Bergbau-Boom in der Mongolei
1. April 2014
Beinahe so groß wie Westeuropa, aber kaum drei Millionen Einwohner - die Mongolei ist das am dünnsten besiedelte Land der Welt. Die wenigen Menschen sitzen buchstäblich auf einer Schatztruhe, die viele Milliarden Euro wert ist. Unter weitläufigen Hochebenen, üppigen Wiesen und Wüsten lagern riesige Mengen Gold, Silber und Kupfer.
Es ist kein Wunder, dass die größten Bergbau-Unternehmen in Scharen in das sogenannte "Saudi-Arabien Zentralasiens" kommen - hauptsächlich in die Region Süd-Gobi, denn hier liegen die Bodenschätze verborgen.
Der Einfluss der Bergbau-Riesen hat das Wirtschaftswachstum des Landes an die Weltspitze katapultiert: Im Jahr 2014 wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) voraussichtlich um 15,3 Prozent steigen - mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Die Ausbeute der Minen machte im Jahr 2012 knapp ein Drittel des BIP und rund 80 Prozent der Exporte aus, berichtet das #link:https://www.csrm.uq.edu.au/mongolia:Institut für nachhaltige Mineralwirtschaft# (CSRM) der australischen Universität Queensland.
Risiken für Gesundheit und Umwelt
Aber der Bergbau-Boom hat Schattenseiten. Die Mongolei muss, wie auch viele andere Entwicklungsländer vor ihr, erfahren, dass enorme Gewinne im Land zu dramatischen Einkommensunterschieden führen können. Außerdem stellen unkontrolliertes Wirtschaftswachstum und Bergbau-Projekte eine Gefahr für die reiche Biodiversität des Landes dar.
"Das vom Bergbau befeuerte Wachstum gefährdet die Umwelt und den Lebensunterhalt der Hirten", sagt Enkhtuya Oidov, der bei der NGO #link:http://www.nature.org/ourinitiatives/regions/asiaandthepacific/mongolia/explore/mongolia-development-by-design.xml:Nature Conservancy# das Mongolei-Programm verantwortet. "Das Land für den Bergbau zu nutzen, ist eigentlich nicht mit der mongolischen Kultur vereinbar, in der der Schutz von Umwelt und Ökologie einen hohen Stellenwert genießt."
In Gebieten wie Süd-Gobi mit einem weitgehend trockenem Klima wird der Staub der immer stärker befahrenen Schotterpisten zu den Bergbaugebieten zur Gefahr für die Gesundheit der Menschen vor Ort. Aber auch für ihre Herden: die Pferde, Ziegen, Schafe, Yaks oder Kamele. Diese Straßen, über die die Ladungen auch ins benachbarte China transportiert werden, führen durch Gebiete, in denen viele Tiere grasen. Ihre Weidegebiete, aber auch Wasserflächen und das Grundwasser werden somit ebenso durch den Bergbau in Mitleidenschaft gezogen.
Verschärfte Bergbaugesetze
Doch Bergbau und Artenschutz müssen nicht im Widerspruch stehen, sagen Experten. Voraussetzung ist, dass Unternehmen ihren Einfluss auf die Umwelt ständig im Auge haben und ihre Aktivitäten sofort anpassen, wenn Veränderungen in der Pflanzen- und Tierwelt zu beobachten sind, sagt Saleem Ali, Direktor des CSRM.
"Die Menschen sehen den Bergbau oft als eine Art Nullsummenspiel, in dem Bergbau und Naturschutz nicht nebeneinander existieren können. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist", sagt Ali. Der Autor des Buches “Treasures of the Earth: Need, Greed and a Sustainable Future” (Yale University Press, 2009) leitet derzeit die Forschung zum Einfluss des Bergbaus auf die traditionellen Lebensgrundlagen der Mongolen.
Im Jahr 2009 erließ die mongolische Regierung das "Gesetz über das Verbot von Bergbau-Operationen am Oberlauf von Flüssen, Wasser- und Waldschutzgebieten". Die Regierung hat bereits über 200 Erkundungs- und Förderlizenzen an Bergbaufirmen zurückgezogen, weil diese weniger als 200 Meter von Wäldern oder Wasserquellen entfernt operierten. Gleichzeitig wurden die Unternehmen verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren die betreffenden Gebiete unter Aufsicht der lokalen Regierung und Bevölkerung wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu bringen.
Unternehmen, die Lizenzen erhalten, müssen zudem die Hälfte der geschätzten Renaturierungskosten des Abbaugebietes als Kaution auf einem Bankkonto hinterlegen, noch bevor sie mit der Förderung beginnen. Das Konto wird von der Lokalregierung verwaltet.
Reichen gute Absichten?
Doch das Gesetz wird noch nicht richtig durchgesetzt, meint #link:http://www.csrm.uq.edu.au/people/byambajav-dalaibuyan:Byambajav Dalaibuyan# von der Universität Queensland. Das liegt zum einen daran, dass die Grenzen der betroffenen Gebiete nicht genau festzumachen sind, aber auch am mangelnden Engagement der mongolischen Regierung, fügt er hinzu.
