Wieder Freispruch für weißen Polizisten
23. Mai 2015Die Anklage lasse sich nicht aufrecht erhalten, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Angeklagte Michael Brelo, ein ehemaliger Marine, war nach einer Verfolgungsfahrt auf die Motorhaube des verfolgten Wagens gesprungen und hatte fast 50 Schüsse durch die Windschutzscheibe abgegeben.
Er habe aber nicht mit Sicherheit wissen können, dass die beiden Schwarzen unbewaffnet gewesen seien, so der zuständige Richter John O'Donnell. Brelo habe deshalb angemessen gehandelt und sei deshalb vom Vorwurf der Totschlags und der schweren Körperverletzung freizusprechen.
"Keine Gerechtigkeit – Kein Friede"
Der Angeklagte habe sich in einer schwierigen Stresssituation befunden. Es sei an einem unbekannten Platz gewesen, zudem nachts und umgeben von Schüssen, Sirenen und den blinkenden Warnleuchten der Polizeifahrzeuge.
Unmittelbar nach dem Urteilsspruch protestierten zahlreiche Menschen vor dem Gerichtsgebäude in Cleveland. Sie riefen "Keine Gerechtigkeit – Kein Friede". Die Polizei beobachtete die Demonstration in Kampfausrüstung. Der Angeklagte dagegen brach in Tränen aus. Im Falle einer Verurteilung hätten ihm bis zu 20 Jahre Gefängnis gedroht.
Die beiden Afroamerikaner Timothy Russel und Malissa Williams waren der Polizei aufgefallen, als sie mit ihrem Wagen an einer Polizeistation vorbeifuhren und der Motor Fehlzündungen erzeugte. Die Polizisten hielten dies für Schüsse. An der anschließenden Verfolgungsjagd über 30 Kilometer beteiligten sich zahlreiche Polizisten. Insgesamt feuerten sie 137 Schüsse auf das Fahrzeug der beiden Afroamerikaner ab. Fünf weitere Polizisten müssen sich in diesem Zusammenhang im Juni wegen geringfügiger Vergehen vor Gericht verantworten, sechs andere wurden disziplinarisch bestraft. Die beiden Getöteten waren polizeibekannt und mehrfach wegen Eigentums- oder Drogendelikten verurteilt worden.
Weiße Gewalt
In den vergangen Wochen und Monaten hatte es in mehreren US-Städten teils gewalttätige Proteste gegeben, nachdem weiße Polizisten unbewaffnete Schwarze erschossen hatten oder Afroamerikaner in Polizeigewahrsam ums Leben kamen.
Zu diesen Städten zählt auch Cleveland Ohio. Hier wurde im vergangenen November der erst zwölfjährige afroamerikanische Junge Tamir Rice auf einem Spielplatz erschossen, weil er eine Spielzeugpistole bei sich hatte.
Der jüngste Fall ereignete sich in Baltimore, wo der 25-jährige Schwarze Freddie Gray seinen schweren Verletzungen erlag, die er sich im Polizeigewahrsam zugezogen hatte. Sechs Polizisten sind hier des Mordes angeklagt.
Der Richter in Cleveland war sich bei seinem Urteilsspruch der Brisanz sehr wohl bewusst. Aber der Argwohn und die Feindschaft zwischen der Polizei und den Leuten könne nicht durch ein Urteil in einem einzigen Kriminalfall beseitigt werden, sagte O'Donnell.
gmf/se (afp, ap, dpa, rtr)