"Wilderei ist ein Milliardengeschäft"
31. August 2014Wildleaks ist die erste abgesicherte und anonyme Internet-Plattform ihrer Art: Jeder kann dort Straftaten wie Wilderei oder andere Verbrechen und Verstöße melden, die Tiere oder Wälder betreffen. Die Hinweise sollen dann dazu genutzt werden, vor Ort aktiv zu werden. Leiter des Projekts ist Andrea Crosta, der Geschäftsführer der Elephant Action League, die Wildleaks ins Leben gerufen hat.
DW: Welche Hinweise erhalten sie bei Wildleaks?
Andrea Crosta: Alle möglichen. Uns wurden verbotene Jagden auf Tiger in Nord-Sumatra mitgeteilt, Schimpansenschmuggel in Zentralafrika, das Wildern von Elefanten und illegaler Elfenbeinhandel, verbotenes Abholzen in Mexiko, Malawi und Russland, auch rechtswidriges Fischen vor Alaska. Pro Woche erreichen uns im Schnitt fünf bis sieben solcher Hinweise. Drei bis vier davon sind dann üblicherweise so stichhaltig, dass wir in den Fällen weiter ermitteln.
Wer ermittelt denn da, und wie?
Wir haben drei Möglichkeiten: Wir können selber Ermittlungen einleiten, mit unseren eigenen Leuten und in Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Wir können die Informationen auch an andere Nichtregierungsorganisationen weitergeben, die sich auf einem bestimmten Gebiet besser auskennen, oder wir leiten unser Wissen an zuständige Strafverfolgungsbehörden weiter.
Wir wissen zum Beispiel, dass Elfenbein oft über die Häfen in Mombasa in Kenia und Daressalam in Tansania aus Afrika exportiert wird. Da sind wir vor Ort und versuchen Whistleblower-Netzwerke aufzubauen. Wir versuchen, so viele Informationen wie möglich über diese Verbrechergruppen zusammeln.
Das hört sich ziemlich heikel an.
Das ist es auch. Einige aus meinem Team - ich eingeschlossen - waren einmal bei Sicherheitsdiensten, Geheimdiensten oder beim Verfassungsschutz tätig. Ich selbst mache das schon seit fast 20 Jahren. Wir wissen, wie man so etwas angeht, ohne dass es jemand mitbekommt, ohne ungewollte Aufmerksamkeit zu erregen.
Warum haben die Bewohner vor Ort denn so viel Angst?
Weil sich mit Wilderei und ähnlichen Verbrechen viel Geld machen lässt. Das ist ein Multi-Milliarden-Dollar-Geschäft. Beim Elfenbeinhandel zum Beispiel sind sowohl in Afrika als auch in Empfängerländern in Asien einflussreiche Leute beteiligt: das organisierte Verbrechen, korrupte Politiker und Regierungen und korrupte Sicherheits-Beamte genauso wie angesehene Unternehmen, die ihre Import- und Export-Lizenzen für Schmuggel missbrauchen.
In einigen afrikanischen Ländern haben solche Leute überall das Sagen. Deshalb kann ich die Angst der Menschen dort gut verstehen. Wenn man seine Informationen nicht anonym weitergibt, kann es sehr gefährlich werden.
Wie anonym ist Wildleaks denn?
Es ist völlig anonym. Nicht einmal wir wissen, wer uns etwas schickt und wo die Informationen herkommen. Unsere Seite basiert auf dem sogenannten Tor-Netzwerk. Eine bessere Technologie, die Nutzer zu schützen, gibt es auf dem Markt nicht.
Wie groß ist das Problem mit der Wilderei und dem Schmuggel von Tieren?
Ein Paar Stoßzähne sind in Kenia drei oder vier Jahresgehälter wert. Je nach Region können die Wilderer einige hundert Dollar dafür bekommen. Das ist dort sehr viel Geld. Auf dem Weg nach Asien steigen die Preise dann schnell an. Auf dem Schwarzmarkt in China werden dann schon 3000 Dollar pro Kilogramm gezahlt. Die Preise für Elfenbein und Nashorn-Horn sind in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Der Schmuggel lohnt sich wieder richtig. In China ist die Nachfrage nach solchen Produkten stark gestiegen. Die Mittelklasse dort kann sich jetzt mehr leisten. Die Kartelle, die in den Elfenbeinschmuggel verstrickt sind, begehen auch andere Verbrechen wie Menschen- oder Drogenhandel. Das Problem ist also äußerst vielschichtig. Um so wichtiger ist es dabei, gemeinsam gegen die Verbrecher vorzugehen. So weit sind aber leider noch nicht.
Glauben Sie trotzdem daran, dass sie Erfolg haben werden?
Wir ermitteln gerade in drei großen Fällen, alle betreffen Elfenbeinhandel in Afrika. In einigen Monaten werden wir vermutlich mehr wissen. Dabei geht es uns nicht um die kleinen Fische. Wir versuchen, die Netzwerke der Wilderer zu durchdringen und zu verstehen. Unser Ziel ist, die Hintermänner dingfest zu machen.