Und es gibt noch einen Haken: Das Gesetz hat vielfältige Ausnahmen. Es gilt beispielsweise nicht für "Mineralienvorkommen von nationaler strategischer Bedeutung" oder für Vorkommen, die Auswirkungen auf die nationale Sicherheit der Mongolei haben. Auch ausgenommen sind Abbaugebiete, die die wirtschaftliche und soziale Entwicklung beeinflussen, regional oder national. Wenn sie mehr als fünf Prozent Anteil am BIP haben, fallen sie aus dem Gesetz heraus. Aktuell gibt es 15 solcher Abbaustätten, die sich über das ganze Land verteilen. "Das Gesetz will das Richtige, aber formuliert es nicht eindeutig", sagt Dalaibuyan, der vor allem Abkommen zur Gemeindeentwicklung in Süd-Gobi untersucht.
In einer Stadt dieser Region, 10 Kilometer von einem Bergbaugebiet entfernt, sah er, wie sich der Staub an den Fenstern niederschlug. "Die Einheimischen sorgen sich auch, weil das Wasser knapp zu werden droht”, sagt er.
Aber der Druck auf die mongolische Regierung steigt. Insbesondere lokale Gruppen, wie etwa die #link:http://www.globalnature.org/UMMRL:Vereinigung für die mongolischen Flüsse und Seen#, aber auch die Medien, fordern, dass mehr getan werden muss, um sicherzustellen, dass der Bergbau nicht die Umwelt zerstört.
Und es gibt erste Anzeichen, dass ihre Stimmen gehört werden. Seit den Wahlen im Jahr 2012 konzentriert sich die Regierung darauf, Gesetze dort durchzusetzen, wo der Abbau stattfindet: auf lokaler Ebene. Darüberhinaus sollen eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen Transparenz und Dezentralisierung fördern. Insbesondere damit hat der ehemals kommunistische Staat immer noch zu kämpfen.
"Die Kosten der Unternehmen"
Einige Experten weisen darauf hin, dass die Bergbauunternehmen zunehmend selbst ihren ökologischen Fußabdruck im Auge behalten. Einige Unternehmen hätten den Naturschutz sogar freiwillig zur eigenen Sache gemacht, sagt Isabel Cane, Programm-Leiterin am CSRM in Queensland.
"Internationale Großunternehmen haben in der Regel relativ gut organisierte Programme zum Umweltschutz und zur Reduzierung der Auswirkungen auf die Umwelt”, so Cane, die seit fünf Jahren in der Mongolei forscht. Sie nutzen eine Reihe von biochemischen Behandlungsmethoden, um die Metallmengen, die ins Wasser gelangen, zu reduzieren. Außerdem verhindern Rückhalte-Teiche, dass kontaminierte Flüssigkeiten bei Unfällen direkt in die Flüsse gelangen können.
Einige dieser Unternehmen gehen auch langfristige Kooperationsvereinbarungen mit Lokalregierungen und der einheimischen Bevölkerung ein. Sie holen sich die Zustimmung ein, bevor sie ihre Bergbauprojekte ausbauen.
Das schließt auch Rio Tinto ein, einen britisch-australischen Bergbaugiganten, den die mongolische Regierung als strategisch bedeutsam einstuft. Das Unternehmen bewirtschaftet mit dem Oyu Tolgoi-Projekt die größte Kupfer-Lagerstätte der Welt. Südlich der Hauptstadt Ulan Bator gelegen, soll allein dieses Projekt im Jahr 2021 rund 30 Prozent des BIP der Mongolei generieren, wenn es seine volle Produktionskapazität erreicht hat, berichtet der Internationale Währungsfonds. Doch Rio Tinto ist nicht unumstritten. Das Unternehmen ist in der Vergangenheit immer wieder in Kritik geraten, vor allem wegen Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen in Indonesien und in Papua-Neuguinea.
Das Projekt Oyu Tolgoi hat erst kürzlich einen langfristigen #link:http://goviin-erin.mn/:Kooperationsvertrag mit der Provinz Süd-Gobi# abgeschlossen. Rio Tinto sagt, es habe ein Umweltüberwachungsprogramm gestartet, das mit Einheimischen arbeitet und ihnen gleichzeitig alternative Einkommen sichert.
Die Überwachung von Wasserständen und wilden Tierherden gehöre ebenso zum Projekt wie andere Maßnahmen, beispielsweise das Sammeln von Samen oder das Pflanzen von Bäumen, teilt Batmunkh Buyantogtokh, Sprecher von Oyu Tolgoi, per E-Mail mit.
Der Schlüssel zum Umdenken steckt im wachsenden Bewusstsein für die Auswirkungen des Bergbaus auf die Umwelt und die Artenvielfalt, sagt Ali Saleem. "Bergbau-Unternehmen sollten bedenken, dass die Erhaltung der Umwelt mit Kosten verbunden ist. Die müssen sie als Teil der Kosten ihres Geschäfts betrachten."