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Wissen geht online

Julia Elvers-Guyot4. Juli 2007

Über neun Millionen Bände hat die Bayerische Staatsbibliothek in ihrem Bestand. Eine Million davon will Google jetzt digitalisieren. Damit soll das gesammelte Wissen noch leichter auffind- und abrufbar werden.

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Blick ins Magazin der Bayerischen Staatsbibliothek, Quelle: Bayerische Staatsbibliothek
Statt ins Büchermagazin zu gehen, kann man sich bald ins Internet klickenBild: Bayerische Staatsbibliothek
Außenansicht der Bayerischen Staatsbibliothek, Quelle: Bayerische Staatsbibliothek
Die Bayerische Staatsbibliothek in MünchenBild: Bayerische Staatsbibliothek

Sie ist nach der Staatsbibliothek zu Berlin die zweitgrößte deutsche Forschungsbibliothek und eine der bedeutendsten Quellensammlungen der Welt: die Bayerische Staatsbibliothek in München (BSB). Im nächsten Jahr feiert sie ihr 450-jähriges Bestehen.

Ob Nachschlagewerke, wertvolle Handschriften und Karten oder 40.000 laufende Zeitschriftenabos: Wissenschaftler finden in der Bayerischen Staatsbibliothek eine unendliche Auswahl an Quellen. Der Platz im Hauptgebäude reicht für all das schon lange nicht mehr aus - über die Hälfte des Bestandes lagert in einer Speicherbibliothek vor den Toren der Stadt. Mehrmals täglich fährt ein Bücherauto hin und her, um bestellte Bücher abzuholen oder wieder zurückzubringen.

Statt einer Bestellung reicht ein Blick ins Netz

Blick in den Lesesaal der Bayerischen Staatsbibliothek mit 550 Arbeitsplätzen, Quelle: Bayerische Staatsbibliothek
Wird der Lesesaal bald leerer sein?Bild: Bayerische Staatsbibliothek

Bald können sich die Nutzer aufwändiges Bestellen teilweise sparen: Google will den gesamten Bestand, dessen Urheberrechtsschutz bereits erloschen ist - über eine Million Bücher - digitalisieren und so im Internet auffindbar machen. Die BSB verspricht sich davon, ihr Renomee als internationale Forschungsbibliothek noch zu steigern. "Wir sind für alle, die an Bildung und Fortbildung interessiert sind, weltweit zugänglich. Insofern ist das Internet, auch wenn sich das etwas paradox anhört, quasi das natürliche Medium für uns", sagt Klaus Ceynowa, stellvertretender Generaldirektor der BSB.

Die Bayerische Staatsbibliothek ist die erste deutsche Bibliothek, die an der Google Buchsuche teilnimmt. Insgesamt beteiligen sich bisher 15 Bibliotheken weltweit an dem Projekt. Mit dabei auch die Uni-Bibliotheken Harvard, Stanford und Oxford. Google will so viele Bücher in so vielen Sprachen und von so vielen Ländern wie möglich digitalisieren. Die Nutzer der BSB versprechen sich davon vor allem Zeitersparnis, wenn man von zu Hause aus Bücher anschauen und runterladen kann. Trotzdem würden viele auch weiterhin in die Bibliothek kommen, denn ganze Bücher am Bildschirm zu lesen - das mag sich niemand vorstellen.

Hilfestellung auf dem Weg zur Buchhandlung oder zur Bibliothek

Das ist auch nicht das Ziel der Digitalisierung. "Die Google Buchsuche ist dafür gedacht, Bücher zu finden – durch die Einbindung von buchrelevanten Ergebnissen, zusätzlichen Ergebnissen zu Ihren Suchergebnissen, die Sie bei Ihrer ganz normalen Google-Suche eingeben", sagt Jens Redmer, Leiter der Google Buchsuche für Europa. "Ziel ist, dorthin verwiesen zu werden, wo man das Buch kaufen oder insgesamt konsumieren kann."

ein Mann beim Einlegen eines Buches in einen Scanner, Quelle: Bayerische Staatsbibliothek
Vorsichtig werden alte Bücher digitalisiert ...Bild: Bayerische Staatsbibliothek

Menschen und Informationen zusammenbringen, Suchanfragen mit Büchern verbinden - das hilft beiden Seiten: Google, sein Angebot zu verbessern, und den Bibliotheken, ihre Bestände international bekannt zu machen. Die Digitalisierung kostet Geld, rund 40 Euro für ein dreihundertseitiges Buch. Geld, das die öffentliche Hand nicht unbedingt hat. "Es geht ja um eine echte Massendigitalisierung, und die kann man, wenn man sie mit öffentlichen Geldern bewältigen will, höchstens im Verlaufe von 20, 30 oder 40 Jahren leisten", sagt Vize-Generaldirektor Klaus Ceynowa. Das sei im Internetzeitalter inakzeptabel. "Wir müssen unsere Klientel dort ansprechen und auch selber dort aufsuchen, wo sie nun mal primär forscht, lernt und arbeitet - und das ist heute das Internet."

Klagen gegen Google

Gut fünf Jahre soll es dauern, bis Google den urheberrechtlich freien Gesamtbestand der Münchener Bibliothek digitalisiert hat. In Amerika werden auch Auszüge von urheberrechtlich geschützten Büchern digitalisiert. Das hat Google eine Klage des Amerikanischen Schriftstellerverbandes eingebracht, der der Internet-Gigant aber gelassen entgegensieht. Vorsichtig ist er dennoch geworden: wann und wo mit der Digitalisierung in Deutschland begonnen wird, bleibt vorerst geheim.

Frau von hinten vor einem Bildschirm mit einer eingesannten Buchseite, Quelle: Bayerische Staatsbibliothek
... und das Ergebnis gleich am Bildschirm kontrolliertBild: Bayerische Staatsbibliothek

Mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft digitalisiert die BSB bereits seit zehn Jahren eigene Bände. Im Digitalisierungszentrum sitzen Mitarbeiter an großen Scannern, legen kostbare Bücher auf Buchstützen und fixieren sie vorsichtig. Per Pedaldruck lösen sie die Aufnahme aus. Die Kamera über dem Tisch tastet die Vorlage ab, und das Ergebnis kann gleich am Bildschirm kontrolliert werden. Alles ist so konzipiert, dass die Bücher beim Digitalisieren möglichst geschont werden.

Vom Umgang mit Büchern

Kritiker werfen Google vor, beim Einscannen nicht so vorsichtig mit Büchern umzugehen wie die Fachleute. Klaus Ceynowa von der BSB ist weniger skeptisch: "Gerade die konservatorischen Kriterien, die Google anlegt, sind relativ hoch gegriffen." Außerdem könne die Bibliothek Einfluss auf die Kriterien nehmen, mit denen digitalisiert wird. "Wir haben wirklich keinerlei Sorge, dass unsere Bücher zerstört werden."

Im Gegenteil, so Ceynowa: Durch die Digitalisierung könnten vom Verfall bedrohte Bücher - zumindest elektronisch - für die Nachwelt erhalten werden. Ob Bibliotheken, Nutzer oder Google selber: einig sind sich alle in einem: Das sinnliche Erfahren des Umblätterns und Lesens von echten Papierseiten wird nie ersetzt werden können. Die Nutzung von Bibliotheken als Ort wissenschaftlicher und kultureller Begegnung soll auch künftig Bestand haben.