Wien will sich nicht nur auf EU verlassen
2. März 2021Bei Corona-Impfstoffen der nächsten Generation, die auch vor neuen Virus-Mutanten schützen, will sich Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht mehr allein auf die EU verlassen. Die Strategie, bei der Beschaffung und Zulassung von Impfstoffen über die EU zu gehen, sei "grundsätzlich richtig" gewesen, erklärte Kurz in Wien. Doch sei die Europäische Arzneimittelagentur EMA bei den Zulassungen "zu langsam" gewesen und es komme "zu Lieferengpässen" der Pharmahersteller..
Bei der Vorbereitung auf weitere mögliche Mutationen sollte Österreich deshalb "nicht mehr nur von der EU abhängig sein bei der Produktion von Impfungen der zweiten Generation", sagte der konservative Regierungschef weiter. Gemeinsam mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen reist er deshalb am Donnerstag nach Israel, um eine gemeinsame Produktion von Impfdosen der zweiten Generation sowie eine Zusammenarbeit bei der Erforschung von Behandlungsmöglichkeiten zu vereinbaren.
Kurz ließ erkennen, dass seine Initiative eher langfristig angelegt ist. Er berief sich auf Schätzungen von Experten, wonach auch in den nächsten Jahren rund zwei Drittel der Bevölkerung jährlich gegen COVID-19 geimpft werden müssten - dies seien in Österreich sechs Millionen Menschen. Frederiksen wies ebenfalls darauf hin, dass sichergestellt werden müsse, dass "wir auch in einem Jahr, und in zwei, drei, fünf und zehn Jahren genügend Impfdosen haben".
Brüssel auch in Deutschland in der Kritik
Die EU-Kommission steht auch in Deutschland in der Kritik, weil sie für die Beschaffung der Corona-Impfstoffe zuständig ist und die Mengen vorerst nicht ausreichen. Die Impfkampagne in der EU läuft zudem viel langsamer als etwa in Israel oder Großbritannien. Dennoch spielte die Kommission die Bedeutung der österreichisch-dänischen Initiative herunter. "Ich glaube, es gibt seit jeher große Unterstützung für die Impfstrategie, die sich auf Zusammenarbeit und Koordinierung der Mitgliedstaaten stützt", sagte ein Sprecher in Brüssel. Zur beschleunigten Entwicklung von Impfstoffen gegen Coronavirus-Varianten habe die Kommission bereits die Initiative ergriffen. Dafür sollten auch die Zulassungsverfahren der EMA gestrafft werden.
Die Präsidentin des österreichischen Verbands der Impfstoffhersteller, Renée Gallo-Daniel, verteidigte das Vorgehen der EMA. Deren oberstes Zeil sei es gewesen, die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität von Impfstoffen" zu prüfen, und dies brauche "seine Zeit", sagte sie dem Sender Ö1. Den Vorstoß von Kurz bezeichnete sie als "innovativ", wies aber gleichzeitig darauf hin, dass es bis zu Errichtung einer Impfstoff-Produktionsstätte "fünf bis zehn Jahre" dauern könnte.
Österreichs Nachbarländer Slowakei, Ungarn und Tschechien sind bereits aus der EU-Linie ausgeschert und haben ihre eigenen Zulassungen für russische und chinesische Vakzine erteilt.
uh/qu (dpa, afp)