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Russische Corona-Patienten nach Deutschland?

Natalia Smolentceva mo
27. Mai 2020

Deutsche Ärzte und Politiker sind bereit, Corona-Patienten aus Russland aufzunehmen. Während Moskau dazu schweigt, fragen sich Beobachter in Deutschland, wer für die Behandlungskosten aufkommen würde.

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Universitätsklinik Köln
Bild: picture-alliance/dpa/M. Becker

"Wenn es in Russland einen Engpass gibt, bin ich sehr dafür, Patienten aus Russland zu versorgen. Wir haben Kapazitäten dafür", sagte Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivmedizin an der Universitätsklinik Köln, der DW. Die Klinik hat rund 120 Intensivbetten, aber Patienten mit COVID-19, die künstlich beatmet werden müssen, gibt es dort derzeit keine. Nach Angaben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sind von den über 30.000 Intensivbetten in Deutschland nur etwas mehr als die Hälfte belegt.

Bisher dürfen laut eines Beschlusses auf Bundesebene nur Corona-Patienten aus den EU-Ländern Italien, Spanien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden zur Behandlung nach Deutschland gebracht werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte Ende April: "Die Behandlungskosten übernimmt Deutschland, das ist unser Verständnis von europäischer Solidarität." Die mutmaßlichen Kosten bezifferte das Ministerium auf bis zu 20 Millionen Euro. Nordrhein-Westfalen war eines der ersten Bundesländer, das Corona-Patienten aus Italien aufnahm. Die Erfahrungen waren sowohl für die Patienten als auch das Krankenhauspersonal positiv, berichtet Matthias Kochanek.

Corona-Ausbruch in Russland

Neben Köln ist auch das Universitätsklinikum Bonn bereit, Patienten aus Russland aufzunehmen. Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Klinik, erklärte, normalerweise würden immer wieder Patienten aus Russland und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion behandelt. Doch wegen der geltenden Corona-Restriktionen könnten zurzeit keine Patienten aus Russland nach Deutschland einreisen.

Prof Wolfgang Holzgreve
Wolfgang Holzgreve ist offen für Patienten aus RusslandBild: DW/N. Smolentceva

In Russland ist die Zahl der Corona-Infektionen innerhalb kürzester Zeit schnell gestiegen. Die meisten Fälle gibt es in der Hauptstadt Moskau. Laut staatlichen Angaben sind landesweit inzwischen über 360.000 Menschen positiv auf das Virus getestet worden, mehr als 3000 sind gestorben. In keinem anderen Land Europas gibt es so viele Erkrankte wie in Russland.

Initiative deutscher Bundesländer

Angesichts der Entwicklung in Russland sagte neulich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer dem Nachrichtenportal "Der Spiegel": "Es wäre ein starkes Zeichen der Europäischen Union, wenn wir auch Patienten aus Russland bei uns behandeln würden." Dies müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. "Wir versuchen insgesamt in Europa zu helfen. Und ich finde, wir sollten auch solidarisch sein mit Russland", so der Ministerpräsident.

Nach Kretschmer bot auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, die Behandlung russischer Corona-Patienten an. Der Zeitung "Tagesspiegel" sagte er: "Auch unserer Partnerstadt Moskau habe ich ein Angebot übermittelt. Bislang gab es keine Reaktion, aber ich bin dafür nach wie vor offen." Eine Anfrage der DW an die Stadt Moskau und an das russische Außenministerium zum Angebot aus Berlin und Sachsen blieb bisher ebenfalls unbeantwortet.

Russland - Putin wendet sich an Nation
In Russland sind über 360.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert wordenBild: picture-alliance/dpa/V. Belousov

Angebote weiterer Bundesländer liegen derzeit nicht vor. Eine Sprecherin der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen teilte der DW mit, das Bundesland habe "als Geste gelebter europäischer Solidarität nach Prüfung eigener Kapazitäten COVID-19-Patienten aus besonders betroffenen Regionen in Italien und Frankreich sowie aus den benachbarten Niederlanden aufgenommen". Eine entsprechende offizielle Anfrage der russischen Regierung sei bislang aber nicht eingegangen, so die Staatskanzlei.

Wer würde für die Kosten der Behandlung aufkommen?

Die Bereitschaft zu helfen ist groß, unklar ist jedoch, wer für Fragen zum Behandlungsangebot zuständig ist. Sebastian Gülde, Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, sagte vor kurzem auf einer Pressekonferenz, "die Initiativen zur Behandlung von ausländischen Patienten, jetzt insbesondere aus Russland, kommen aus den Bundesländern selbst, insofern sind auch die Länder für Fragen dazu verantwortlich". So müssten unter anderem die Krankenhäuser selbst klären, wie viele Beatmungsbetten für Patienten aus dem Ausland zur Verfügung gestellt werden könnten.

Doch klären müssen die deutschen Krankenhäuser auch die Finanzierung einer Behandlung. In der Regel geschieht dies individuell mit einem ausländischen Patienten oder mit seiner Versicherung. Dabei geht es um viel Geld. "Zwei Wochen auf einer Intensivstation mit künstlicher Beatmung kosten nicht Zehntausende, sondern Hunderttausende Euro pro Patient", sagte Konstantin Virko von der deutschen Firma Germed, die seit vielen Jahren im Bereich Medizintourismus tätig ist, der DW. Virko bezweifelt jedoch, dass die deutschen Behörden bereit sein werden, die Behandlungskosten für Corona-Kranke aus Russland zu übernehmen, wie es bei Patienten aus einigen EU-Ländern geschehen ist.

Die meisten russischen Patienten, mit denen Germed zusammenarbeitet, zahlen ihre Rechnungen in Deutschland selbst. Manche bekommen Hilfe von Stiftungen. Es gibt aber auch Patienten, die auf Kosten des russischen Verteidigungsministeriums oder Gesundheitsministeriums behandelt werden, wie zum Beispiel der russische Tänzer und ehemalige Leiter des Bolschoi-Balletts, Sergej Filin. Er wurde nach einem Säureattentat zur Reha nach Aachen gebracht. Die bisherige Praxis habe gezeigt, so Virko, dass die deutschen Behörden Behandlungskosten nicht übernähmen.