WM 2023: Alexandra Popp will ihre Karriere krönen
14. Juli 2023Am Vorabend des Endspiels bei der EURO 2022 in England war für Alexandra Popp noch alles in Ordnung. Nach jahrelangen verletzungsbedingten Rückschlägen stand sie mit dem deutschen Team vor einem krönenden Abschluss einer erfolgreichen Europameisterschaft. Im Wembley-Stadion wurden am nächsten Tag knapp 90.000 Fans erwartet. Mit sechs EM-Toren in fünf Spielen hatte Popp Deutschland nach einigen erfolglosen Jahren wieder auf die große internationale Bühne geschossen. Der EM-Titel schien zum Greifen nah.
Doch es kam anders. Kurz vor dem Anpfiff des Endspiels gegen England hatte sich die Angreiferin eine Muskelzerrung zugezogen. Der Traum von ihrem ersten Endspiel war wieder einmal geplatzt. "Ich habe es gespürt, dass ich wahrscheinlich kein EM-Finale spielen kann", erklärte Popp im DW-Interview. Die Kapitänin sprach mit Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und überließ ihren Platz in der Startelf Lea Schüller. Ohne Popp im Angriff verlor Deutschland das Finale gegen England. Ihr freiwilliger Rückzug ist sicher ein Grund, warum sie von den Fans so geliebt und warum sie von ihren Teamkollegen als "Ikone" bezeichnet wird.
Popp: "Ich wollte immer auf dem Fußballplatz stehen"
Popps Weg hin zu einer inspirierenden Führungspersönlichkeit begann im Ruhrgebiet. Dort, in dieser fußballbegeisterten Region, wurde die Popp geformt - bis hin zur Kapitänin der Nationalelf. "Ich hatte das Gefühl, dass ich nie eine andere Wahl hatte, als Fußball zu spielen", so Popp. "Ich habe extrem früh angefangen, mit vier Jahren. Ich wollte von Geburt an immer auf einem Fußballplatz oder in einer Sporthalle sein."
Mit 16 Jahren machte sie den ersten großen Schritt für ihre Karriere. Sie wechselte zur Gesamtschule "Berger Feld", wo auch die Nachwuchsspieler des FC Schalke 04 die Schulbank drücken. Hier trainierte Popp neben dem Unterricht als einziges Mädchen mit Schalker Talenten wie Joel Matip, Ralf Fahrmann oder Max Meyer. "Ich muss zugeben, dass es nicht einfach war", sagte Popp. "Am Anfang waren die Jungs sehr skeptisch und wussten nicht so recht, wie sie mit mir umgehen sollten. Aber ziemlich früh haben wir dann fünf gegen zwei gespielt und sie haben gemerkt: 'OK, die hat was drauf'. Danach hat es sich schnell beruhigt."
Lernen von Weltmeisterinnen
2008 unterschrieb Popp einen Vertrag mit dem FCR Duisburg, damals eine der besten Adressen im Frauenfußball. Dort trainierte sie mit Weltmeisterinnen wie Inka Grings, Simone Laudehr und Annike Krahn. Doch anstatt mit dem nötigen Respekt ausgestattet, war Popps Auftreten zu Beginn eher von Überheblichkeit und Arroganz eines Teenagers geprägt.
"Ich war sehr frech, als ich jünger war", schmunzelt Popp. "Ich bin nach Duisburg gezogen und dachte eigentlich 'Hey, jetzt bin ich hier und bin mehr oder weniger besser als du'. Aber man hat mir sehr schnell gezeigt, dass ich das nicht bin."
"Sie war noch recht jung, auch vom Charakter her", erinnert sich Annike Krahn im DW-Interview. "Aber man hat gesehen, dass sie ein gewisses Talent hatte."
Gleich in ihrer ersten Saison in Duisburg gewann Popp den UEFA-Cup und holt den DFB-Pokal. 2010 machte sie sich erstmals auf der internationalen Bühne einen Namen, als sie mit Deutschland die U-20-Weltmeisterschaft gewinnen konnte und dabei in sechs Spielen zehn Tore erzielte. "Sie war schon damals eine Art Führungspersönlichkeit. Ich würde nicht sagen, dass sie eine geborene Führungspersönlichkeit war, aber es zeichnete sich schon ab", erinnert sich Krahn.
Popp geht den nächsten Karriere-Schritt
Nach ihrem Wechsel zum VfL Wolfsburg entwickelte sich Popp zu der dominanten Stürmerin und Führungspersönlichkeit, die sie heute ist. In elf Jahren erzielte sie 152 Tore, gewann sieben Bundesliga-Titel, neun Mal den DFB-Pokal und sogar zweimal die Champions League. Im Alter von 22 Jahren hatte Popp im Vereinsfußball bereits alles gewonnen. Doch dann begann eine harte Zeit mit vielen Verletzungen. Erst verpasste sie die EURO 2013 und auch vier Jahre später musste sie verletzungsbedingt passen. Und obwohl sie bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio mit dem DFB-Team Gold gewann, drohten Verletzungen ihre internationale Karriere so sehr zu beeinträchtigen, dass sie zeitweise sogar über einen Rücktritt nachdachte.
Doch die Angreiferin ließ sich nicht unterkriegen und kämpfte sich immer wieder zurück auf den Platz. Bei der WM in Australien und Neuseeland ist sie Feuer und Flamme dafür, Deutschland wieder an die Spitze des internationalen Fußballs zu führen. "Sie zeigt, dass man einfach dranbleiben, seinen Weg gehen muss und sich durch nichts unterkriegen lassen soll. Sie hat mich definitiv sehr inspiriert", sagte DFB-Teamkollegin Kathrin Hendrich. "'Poppi' ist eine Ikone. Wenn man in Deutschland jemanden fragt, welche Fußballerin einem als erstes einfällt, dann steht sie ganz oben auf der Liste."
Popp ist die Hauptattraktion, wenn Deutschland trainiert oder spielt. Doch sie lässt sich von dem Trubel um ihre Person nicht beeinflussen und konzentriert sich ausschließlich auf ihren Job: ein erfolgreiches Turnier zu spielen. "Ich freue mich sehr auf die Weltmeisterschaft. Und ich denke, wir können im Titelrennen eine große Rolle spielen", sagte Popp.