1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Wir setzen die Linie der Bundesregierung im Irak fort"

Das Gespräch führte Nina Werkhäuser28. Juli 2005

Was ändert sich in der Außenpolitik bei einer CDU/CSU-Regierung? Im Interview mit DW-RADIO erklärt Gerd Müller, außen- und europapolitischer Sprecher der CSU im Bundestag, den außenpolitischen Kurs der Union.

https://p.dw.com/p/6wWh


DW-RADIO: Herr Müller, wenn man die Wahlprogramme der Parteien studiert, dann stehen die Themen Wirtschaft, Steuern und Arbeitsmarkt meistens ganz vorn, dann kommt die Familien- und Bildungspolitik und ganz am Schluss noch ein paar Worte zur Außen- und Sicherheitspolitik. Wie sieht das bei der Union aus, welche Rolle wird die Außenpolitik im Wahlkampf spielen?

Gerd Müller: Man muss natürlich vom Wähler ausgehen und die Menschen wählen natürlich innenpolitisch motiviert. Und da denken sie zunächst an ihren Arbeitsplatz. Deshalb haben alle Parteien dieses Thema ganz vorne. Aber uns allen, auch den Menschen, ist natürlich klar, Deutschland befindet sich in einer offenen Welt, in einem Wettbewerb um Arbeitsplätze in Europa und natürlich weltweit, Stichwort Globalisierung. Deshalb kommt es auch ganz entscheidend darauf an, die europäischen Strukturen in Ordnung zu bekommen. Und dies ist eine der wichtigen zentralen Botschaften des Wahlprogramms.

Da sind wir schon beim ersten Thema, bei der Europapolitik. Die EU plant ja weitere Länder aufzunehmen, nämlich Bulgarien und Rumänien im Jahr 2007. Sollte es nach Ansicht der Union bei diesem Zeitplan bleiben?

Wir haben jetzt die EU-Osterweiterung vollzogen, aber noch nicht verarbeitet. Es gibt viele Probleme und es gibt viele Sorgen der Menschen, Stichwort Arbeitsplätze, Konkurrenz aus den osteuropäischen Staaten. Und nun steht als nächstes die Osterweiterung um Rumänien und Bulgarien an. Hier ist der 1.1.2007 in den Verträgen avisiert. Bulgarien und Rumänien müssen sich aber an die Kriterien halten. Beide Staaten erfüllen diese Kriterien nach Ansicht der Union derzeit nicht. Deshalb sind wir der Meinung, dass dieser 1.1.2007 möglicherweise um mindestens ein Jahr verschoben werden muss, weil wir darauf drängen müssen, dass diese Staaten beispielsweise ein funktionierendes Justizsystem aufbauen müssen. Das Thema Korruption muss angegangen werden und es muss klar sein, dass der Arbeitsmarkt beherrschbar bleibt. Auch die Frage "Wie viele Menschen können noch nach Deutschland kommen?", spielt natürlich eine Rolle.

Die Europäische Union will auch im Herbst Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beginnen und am Ende könnte ja eine Vollmitgliedschaft stehen. CDU und CSU haben das immer abgelehnt, diese Vollmitgliedschaft und fordern stattdessen eine privilegierte Partnerschaft, also besonders enge Beziehungen der EU zur Türkei. Nun wissen wir seit den Volksabstimmungen über die Verfassung, dass die Angst vor einer Überdehnung der EU viele Menschen sehr stark beschäftigt. Sehen Sie sich dadurch in Ihrer Haltung bestätigt, die Türkei nicht als Vollmitglied in die EU aufnehmen zu wollen?

Die Vertiefung und die parallele Erweiterung der Europäischen Union ist die Lebenslüge der EU. Man kann nicht zur politischen Union mit einer europäischen Verfassung vorstoßen, wesentliche Teile der Staatlichkeit in den EU-Staaten auf Brüssel übertragen und auf der anderen Seite die europäischen Grenzen bis nach Anatolien, hinein nach Kleinasien, verschieben. Deshalb gibt es einen ganz grundsätzlichen Unterschied in der Europapolitik zwischen Union und der derzeitigen Regierung. Wir sagen ein klares "Nein" zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei, wir bieten eine privilegierte Partnerschaft an, und dies gilt im Übrigen auch für andere Staaten. Es muss auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit europäischen Staaten geben, ohne sofort eine Vollmitgliedschaft damit zu verbinden. Ich denke beispielsweise an die Ukraine.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie die Union die transatlantischen Beziehungen verbessern will und welche Position Müller in Bezug auf den Irak-Konflikt vertritt.

Schauen wir einmal auf die andere Seite des Atlantiks und werfen einen Blick auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Da hieß es von der Union immer, die rot-grüne Bundesregierung habe viel Porzellan zerschlagen, viel Vertrauen zerstört und als ein Stichwort wurde da die Ablehnung des Irak-Kriegs genannt. Was würden Sie anders machen? Deutsche Soldaten in den Irak schicken?

Dies steht überhaupt nicht zur Frage. Aber für jeden Betrachter ist augenfällig geworden, dass Kanzler Schröder vor der letzten Wahl zusammen mit dem französischen Präsidenten sozusagen dieses Verhältnis zu den Amerikanern instrumentalisiert hat, um in Deutschland Wahlen zu gewinnen. Und hier muss wieder Vertrauen aufgebaut werden mit den Amerikanern. Die Amerikaner sind unsere Freunde, wir haben ihnen viel zu verdanken. Sie sind unsere Partner in der NATO und wir fühlen uns natürlich auch in der Wirtschaft als Partner und als Konkurrent, aber gemeinsam können wir viel miteinander erreichen.

Daran schließt sich gleich meine nächste Frage an. Sicherheitspolitik: Mit vielen tausend Soldaten ist die Bundeswehr auf dem Balkan, in Afghanistan im Einsatz. Wird das auch so bleiben unter einer unionsgeführten Bundesregierung. Oder wird das reduziert werden?

Wir werden die jetzigen Einsätze fortführen, aber sie müssen stärker als bisher begleitet werden durch ein politisches Konzept, da denke ich zum Beispiel an den Balkan. Die Bundeswehr kann die Probleme dort nicht lösen, sie kann politisch die Aufgaben nicht lösen, auch nicht in Afghanistan und das politische Begleitkonzept fehlt ein Stück. Es muss auch wieder eine "Exitstrategie" geben. Man kann nicht zehn Jahre auf dem Balkan bleiben oder in Afghanistan, sondern wo man reingeht, muss man auch wieder rausgehen. Und wir teilen nicht die Position des Bundesverteidigungsministers, der angekündigt hat, unsere Verteidigung beginnt nicht nur am Hindukusch, sondern nun hat er ja davon gesprochen, auch weltweit die Bundeswehr einzusetzen. Dies halten wir für falsch, dies ist ein Stück Großmannssucht. Die Bundeswehr umfasst noch 250.000 Mann. Sie ist total überfordert und in der Ausstattung dafür nicht vorbereitet. Wir sollten also diese Auslandseinsätze begrenzen und überall, wo wir reingehen auch durch eine politische Begleitstrategie den Weg ebnen, wieder herauszukommen.

Wie schaut das mit dem Irak aus? Könnten deutsche Soldaten dort zum Beispiel in NATO-Stäben oder bei der Ausbildung irakischer Soldaten vielleicht doch zum Einsatz kommen?

Im Irak werden wir die vorgegebene Linie der Bundesregierung so fortsetzen. Es gibt keinen Anlass, hier eine Veränderung vorzunehmen.