffentlichten Aufnahmen, auf denen vermummte Bereitschaftspolizisten, Soldaten sowie Männer ohne Uniform zu sehen waren, die sich aus nicht gekennzeichneten Minibussen heraus auf Demonstranten stürzten und auf sie einschlugen. Ein Journalist der unabhängigen Zeitung Nascha Niwa filmte wie Sicherheitskräfte offenbar Demonstranten mit Schusswaffen bedrohten.
Zahlreiche Festnahmen
Laut der Menschenrechtsorganisation Wjasna nahm die Polizei landesweit mehr als 280 Demonstranten fest, viele davon in der Hauptstadt. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete die kurzzeitige Festnahme einer ihrer Mitarbeiter in Minsk. Das belarussische Innenministerium will die Zahl der Festgenommenen erst am Montag bekanntgeben.
Mit Blick auf die Demonstration hatten die Behörden in Minsk eine Reduzierung der mobilen Internetdienste angeordnet und Armeefahrzeuge in das Stadtzentrum geschickt. Polizisten riegelten zahlreiche zentrale Straßen ab. Trotzdem beteiligten sich tausende Menschen an der Demonstration - viele von ihnen mit Regenschirmen.
Die Opposition hatte zu einem "Marsch des Stolzes" aufgerufen. Es war das mittlerweile neunte Protest-Wochenende in Folge. Vor einer Woche waren rund 100.000 Menschen zu den Demonstrationen gekommen. Seit der umstrittenen Präsidentenwahl Anfang August gehen die Menschen regelmäßig gegen Lukaschenko auf die Straße. Der 66-Jährige hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit bestätigen lassen. Die EU erkennt das Wahlergebnis aber nicht an. Die Opposition sieht Swetlana Tichanowskaja als wahre Siegerin.
"Unser friedlicher Protest hat schon Ergebnisse gebracht", schrieb Tichanowskaja nun bei Telegram. "Das Regime hat verstanden, dass es mit den Belarussen reden muss", sagte die 38 Jahre alte Bürgerrechtlerin mit Blick auf das Treffen Lukaschenkos mit inhaftierten Oppositionellen.
"Die Belarussen lassen sich nicht manipulieren"
Der Staatschef hatte am Samstag in einem Untersuchungsgefängnis des Geheimdienstes auch mit Mitgliedern des Koordinierungsrates für einen friedlichen Machtwechsel in Belarus gesprochen. Lukaschenko glaube, dass die Proteste ein Ende haben könnten, wenn er einen Dialog vortäusche, meinte Tichanowskaja. "Aber die Belarussen lassen sich nicht manipulieren."
sti/qu (afp, dpa, rtr)