Gibt es in Deutschland bald blühende Sojafelder?
25. Oktober 2017Auch wenn die Unterschiede oft groß erscheinen, gibt es etwas, was Veganer, Vegetarier und Fleischesser verbindet. Es ist rund, etwas kleiner als eine Murmel und hat eine hellgelbe Farbe: die Soja-Bohne. Ob als Tofu und Sojamilch oder über den Umweg durch den Futtertrog in Form eines Frühstückeis oder im Steak: Soja landet heute bei fast jedem auf dem Teller.
Und das hat gute Gründe: "Die Sojabohne hat um die 40 Prozent Eiweiß und die Wertigkeit ist sehr hoch. Deshalb wird sie auch als Futter verwendet", sagt Volker Hahn, der die gelbe Bohne an der Universität Hohenheim erforscht. In ihr stecken fast alle essentiellen Aminosäuren, also die Proteine, die der Mensch mit der Nahrung zu sich nehmen muss. "In Kombination mit einigen Getreidesorten, zum Beispiel Weizen, kommen wir da qualitativ in die Nähe von Fleisch - wenn nicht sogar drüber", so Hahn.
Bei einigen Inhaltsstoffen, etwa den Isoflavonen, ist umstritten, ob sie in großen Mengen schädlich sein können. Anders als bei einigen Stoffen, die zu viel Fleisch zu einer ziemlich ungesunden Angelegenheit machen - etwa Cholesterin - sei aber nichts davon klar nachgewiesen, sagt Hahn.
Die Schattenseite des Sojas
Sucht man im Internet nach Soja oder Sojaanbau, zeichnet sich allerdings ein düsteres Bild: Gerodete Regenwälder, Klimawandel, Genmanipulation und auch Kinderarbeit sind Stichworte, die über den Bildschirm flimmern. Der Anbau von Soja ist in den letzten Jahrzehnten explodiert, von rund 17 Millionen Tonnen in 1960 ist die Menge auf heute über 300 Millionen Tonnen angestiegen. Viel davon stammt aus gigantischen Monokulturen, für die große Flächen Regenwald anhaltend abgeholzt werden - eine Ohrfeige fürs Klima.
Die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards sind in der Regel bescheiden. So hat der WWF nachgewiesen, dass große Mengen genmanipulierten Sojas, das in Deutschland und der EU kennzeichnungspflichtig ist, über den Umweg durch den Futtertrog unkenntlich in unseren Supermarktregalen landet. Natürliche Wälder werden gerodet, um die Flächen für den Sojaanbau zu nutzen. Der intensive Einsatz von Pestiziden wiederum belastet nicht nur die Gewässer, sondern auch die Arbeiter, die sie ausbringen.
Und dieses Soja importieren wir in großen Mengen nach Deutschland und Europa - nur rund 25 Prozent unseres Verbrauchs stammt aus heimischer Produktion. Nur einen kleinen Teil davon wiederum essen wir direkt, der Großteil wird an Nutztiere verfüttert.
Eine Bohne für alle Wetterlagen?
Diese hohe Importquote möchte Volker Hahn mit seiner Arbeit ändern: "Hier können wir Soja unter einigermaßen umweltgerechten Bedingungen anbauen, ohne extreme Monokultur, Kinderarbeit, frei von Genmanipulation und ohne den langen Transport. Außerdem sind wir unabhängig von Krisen, wenn die Produktion in Europa liegt."
Darum muss er die Sojabohne sattelfest für deutsche Felder machen. Das größte Problem dabei ist das Wetter: Die Sojabohne hat es gerne schön warm, weshalb sie in Brasilien gut gedeiht. Auch in den sonnigen Regionen in Süddeutschland und Österreich stimmen die Erträge schon. Im Rest Deutschlands muss die Pflanze aber zwei Hürden nehmen: Im Frühjahr nach der Saat bleiben die Triebe zu klein, wenn sie nicht genug Wärme abbekommen. Dann tragen sie später auch nicht genügend Früchte. Die zweite Hürde ist die Blütezeit im Juni und Juli.
"Wenn die Temperatur dann unter 10 Grad Celsius fällt, werfen viele Pflanzen ihre Blüten ab. Und so kalt wird es in Norddeutschland nachts eben auch im Sommer." Deswegen wollen Hahn und seine Kollegen Sojasorten züchten, die die Kälte besser vertragen. "Wann und ob das gelingt, hängt auch davon ab, wie viel geforscht wird. Da könnte noch mehr passieren", meint Volker Hahn.
1000 Gärten
Jeder, der einen Garten hat, kann Hahn dabei helfen. Zusammen mit dem Freiburger Tofu-Hersteller "Taifun" wurden im vergangenen Jahr im Projekt "1.000 Gärten" Soja-Samen verschiedener Sorten an viele hunderte Interessierte geschickt, die Wachstum und Wetter genau dokumentierten und die Aufzeichnungen zusammen mit der Ernte an das Forschungsinstitut zurückschickten. "So konnten die Leute sehen, wie eine Sojabohne aussieht, und wir haben Ergebnisse, die wir sonst nie bekommen hätten. Jetzt können wir sehr genau sehen: Wo wächst welche Sojabohne gut und wo nicht."
Diese Daten können die Wissenschaftler mit ihrem Wissen über die Reife-Gene in den Pflanzen verknüpfen und so gezielt kältefestere Sorten züchten. Neben ihren guten Nährwerten sieht Hahn an der Sojabohne eine ganze Reihe weiterer Eigenschaften, die sie für Bauern interessant macht. "Die Sojabohne ist eine normale Kulturart, mit der der Landwirt umgehen kann: Man kann sie mit vorhandener Technik säen und mit dem Mähdrescher ernten. So, wie es der Landwirt hier gewohnt ist."
"Ich bin überzeugt davon, dass die Fruchtfolgen, die wir heute haben, durchaus mit mehr Leguminosen erweitert werden wird", sagt Stephan Arens, Geschäftsführer der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen. "Wenn die Sojapflanze alle vier oder fünf Jahre in eine Fruchtfolge eingebaut würde, wäre das eine sinnvolle Erweiterung für bestimmte Regionen, in denen der Anbau - zum Beispiel von Erbsen nicht funktioniert."
All das könnte sie schnell zu Bauers Liebling machen. Vorausgesetzt, die Erträge stimmen. Denn das sei letztendlich entscheidend für die Landwirte, um die Bohne in großem Stil zu säen. Wenn die Sojabohne wirtschaftlich aber einmal mithalten kann mit Mais und Raps, dann wird sie sich auch hier verbreiten, da ist Volker Hahn zuversichtlich. Und die Entwicklung gibt ihm Recht: "Wir haben heute eine Größenordnung von rund 20.000 Hektar erreicht", sagt Stephan Arens, "es ist von vielen Seiten schon eine Fläche von 100.000 Hektar in den nächsten Jahren in Aussicht gestellt worden."
Kritische Stimmen
Doch auch wenn die Sojabohne zunächst etwas Abwechslung aufs Feld bringt, gibt es kritische Stimmen: Der Deutsche Bauernverband weist darauf hin, dass in Deutschland die Weizenerträge fast acht Mal so hoch sind wie bei Soja. In Brasilien hingegen liegen beide Arten auf einem ähnlichen Niveau.
Der Gedanke liegt nahe, eine Pflanze sinnvollerweise dort anzubauen, wo sie gut zu den Bedingungen passt und so hohe Erträge liefert. Deshalb hält der Bauernverband vor allem die Züchtung einheimischer Pflanzen mit hohem Eiweißgehalt für sinnvoll, etwa Ackerbohnen oder Lupinen - die allerdings nicht an den hohen Eiweißgehalt der Sojabohne herankommen und auch Probleme mit Krankheiten haben. Den Vergleich von Weizen und Leguminosen wie der Sojapflanze hingegen hält Stephan Arens für schwierig: "Wir sprechen hier nicht von derselben Art von Proteinen, der Vergleich hinkt. Die Verdaulichkeit ist bei Tieren eine ganz andere.”
Wenn Soja durch die Arbeit von Menschen wie Volker Hahn eines Tages mit Weizen und Raps wirtschaftlich mithalten kann, löst eine neue Pflanze nicht alle Probleme, die es auf deutschen Feldern gibt. Das Nahrungsangebot für Insekten und Wildtiere etwa, von denen es in Deutschland immer weniger gibt, bleibt mau in großen Monokulturen - egal ob es Mais oder Soja ist.
Verdopplung des Bedarfs
Das größte Problem mit der Sojabohne können wir aber nur selbst lösen: Die Verschwendung wertvoller Kalorien. Weil bis zu fünf pflanzliche Kalorien nötig sind, um eine tierische daraus herzustellen, würden sich viele der Probleme in Luft auflösen, wenn wir weniger Fleisch äßen. Dadurch, dass der Großteil der wertvollen Soja-Proteine im Futtertrog landet, statt auf dem Teller, entstehen erst der gigantische Bedarf und der Druck, neue Flächen zu erschließen.
Da der globale Trend aber zu mehr Fleischkonsum geht, wird auch der Sojabedarf steigen. Die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen schätzt, dass er sich bis 2050 weltweit auf rund 500 Millionen Tonnen verdoppeln wird. Die Frage ist, ob wir die Bohne künftig auch in kühleren Gegenden anbauen, wo sie ökologisch verträglich angebaut wird, als auf Kosten des Regenwaldes. Zum Beispiel in Norddeutschland. Dafür muss die Bohne rechtzeitig reif werden.