Wird die Truppe "verbraucht"?
27. Januar 2015Zu häufige Auslandseinsätze der Bundeswehr könnten dazu führen, dass bestimmte Gruppen von Soldatinnen und Soldaten "regelrecht verbraucht werden", warnt der Wehrbeauftragte des Bundestages Hellmut Königshaus. Die Personalausstattung liege "teilweise unter 50 Prozent des Bedarfs". In seinem Jahresbericht 2014 verweist Königshaus auf die Flugabwehr-Truppen, die auf Bitten der Türkei seit Anfang 2013 an der syrischen Grenze stationiert sind. Der Dienst erfordere höchste Konzentration, aber die Pausen zwischen den viermonatigen Einsätzen würden nicht eingehalten. Zu wenige Soldaten könnten die "Patriot"-Systeme bedienen. Als Beispiel für schlechte materielle Ausstattung nennt Königshaus den "Atalanta"-Einsatz gegen Piraten am Horn von Afrika. Dort könne man keine Hubschrauber zur Verfügung stellen, die sogenannten "Boarding-Teams" könnten deshalb nicht aus der Luft über den verdächtigen Schiffen abgesetzt werden. Für Auslandseinsätze reichten auch die Lufttransportkapazitäten nicht aus. Die überalterte "Transall" sei "nur noch mit Mühe in der Luft zu halten" und der neue A 400M werde nicht in der zugesagten Menge und Geschwindigkeit geliefert.
Trotz der fortschreitenden Reduzierung der Truppen in Afghanistan ist die Anzahl der Auslandseinsätze im Jahr 2014 laut Bericht des Wehrbeauftragten erneut gestiegen. Die neuen Einsätze verlangten jedoch teilweise andere Fähigkeiten als am Hindukusch notwendig gewesen seien. Besonders belastet seien deshalb neben den Flugabwehr-Truppen die Schnellboot- und U-Bootfahrer, Luftverladekräfte, Marinetechniker und Bordeinsatzteams.
Beschwerden weiter auf Höchststand
Der Wehrbeauftragte begrüßt die Attraktivitäts-Offensive der Verteidigungsministerin für die Bundeswehr, zu der unter anderem flexible Arbeitszeiten, mehr Wehrsold, bessere Aufstiegsmöglichkeiten und nicht zuletzt bessere Unterkünfte gehören. Der Zustand vieler Kasernen in Deutschland sei unzumutbar, zahlreiche Soldatenunterkünfte seien eigentlich unbewohnbar, heißt es im Bericht von Königshaus. Allerdings fehlten in dem Gesetzentwurf von Ursula von der Leyen, der am kommenden Donnerstag im Bundestag beraten werden soll, einige dringliche Maßnahmen. Denn auch außerhalb der Kasernen hapert es beim Wohnraum, im Unterschied beispielsweise zur britischen Armee, die ihren Soldaten Wohnungen zur Verfügung stelle.
Insgesamt sind im vergangenen Jahr 4645 Beschwerden aus der Bundeswehr beim Wehrbeauftragten des Parlaments eingegangen. Die Eingaben-Quote erreiche trotz der Verringerung der Truppe in den vergangenen beiden Jahren einen Höchstwert, sagte Königshaus, der im Mai sein Amt an seinen Nachfolger Hans-Peter Bartels übergibt.
"Fürsorgepflicht für afghanische Ortskräfte"
In seinem Bericht bricht der Wehrbeauftragte auch eine Lanze für die bedrohten afghanischen Ortskräfte der Bundeswehr, die nach Deutschland kommen wollen. Unverständlich sei "die besondere Zurückhaltung" des Bundesinnenministeriums bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für diese Personengruppe. Wenn Deutschland aus humanitären Gründen eine steigende Zahl von Flüchtlingen aus Krisenregionen aufnehme, dann müsse dies auch für die afghanischen Helfer der Bundeswehr gelten. Der bürokratische Hindernislauf für diese Menschen sei "nicht sachgerecht". Wir haben eine Fürsorgepflicht für diejenigen, die uns unterstützt haben", sagte Königshaus. Dies sei auch für künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr wichtig, denn es werde sich herumsprechen, wie Deutschland mit seinen Ortskräften umgehe, im Unterschied zur Großzügigkeit der US-Amerikaner. Die einstigen Helfer, die eine neue Heimat in Deutschland finden wollten, seien leicht integrierbar. Sie sprächen Englisch oder Deutsch und seien willig, schnell auf eigenen Beinen zu stehen, argumentierte Königshaus.
Rund 1200 afghanische Mitarbeiter der Bundeswehr, des Innen- und des Entwicklungshilfeministeriums sowie des Auswärtigen Amtes hatten bis Ende 2014 die Einreise wegen Bedrohungen durch die Taliban beantragt. Die Bundesregierung sagte nach eigenen Angaben bisher weniger als der Hälfte von ihnen die Einreise nach Deutschland zu.