Schnee nicht vom Himmel
29. Dezember 2008Leise rieselt der Schnee, aber laut surren die Schnee-Erzeuger, umgangssprachlich Schneekanonen genannt. Wie die funktionieren, weiß in Winterberg jedes Kind: Ein Propeller saugt kalte Umgebungsluft an und treibt Wassertröpfchen aus feinen Düsen am Kanonenrand wie Fontänen weit und hoch in die Luft. Dort gefriert das Wasser zu Eiskristallen ehe diese auf dem Erdboden landen.
Das Spektakel ist nur nachts zu sehen, das Geräusch nur im Dunkeln zu hören. "Die zahlreichen Skifahrer mögen es nicht, wenn ihr Skivergnügen tagsüber durch ohrenbetäubendes Schneegestöber getrübt wird", begründet Skiliftbetreiber Christoph Klante die nächtlichen Einsätze.
Winterlandschaft in zwei Nächten
Allerdings können die Unternehmer des Winterberger Skiliftkarussells an der Spitze die Schneepracht nicht erzwingen. Dem physikalischen Prozess hat die Natur eigene Grenzen gesetzt, lacht der studierte Betriebswirt Christoph Klante - obwohl ihm manchmal nicht zum Lachen zumute ist. Dann nämlich, wenn im Winter im Ort jedes Gästebett belegt ist - und die Temperaturen über dem Gefrierpunkt liegen. In diesem Fall können auch die Maschinen nichts ausrichten und spritzen nur Wasser in die Luft, das nicht gefriert.
Das Geheimnis der Feuchtkugeltemperatur
Früher schaute Christoph Klante am Morgen zur Wetterstation. Heute schaltet er seinen PC ein und prüft, ob die Temperaturen es zulassen, die Maschinen einzuschalten. Die Feuchtkugeltemperatur gilt als Richtschnur: eine Kombination aus Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur. Bei einer Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent und mindestens vier Grad minus ist die maschinelle Herstellung von Schnee möglich. Das Wasser dazu wird aus Speicherteichen, die harmonisch in die Landschaft eingefügt wurden, unter Hochdruck durch unterirdische Leitungen zu den Pisten gepumpt.
Frau Holle vom Computer
Christoph Klante muss dann abwägen, ob er die Schnee-Erzeuger überhaupt startet. Ein einziger Kubikmeter Maschinenschnee kostet drei Euro, bis er präpariert auf der Piste liegt. Und wenn sich der Wettergott dann ungnädig zeigt, die weiße Pracht wegregnet oder wegschmilzt, versickert der gesamte Einsatz im Sauerländer Erdboden.
Keine Kunst, sondern eine Wissenschaft
Vom Rechner am Schreibtisch hat Christoph Klante die gesamte Beschneiungsanlage im Blick: Auf dem Monitor erscheinen virtuelle Wasserspeicher, Pumpen, Kompressoren, Zuleitungen für Wasser, Luft und Strom und die Schneemaschinen. Fehlermeldungen kann sich der Schneemacher sogar auf sein Handy übertragen lassen, ohne sich draußen am Skihang kalte Füße zu holen.
Doch der Schneeanlage sind nicht nur von den Temperaturen her Grenzen gesetzt: Schöne sechsstrahlige, in der Sonne glänzende, Schneekristalle kann nur die Natur formen. Die technischen Schneekörner bestehen aus runden gefrorenen Wassertropfen, größer und härter als Naturkristalle. Auf Kunstschnee brauchen Skifahrer und Snowboarder daher eine bessere Fahrtechnik, um die Schwünge zu meistern.
Doch die Nachfrage nach Schnee reißt in den Wintermonaten nicht ab - egal, wie er auf die Hänge gelangte. Sobald die Winterberger verkünden "Ski und Rodel möglich" bilden sich lange Autoschlangen von Skifahrern und Snowboardern, die aus ganz Westdeutschland und den Niederlanden ins 800 Meter hoch gelegenen Wintersportzentrum reisen.
Investition in die Zukunft
Seit 1996 schneit es in Winterberg aus Kanonen. In zehn Jahren sollen sich die Investitionen im zweitselligen Millionenbereich amortisiert haben. Und für den Fall, dass die Erderwärmung im Winter die Schneeproduktion gänzlich verhindert, haben die Winterberger vorgesorgt.
Skateboarder und Schlittenfahrer könnten mit Mountainboards und Hillracern auf Rollen die Grashänge hinunterrasen und sich mit den Skiliften nach oben ziehen lassen. So wie im Sommer.