Wind und Sonne aus Afrikas Süden
26. Mai 2022Das Namibia-Haus in Davos, der kleinen Stadt in den Schweizerischen Alpen, kann man nicht übersehen: Es ist zum WEF über und über mit Plakaten bedeckt, die auf die Ressourcen erneuerbarer Energien in dem südafrikanischen Land hinweisen.
Das Haus brummt vor Geschäftigkeit: Im Erdgeschoss werden Geschäfte abgeschlossen, in einem anderen Geschoss finden umfassende Investoren-Sitzungen statt: Namibia gibt Gas bei seinem ersten Auftritt vor der globalen Wirtschaftselite in Davos.
Namibia hat vor allem Sonne und Wind zu bieten. Das Land mit der langen Küste am südlichen Atlantik mit etwa 2,5 Millionen Einwohnern gehört zu den trockensten Ländern der Welt und verzeichnet rund 3500 Sonnenstunden im Jahr. Namibia will Sonne und Wind zur Produktion von sogenanntem Grünen Wasserstoff aus Meerwasser nutzen. Auf diese Energiequelle setzt die Europäische Union beim Kampf gegen den Klimawandel als Alternative zu fossilen Brennstoffen..
"Hier ist das Land mit den nötigen Ressourcen. Dieses Land nimmt das ernst", sagt Obeth Kandjoze, Vorsitzender von Namibias Green Hydrgen Coucil. "Wir sind zum WEF gekommen, um der Welt zu sagen: Wir sind bereit. Wir sind hier, um Geschäfte zu machen."
Der große Plan
Grüner Wasserstoff, der anders als "grauer Wasserstoff" erneuerbare Energien nutzt, um Wasserstoffmoleküle aus Wasser zu gewinnen, ist ein Grundpfeiler für die Pläne der EU, bis 2050 klimaneutral und gleichzeitig von Energieträgerimporten aus Russland unabhängig zu werden.
In diesem Monat hat die Europäische Kommission angekündigt, sie wolle jährlich zehn Millionen Tonnen Grünen Wasserstoff importieren, um fossile Brennstoffe teilweise zu ersetzen. Gleichzeitig hatte Brüssel mit dem REPowerEU-Plan die Wasserstoff-Zielmarken für 2030 verdoppelt.
Begierig, ein Stück von diesem Kuchen abzubekommen, sind die Namibier in den vergangenen Monaten durch Europas Hauptstädte gereist. Dem Land im Südwesten Afrikas, das vor allem Diamanten und Uran exportiert, schlägt durchaus Interesse entgegen: aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden etwa.
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar, sagt Obeth Kandjoze, der auch Namibias nationaler Planungsbehörde vorsteht, zur DW, habe das Interesse und auch die Nachfrage nach den Angeboten seines Landes zugenommen.
Die Regierung in Berlin hat 40 Millionen Euro versprochen, um der ehemaligen deutschen Kolonie bei der Entwicklung der zukunftsträchtigen Energiequelle zu helfen. Berlin erwartet, dass ein Kilogramm namibischen Wasserstoffes zwischen 1,5 und zwei Euro kosten wird.
"Das wäre der wettbewerbsfähigste Preis weltweit und wäre ein riesiger Standortvorteil für Wasserstoff "Made in Namibia"", sagte die ehemalige Wissenschaftsministerin Anja Kartliczek im August letzten Jahres, als sie einen Vertrag zur Wasserstoffproduktion in dem afrikanischen Land unterzeichnete. "Wir brauchen sehr viel Wasserstoff, wir brauchen ihn schnell und zu niedrigen Kosten. Namibia bietet das alles."
Deutsche Verbindungen
Namibia, eines der politisch stabilsten Länder Afrikas, gerät seit einigen Jahren wirtschaftlich immer mehr unter Druck - wegen des drastischen Verfalls der Rohstoffpreise, wegen einer Dürre, der COVID-19-Pandemie und aktuell wegen des Ukraine-Krieges. Das alles treibt die Preise und verschärft den Mangel an Lebensmitteln. Gleichzeitig ist das Land von Energieimporten abhängig.
Das Land, das als erstes auf dem Kontinent dem Schutz der Umwelt Verfassungsrang eingeräumt hat, hofft nun auf Grünen Wasserstoff als Motor für eine wirtschaftliche Gesundung.
Mit dem südafrikanischen Tochterunternehmen der deutschen Firma Enertrag (einem Erzeuger von Energien aus erneuerbaren Quellen) hat Namibia ein Joint Venture namens Hyphen Hydrogen Energy gegründet, das erste Unternehmen seiner Art im Land. Es soll einmal 300.000 Tonnen Grünen Wasserstoff pro Jahr produzieren.
Das Projekt soll etwa zehn Milliarden Dollar kosten, ein ehrgeiziges Unternehmen in einem Land, dessen Bruttosozialprodukt bei gerade einmal 12 Milliarden Dollar liegt. Laut Kandjoze sucht Hyphen gerade nach Investoren. Das Land selbst, sagt er, erwäge, Anleihen aufzulegen, um Projekte mit Grünem Wasserstoff zu finanzieren. "Bislang haben wir den Markt noch nicht getestet, aber wir glauben, alles zu haben, was es braucht, um jetzt zu starten."
Grüner Wasserstoff - ein unsicheres Investment
Noch ist Grüner Wasserstoff nicht mehr als ein Nischenprodukt. Die Technologie hat sich noch nicht im großen Maßstab bewiesen und ist daher eher eine unsichere Wette auf die Zukunft.
Es gibt noch weitere Unsicherheiten: Der Elektrolyse-Prozess, mit dem Wasserstoffmoleküle aus dem Wasser gelöst werden, ist teuer. Die Produktion ist noch teurer, wenn man, wie es Namibia plant, Meerwasser dazu benutzt. Das muss nämlich erst destilliert werden, das kostet ebenfalls viel. Der Transport des fertigen Gases ist auch noch eine Herausforderung.
"Wir gehen lieber Risiken für eine bessere Zukunft ein und setzen das Geld ein, um die Umwelt zu sauberer zu machen", sagt Kanjoze. "Wir sind ein Land, das in einem Jahr unter grausamer Dürre leidet und im nächsten von Überschwemmungen heimgesucht wird. Wir gehen lieber Risiken ein, als einfach nur abzuwarten."
Im Davoser Namibia-Haus scheint das Projekt "Grüner Wasserstoff" potentielle Investoren aber anzusprechen. Die Investoren-Veranstaltung mit Namibias Präsident Hage Geingob war jedenfalls überbucht.
Sven Thieme von O&L, Namibias größter privater Firmengruppe, die ebenfalls als Pilotprojekt ein Werk zur Herstellung von Grünem Wasserstoff baut, sagte zu DW: "Wir sind überwältigt von dem Interesse, das uns hier in Davos entgegenschlägt - und zwar von allen möglichen Entwicklungs- und Investmentagenturen und auch von möglichen Technologie-Partnern."
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt.