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Wilhelmshaven: Die Öldrehscheibe Deutschlands

Godehard Weyerer16. Februar 2014

Wilhelmshaven an der deutschen Nordseeküste ist Ausgangspunkt der Nord-West-Ölleitung, durch die seit 1958 fast eine Milliarde Tonnen Öl ins Land gepumpt wurde. Auch die größten Tanker können hier anlegen.

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Tanker Eliza an der Löschbrücke
Bild: NWO-Foto/Foto-Design Klaus Schreiber

Die schmale, fast 700 Meter lange Zufahrt, die die Löschbrücke draußen im Meer mit dem Festland verbindet, ist gerade breit genug für ein Auto. Unter dem Steg verlaufen die Rohre, durch die das Erdöl von den Schiffen in die riesigen Tanks an Land gepumpt wird. An der 1,2 Kilometer langen Brücke können drei Tanker gleichzeitig abgefertigt werden. Heute ist es nur ein Schiff. Schichtmeister Rolf Wachowiak kontrolliert den Lösch-Vorgang. "Das ist die Bonita, die bringt 106.000 Tonnen Öl aus Russland, Russian Export Blend."

In 20 Stunden, schätzt Wachowiak, legt der Tanker wieder ab. Über drei blau lackierte Verladearme kommt das Öl an Land. Es wird gelöscht - ein Begriff aus der Seefahrt, der mit der Brandbekämpfung der Feuerwehr nichts zu tun hat. Die Kreiselpumpen im Schiffsbauch laufen auf Hochtouren. Zu hören sind sie auf der Brücke nicht. Auch die See ist ruhig. Die Bonita liegt festvertäut und rührt sich keinen Zentimeter vom Fleck. "Sobald wir merken, es kommt schlechtes Wetter, bringen wir zusätzliche Leinen aus." Bei 40 Knoten Windgeschwindigkeit ist aber Pumpstopp. Wachowiak: "Wir warten, bis das Wetter wieder besser wird, dann fangen wir wieder an."

Luftaufnahme Nord West Ölleitung Tanklager
Das Tanklager aus der Luft: Ein Fünftel aller deutschen Öl-Importe kommt hier anBild: NWO-Foto/Foto-Design Klaus Schreiber

Wassertiefe spricht für Wilhelmshaven

Eine Milliarde Tonnen Rohöl wurden in den vergangenen 56 Jahren im Ölhafen Wilhelmshaven gelöscht und flossen durch die angeschlossenen Pipelines zu den Raffinerien in Nord- und Westdeutschland. Jörg Niegsch ist seit 2011Geschäftsführer der Nord-West-Oelleitung GmbH, die Ölhafen, Tanklager und Pipelines betreibt. "Im Februar 1956, also genau vor 58 Jahren, wurde die Entscheidung für Wilhelmshaven getroffen."

Als Alternative stand ein zusätzlicher Petroleumhafen in Rotterdam zur Diskussion. "Wilhelmshaven hatte gegenüber Rotterdam den Riesenvorteil, dass die Wassertiefe deutlich ausgebaut werden kann." Man habe heute eine gesicherte Wassertiefe von 18 Metern, nach Anmeldung könnten auch Schiffe und Tanker gelöscht werden, "die 21 Meter Tiefgang haben, und somit fast zehnmal größer sind als das 1956 geplant wurde."

Laufen die mega-großen Tanker Wilhelmshaven an, wird notfalls die Liegewanne ausgebaggert. Oft kommt das nicht vor. Meist haben die Schiffe in Rotterdam einen Teil ihrer Ladung bereits gelöscht. Rotterdam ist Europas größter Umschlagplatz für Rohöl geblieben, Wilhelmshaven seit nunmehr 56 Jahren Deutschland einziger Einfuhrhafen. Auf dem 170 Hektar großen Betriebsgelände stehen 35 kreisrunde, weiß lackierte Tanks - alle 13,5 Meter hoch. 1,6 Millionen Kubikmeter Öl haben hier Platz. Die Tanks, erläutert Niegsch, dienten als Zwischenlager, um die Mengen aus einem Tanker relativ schnell aufzunehmen, "um es anschließend kontinuierlich über die Pipelines an die Raffinieren abzugeben."

Die blaulackierten Verladearme
Der Öldurst ist auch in Deutschland groß. Über Verladearme wird das Öl aus den Schiffen gepumptBild: NWO-Foto/Foto-Design Klaus Schreiber

Ein Fünftel des Erdöls

Von Wilhelmshaven aus werden eine Raffinerie im Emsland, zwei in Gelsenkirchen und zwei in Köln versorgt. In Deutschland werden pro Jahr rund 100 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet. Über Pipelines aus Rotterdam, Triest, Marseille und aus Russland kommt der Rohstoff ins Land und zu 20 Prozent über die Anlage in Wilhelmshaven.

Dort wo der Zufahrtsweg auf die Löschbrücke trifft, steht das Brückenhaus. Im ersten Stock ist der Arbeitsplatz von Schichtmeister Rolf Wachowiak - Schreibtisch, zwei Bildschirme, ein Funksprechgerät. Draußen fährt ein Bus zum Löschkopf Zwei dahin, wo der Tanker liegt, der gerade gelöscht wird. "Die, die von Bord können, das sind ja einige, die abkömmlich sind, der 1. Offizier nie, der Kapitän schon eher, die fahren dann schon an Land, die rufen sich dann vom Löschkopf den Bus." Rolf Wachowiak hat heute Morgen um sechs Uhr mit der Arbeit begonnen, um 13 Uhr ist Feierabend. Am Wochenende teilen sich zwei Schichten die Arbeit. Nachts wird genau so gearbeitet wie an Feiertagen. Rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr laufen die Tanker Wilhelmshaven an. Da kennt man seine Pappenheimer, sagt Rolf Wachowiak und wirft einen Blick in die Statistik: "Die Bonita war sechs mal hier, zum ersten Mal 2006."

Schichtmeister Rolf Wachowiak
Schichtmeister Rolf Wachowiak an Bord der BonitaBild: DW/G. Weyerer

Schrumpfender Markt

277 Tankschiffe machten 2012 in Wilhelmshaven fest; vergangenes Jahr wurden noch 233 im Ölhafen gelöscht. Rückläufig sind auch die Umschlagszahlen - von 21,5 Millionen Tonnen Rohöl fielen sie auf 18,1 Millionen Tonnen. Der Ölmarkt ist ein schrumpfender Markt. Raffinerien wurden bereits geschlossen. Nur die modernsten Anlagen bleiben im Markt, sagt Jörg Niegsch, der Geschäftsführer der Nord-West-Oelleitung GmbH. Die Raffinerien, die sein Unternehmen versorgt, zählt er dazu.