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"Wir müssen jetzt handeln"

Das Gespräch führte Steffen Leidel23. Oktober 2004

Private Militärfirmen sind inzwischen wichtige Akteure in Krisengebieten. Claude Voillat vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) warnt davor, diese Firmen zum Schutz von Hilfsorganisationen einzusetzen.

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Claude VoillatBild: IRK

DW-WORLD: Das IKRK hat angekündigt, seine Kontakte mit privaten Militär- und Sicherheitsfirmen auszubauen. Was ist der Grund?

Claude Voillat: Diese Firmen sind inzwischen eine wichtige Größe im Feld. Wenn sie als Hilfsorganisation in Konfliktregionen agieren, sollten sie Beziehungen zu allen Akteuren dort pflegen, vor allem wenn die bewaffnet sind. Wir als IKRK wollen, dass diese Leute wissen, wer wir sind, warum wir da sind und wie wir operieren. Wir wollen sicherstellen, dass private Militärfirmen wie auch reguläre Armeen das internationale humanitäre Völkerrecht kennen und respektieren. Es muss geklärt werden, wie diese Firmen besser reguliert werden können, welche Aufgaben von ihnen durchgeführt werden können und welche nicht.

Gab es bereits Gespräche mit diesen Firmen?

Ja, wir hatten bereits Gespräche mit einigen solcher Firmen, gelegentlich vor Ort, aber vor allem auf der Leitungsebene. Dieser Prozess steht noch am Anfang. Es handelt sich noch um ein recht neues Phänomen. Ich war erst kürzlich in Washington, um mit einigen dieser Firmen sowie Regierungsvertretern über dieses Thema zu sprechen.

Wie war die Reaktion der Firmen?

Die haben darauf sehr positiv reagiert. Jeder hat inzwischen erkannt, dass es eine Notwendigkeit für eine bessere Regulierung dieser Branche gibt. Wir hoffen nun, dass das zu einer Klärung von ausstehenden Problemen führt.

Was für Probleme?

Es gibt da ein gewisses Risiko, dass diese Firmen unsere Arbeit behindert können. Bislang ist mir aber kein gravierender Fall bekannt. In einigen Fällen, wie zum Beispiel im Irak, wurden einige unserer Teams an Checkpoints, die von privaten Militärfirmen bewacht waren, aufgehalten. Wir müssen uns jetzt mit diesen privaten, bewaffneten Akteuren auseinandersetzen, bevor es zu Problemen kommt.

Würde das IKRK solche Firmen einsetzen, um seine Mitarbeiter zu schützen?

Solche Firmen zum Schutz unserer Mitarbeiter zu engagieren kommt für uns nicht in Frage. Unsere Mitarbeiter sind durch unser Emblem - das rote Kreuz - geschützt. Allerdings gibt es Orte, wo das Emblem nicht genug Schutz bietet, da einige der Konfliktparteien dieses nicht anerkennen. Doch auch da nutzen wir keine bewaffneten Eskorten oder ähnliches. Kommt es zu Problemen, setzen wir immer auf Verhandlung mit den Konfliktakteuren. Es gibt einige Länder, wo wir unsere Gebäude schützen lassen, zum Beispiel in Städten wie Nairobi, wo die Polizei nicht in der Lage ist, für genügend Sicherheit zu sorgen. Unter diesen Umständen nutzen wir private Militärfirmen. Dabei handelt es ich in der Regel um lokale Unternehmen, deren Referenzen wir genau prüfen.

Ist Ihrer Meinung nach die Bereitschaft von Hilfsorganisationen, private Sicherheits- und Militärfirmen zu engagieren, gestiegen?

Private Militärfirmen sehen dafür einen Markt, dass der Einsatz für Hilfsorganisationen in Krisenregionen immer gefährlicher wird. Auch wir haben entsprechende Angebote solcher Firmen schon erhalten und abgelehnt. Und wir haben in der Tat festgestellt, dass einige Hilfsorganisationen vermehrt private Militärfirmen nutzen, um die Sicherheit ihrer Operationen zu gewährleisten. Wir haben da Bedenken. Denn dadurch verwischen die Grenzen zwischen humanitärem, politischem und militärischem Handeln. Dieser Trend bereitet momentan der humanitären Welt eine der größten Sorgen.

Claude Voillat ist beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf zuständig für die Beziehungen der Organisation mit dem privaten Sektor.