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Wirtschaft im Würgegriff

Shi Ming25. April 2003

Der Schaden, der durch die Lungenkrankheit SARS für die chinesische Wirtschaft droht, wurde von offizieller Seite bisher stets heruntergespielt. Er lässt sich in der Tat nicht beziffern - doch er wird gewaltig sein.

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Gestoppt von SARS: der Transrapid in ShanghaiBild: AP

Mit jedem neuen SARS-Fall in China wachsen die Sorgen um die Auswirkungen der Lungenkrankheit auf die Wirtschaft der Volksrepublik. Jetzt gab erstmals ein wichtiger "Think Tank" - eine der "Denkfabriken" - der Regierung in Peking zu, dass sich SARS äußerst negativ auf die chinesische Wirtschaft auswirken wird. Und ein Ende der SARS-Epidemie ist in China noch nicht abzusehen.

Zhao Kun, ein hochrangiger Berater der chinesischen Regierung, räumte im Parteiorgan "Volkszeitung" zum ersten Mal ein, dass die Folgen weder kurzfristig noch irrelevant seien, wie dies bis dato immer wieder von amtlichen Medien in China behauptet wurde. Bis zu 80 Prozent der Reise-Buchungen nach Südchina seien gestrichen worden. Nicht nur ausländische Touristen stornieren - auch Chinesen, die ihren siebentägigen Urlaub um den 1. Mai herum für eine Inlandsreise nutzen wollten, bleiben lieber zu Hause.

Allein dies, so unterstreichen chinesische Ökonomen, würde Chinas Volkswirtschaft um Einnahmen um mehr als drei Milliarden Yüan (rund 335 Millionen Euro) bringen. Nicht mit gerechnet sind 20 bis 40 Prozent Einnahmen der chinesischen Zivilluftfahrt, der Gastronomie und Hotelbranche. Diese machten zusammen mit dem Tourismus nach Schätzungen chinesischer Ökonomen im Jahre 2002 rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus.

Ein Viertel des Wachstums als Opfer der Seuche

Sollten die Verluste in diesen Bereichen auf dem aktuellen Niveau der Schätzungen bleiben, wären schon jetzt ein bis zwei Prozentpunkte des geplanten chinesischen Wirtschaftswachstums in Höhe von rund 8 Prozent durch die Folgen von SARS zunichte gemacht worden.

Lungenentzündung SARS Erreger
Der SARS ErregerBild: AP

Noch pessimistischer sind Ökonomen außerhalb Chinas, insbesondere in Nordamerika. So weist Hu Liuzu, Chefökonom für die chinesische Volkswirtschaft bei der amerikanischen Investment-Bank Goldman & Sachs, darauf hin, dass die mittel- und langfristigen Auswirkungen weitaus negativer ausfallen können. Als Beweis zitiert der Wirtschaftsexperte die Tatsachen, dass bislang im Energiesektor wichtige Investoren aus dem Ausland ihre Pläne für China-Engagements entweder vorläufig auf Eis gelegt oder gar gestrichen hätten. Die Gerüchteküche will wissen, dass japanische Konzerne von ihrem Plan Abstand genommen hätten, das größte Ölfeld in Nordostchina aufzukaufen, um es zu sanieren.

"Made in China" als schlechtes Omen

Ein wichtiges Treffen internationaler Investoren, dass Anfang April in Peking stattfinden sollte, wurde abgesagt. Einen neuen Termin gibt es noch nicht. Und nordamerikanische Wirtschaftswissenschaftler kritisieren, dass China bislang keinerlei Pläne veröffentlicht habe, um Produktionsdrosselungen oder Produktions-Stopps ökonomisch aufzufangen. Für Branchen, die auf zuverlässige Liefertermine angewiesen sind, ist das kein gutes Omen, weiterhin auf "Made in China" zu zählen.

Zusätzliche Sorgen machen sich Volkswirte wegen Chinas marodem Finanz- und Versicherungswesen. Gerade hat der neue Gesundheitsminister Gao Qiang angekündigt, Peking werde zusätzliche Haushaltsmittel zur Bekämpfung von SARS zur Verfügung stellen, koste es was es wolle.

Zwang zum Sparen

In chinesischen Internetforen, auf denen sich Wirtschaftsanalysten austauschen, melden sich schon besorgte Stimmen: Peking hatte bereits im März davor gewarnt, die Staatsschulden näherten sich nun dem gefährlichen Grenzwert von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - die chinesische Regierung müsse also dringend sparen. Die Folgen durch SARS werden aber, so glauben viele Experten, diesen Konsolidierungsplan durchkreuzen. Auch wenn aus amtlichen Medien noch keine Bestätigung vorliegt, die Zahlen sprechen Bände: Nach Angaben des chinesischen Gesundheitsministeriums wird - ohne öffentliche Hygiene-Maßnahmen mitzurechnen - die Behandlung von jedem SARS-Patienten die chinesischen Krankenversicherer rund 200.000 Yüan (22.000 Euro) kosten. Bislang gibt es in China mehr als 2.000 an SARS Erkrankte. Und täglich nimmt die Zahl dreistellig zu.